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Prelude - Zweiter Geburtstag
Arthur Bernstein öffnete langsam seine Augen. Grell, Licht, vielzuviel. Hmm? Die Jalousie war geschlossen... nun ja.
Er fasste sich an den Kopf. Uuugh.
Kopfschmerzen, nicht zu knapp. Paracetamol, sofort. Arthur kroch mühevoll in seinem Bett in Richtung seines alten Sekretärs und nahm eine Tablette, ohne Wasser uh.
Was war geschehen? Blackout? Er konnte sich nichteinmal konzentrieren. Bah. Hu? Sein Atem rch nach Alkohol. Eindeutig! Ausgerechnet er!
Arthur Bernstein, ein bodenständiger Buchhalter, oberster der größeren Firma Trident International, Ortstelle Courdanaira, eine Firma, die primär auf den Fang von Meeresfrüchten spezialisiert war, allem vorran dem Fang von gelben Krustenreißern.
Arthur Bernstein, ein Mann, der jeden Sonntag brav in den Tempel des einzig wahren Eingottes Aoumgn ging. Ehrlich bis in die drittklassigen Boots an seinen Füßen, ein Mann der sich niemals zu diesen... nun, Säufern, wenn sie mir einen solchen Ausdruck verzeihen wollen, gesellt. Ein anständiger braver Mann, der seine Steuern rechtzeitig zahlt und auch die Miete für seine 30 qm-Wohnung mit Kochnische.
Ah... die Erinnerung kam zurück, langsam, wie Honig, der von einem Löffel rinnt. Und genauso zäh und grell.
Da war dieser Mann uh er gehörte zu Usam-Logistics, einer Transportfirma benannt nach Saga Usam, Gott der Nachrichten, des Handels und des Diebstahls. Trident International ließ den Großteil ihrer Lieferungen von Usam-Logistics transportieren. Sie waren in diese Bar gegangen gestern uh es ging um Lieferprobleme, oder? Schmutzige Bar dachte Arthur. Mindesttrinklimit. Genau. Das war es. Man musste 3 Getränke bestellen. Und natriumarmes Soda hatten sie nicht.
Der Mann hatte sein Anliegen schnell vorgetragen und Arthur hatte ihm versichert, dass 5 Stunden Zeitunterschied irrelevant wären... was war dann... diese Frau. Arthur sollte probieren. Nein, sagte er, oder? Ihre Stimme... so gebieterisch... er konnte sich nicht weigern. Wie die Stimme des Chefes, nein, mächtiger... es war ein starker Drink. Er glaubte sich zu erinnern, dass es wie Syntheticale aus Glasgarten gerochen hatte, ein Stoff, den er auch in seiner Wohnung hatte - zur Desinfizierung.
War es ein starker Drink? Arthur konnte es nicht beurteilen. Er hatte davor ein einziges Mal getrunken, eine sehr düstere Zeit als er Student auf der buchhalterischen Universität von Glasgarten war, als ein sogenannter Freund ihn dazu verführt hatte, an einem Glas Schwarzbier zu nippen. Schauderhaft. Unverzeilich. Gegen den Willen Aoumgns.
Nun ja. Er hatte in der Bar getrunken. Was war dann... Dunkelheit... Blur... was war dann... NEIN! NIEMALS!
Hatte er sie wirklich auf einen Kaffee eingeladen, wie ihm seine Erinnerung sagte? Er, der er selbst Koffein als gefährliche Droge betrachtete! Und...
Arthur wurde kalkweiß. In seiner Hand war eine Unterhose.
Eine DAMENUNTERHOSE.
Unehelicher Geschlechtsverkehr. Er hatte dem blauweißen Mann seine Seele verkauft. Er würde in die Hölle kommen außer... außer...
Blitzschnell zog er seinen Terminkalender aus dem Schrank und trug noch für den nächsten Abend groß Beichten ein... obwohl er doch zu diesem Zeitpunkt ursprünglich geplant hatte, die Akten aus reinem Selbstzweck nochmal zu ordnen, insbesondere die Informationen über rotgelben Krustereißer. Dem zweitwichtigsten Fang der Firma.
Nun ja, Pflicht gegenüber Aoumgn steht über Spass.
So, wieviel Uhr.... BEI DEN GÖTTERN! 6 UHR!
