Rochus Epkonov betrat sein Büro. Müde und reichlich träge schenkte er sich aus seiner Kaffeemaschine eine Tasse Kaffee ein. An der dampfenden nippend ging er um seinen Schreibtisch herum, warf einen kurzen Blick auf das goldene Schildchen, auf dem in stolzen, schwarzen Lettern Chief Inspector R.Epkonov prangte. Mit seiner freien Hand wischte er den Staub von einer Ecke des Schildchens, bevor er sich vor seinen Computer setzte.
Die glorreiche Zeit der Verbrechensbekämpfung war lange vorbei. Chief Rocky hatte man ihn genannt, nicht nur aufgrund seines osteuropäischen Namens den auszusprechen kaum jemand in der Lage war, sondern weil er hart wie ein Felsen war und weil er in seiner besten Zeit geradezu einen perfekten Pin-Up Helden à la Silvester Stallone abgegeben hätte.
Inzwischen war sein Haar an den Schläfen ergraut, sein bläuliches Diensthemd wurde durch einen Bauchansatz gewölbt und schob sich gar ein Stück über den schwarzen Gürtel seiner Hose. Für einen Mann von 54 Jahren war er noch erstaunlich fit und reaktionsschnell, doch er wusste, dass seine beste Zeit lange vorbei war.
Er war es, der kompromisslos, offensiv und vor allem unbestechlich die Syndikate in die Defensive gedrängt und sie in ihre Verstecke gescheucht hatte. Ohne mit der Wimper zu zucken hatte er selbst zahlreiche Verbrecher erschossen. Viel Blut klebte an seinen Händen und an manchen Tagen drohte er an seinem schlechten Gewissen zusammenzubrechen, das er nur durch den verzweifelten Gedanken, dass alles schlechte, was er getan hatte auch notwendig war, beruhigen konnte.
Vor seinem Tisch lagen zwei Schreiben. Das eine bezog sich auf einen Nachbarschaftsstreit in einem der Vororte. Er würde zwei Beamte hinschicken, die die Sache regelten. Kleine Streiterein waren nicht unüblich und das beste Mittel, sie zu schlichten, war zwei Beamte hinzuschicken, die sich mit den beiden Personen an einen Tisch setzen sollten.
Das zweite Schreiben war nicht weniger unüblich. Ein Betrunkener hatte gestern Nacht in einer Bar eine Schlägerei angefangen und lag noch in der Ausnüchterungszelle. Die meisten Betrunkenen beruhigten sich nach etwas Schlaf. 'Ich schicke jemanden hin, der seine Personalien aufnimmt und ihn laufen lässt, dann schicken wir dem Suffkopf die Hotelrechnung.', dachte Epkonov bei sich und lehnte sich zurück.
Ja, die Arbeit war trist und langweilig. Zur Zeit der Straßenschlachten und großen Plünderungszüge hatte er oft um sein Leben gebangt und nicht nur einmal hatte sein Schutzengel zahlreiche Federn gelassen.
Und doch merkte er, dass etwas fehlte, seitdem es so ruhig in der Stadt geworden war.