Sein Adrenalin pumpte sich in Sekundenbruchteilen durch die Adern. In 30 Minuten war eine wichtige Besprechung mit seinem Chef! Was würde dieser sagen, wenn er zu spät käme? Und die neuen Anschaffungen mussten geplant werden! Er war kein besonders geschickter Mann aber diesmal dauerte es nur wenige Sekunden, bis er in voller Kleidung dastand, mit perfekt sitzendem Fez auf dem Kopf versteht sich.
Zähne putzen. Schnell. Schmumpf schmumpf spuck... Was...? Blut?
Egal, keine Zeit. Losloslos, Taxi!
Ah... exzellent. Vor dem Wohnungsturm stand ein Taxxac-Taxi. Er lief winkend darauf zu aber... just in diesem Augenblick fuhr es los. Mist. Der Droide hatte ihn nicht gesehen.
Er lief hinterher und stieg ein, ließ sich in den Sitz zurückfallen. Hu? Sein Atem... er war langsam! Und... wo war er eingestiegen? 300 Meter an der nächsten Ampel? Aber... der Taxxac hatte ein solches Tempo drauf, wie hatte er es eingeholt? War er im Tempo eines Taxxacs gesprintet, 70 km/h? Er, der er einstimmig in der Universität von Glasgarten zum schlechtesten Sportler aller Zeiten gewählt wurde von einigen recht gehässigen sogenannten Freunden? (Freunde in dem Sinne, dass Arthur die WGs bezahlt hatte und sie ab und zu mit ihm gesprochen) Egal! Das Auto hielt am Hafen.
Stille, wenige Matrosen... die Lagerhalle am Pier 69 lag ruhig. Nunja, diese faulen Arbeiter fingen immer viel zu spät an, im Gegensatz zu unserem braven Arthur.
Er öffnete den Hintereingang und durch die Reihen von Kisten mit grünem Kurstenreißer. Dem drittwichtigsten Fang der Firma. Stimmen? Sein Chef war doch der einzige, der hier sein sollte?
"Heya Vincent" hörte er. Er kannte die Stimme nicht, sein Chef hieß aber Vincent mit Vornamen.
"Ah Sawano mein Freund, wie geht es!" Dies war die Stimme seines Chefs, eindeutig.
"Schlecht. Der Boss vermisst seine Ware."
"Wir hatten einige Komplikationen mit dem Versand, Sawano. Das wusstest du."
Ah, ein Kunde.
"Neinneinein Vincent, weißt du, das Problem, das ich habe, beruht da auf ein paar kleinen Gerüchten... sowas in der Art, du arbeitest jetzt mit den Drachen zusammen und lässt deine armen Freunde von den Leoparden hängen!"
Moment... Drachen? Leoparden? Waren das nicht diese Verbrechersyndikate? Arthur hatte davon in den Nachrichten gehört!
"Euer Informant braucht Geld und erfindet Geschichten. Nonsens."
"Halt deine dreckige Fresse du Stück Scheiße! Wir haben das Geld zurückverfolgt! Nen ganzer Batzen Raks, der vom Konto der Drachen auf dein Konto kam!"
"Pferdescheiße Sawano, meinst du ich würde..."
"JA DAS MEINE ICH!"
"Hör mal zu, du kennst mich doch, wir sind alte Freunde und..."
Sawano hatte genug. Er war mit einer Begabung aufgewachsen, die ihn jede Lüge durchschauen ließ.
Vincent hatte auch eine Begabung, nämlich die, dass er spürte, wenn es vorbei war. Seine Hand glitt in Richtung der Elfenbeinbesetzen Gaußkanone in seinem Jacket.
Zzzzzzwing!
Sawano zog schneller. Ein Strahl brennender Luft durchzog die Halle, der, nachdem er Vincent passiert hatte, einen Schwall Innereien nach sich zog. Die Gaußkanone war etwas zu stark eingestellt. Nun ja. Sawanos Leute kamen herein, bewaffnet mit einem großen Plastiksack und einem Dampfstrahler. Eine Sauerei war das.
Arthur zog sich hinter die Kisten zurück, mit weit offenen Augen und einem Herz, welches in der Stärke einer Trommel schlug. Der Chef! Die Leoparden! Bei Aoumgn!
Kalt. In seinem Nacken. Waffe.
Er rannte durch die endlosen Kistenreihen. Um ihn herum fing die Luft an zu brennen, Gaußprojektile rissen kopfgroße Löcher in die Kisten.
Was war geschehen? Hatte er gerade... mit einem Fuss eine Waffe aus der Hand eines Mannes getreten, war mit dem anderen abgesprungen und hatte mit dem ersten wieder in das Gesicht des Mannes getreten? Hatte es laut geknackt bevor der Mann zu Boden gesackt war?
Er sprang und griff mit den Händen die obersten Kisten. Der Schwung ließ seine Füße in großem Bogen auf die Kisten wirbeln. Er sprang auf eine weitere Reihe, weg von der Schlucht, aus der die Schüße kamen.
Woher hatte er solches Geschick?
Er hechtete auf ein Fenster zu und sprang mit Füßen nach vorne durch. Das Glas gab nach, splitterte in tausende rasiermessescharfe Scherben und schlitzte ihn an zahlreichen Stellen auf.
In der Luft drehte Arthur sich, kopfüber viel er am Steg vorbei in Richtung Meeresoberfläche, welche gut 8 Meter unterhalb des Fensters lag. Mit gewaltigem Tempo ergriff er den Rand des Steges, ließ die Beine weiter fallen und als diese durch den Schwung genug rotiert waren, ließ er los. Er fiel auf den Strand unterhalb des Steges. Vor ihm war eine Tür aus massivem Eisen, ein Weg von Stegwartungsarbeitern.
Wie hatte er den Fall überlebt?
Keine Zeit. Er hatte den Schlüssel. Er hatte praktisch jeden Schlüssel hier.
Rein und weg.
Sawano der Leoparde fluchte. Wo war dieses elende Stück Scheiße hin? Das war ein Angestellter, oder? Einen Fez hatter er getragen... bieder! So einer... der konnte doch nicht ein Meisterakrobat sein? Hatte Vincent eine Leibwache? Aber er war unbewaffnet gewesen... nun, fragen konnte er nicht mehr. Vincent lag ohne Innereien in einem Plastiksack am Grund des Meeres. Gut 300 Meter tief war das Meer, fuhr man wenige Meter raus. Courdanaira lag auf einem Riff.
Er holte ein Feuerzeug aus der Tasche und zündete sich einen Blunt an. Nein, auch dieser hier würde ihm nicht entkommen. Er sog die beruhigenden Dämpfe ein, dann aktivierte er seinen mobilen Mediatransmitter und rief einen alten Freund an. Einen alten Freund mit vielen Infos.
Der Computer fuhr hoch. Über zahlreiche Gänge unter dem Steg war Arthur ins Firmengebäude gekommen. Zugriffscode.
Wohin sollte diese Lieferung gehen? Nordstadt. Nordstadt? Seit wann hatte Trident International dort Kunden? Ah, Zweigstelle. Grüner Krustenreißer, liefern nach... Oberon & Co, Sonnenzweig... Sonnenzweig? Natürlich! Das wusste er aus den Nachrichten! In Sonnenzweig residierten die Drachen! Oberon & Co musste die Deckfirma sein.
Hummm aber Krustenreißer... ein köstliches Tier, fürwahr aber wertvoll, eher nicht... und verboten auch nicht... wieso...
humm? Die Kistenanzahl der Lieferung... Sie war um einige wenige Kisten höher als die Zahl, die er noch gestern gesehen hatte, über die Ware in der Lagerhalle... ah ja, einer der Lieferanten hatte in den Keller geliefert, daran erinnerte er sich. Der Keller? Wieso Keller?
Er stand mit einer Brechstange im Keller und wunderte sich erneut, was in ihn gefahren war. Wieso nicht Polizei? Oder wenigsten wegrennen? Was tat er eigentlich?
Der kleine Buchhalter und die großen Leoparden?
Egal. Zack. Ein wenig zu heftig öffnete er die Kisten. Der Inhalt puderte sein Gesicht weiß und er wurde leicht high. Ugh. Yeah.
Immer noch ungläubig, dass sein Chef, der doch immer am Sonntag im Tempel war, ein Verbrecher war, begann er langsam, das Offensichtliche zu akzeptieren.
Nochmal nach oben, Computer, andere Lieferungen.
Sawanos Wagen fuhr vor das Firmengebäude. Der alte Freund hatte ihm berichtet, dass im Gebäude Strom verbraucht wurde... ein Narr war der Angestellte.
Er stieg mit seinen Jungs aus und stürmte das Gebäude, nur der Chauffeur wartete geduldig und blickte auf die Tür. Kaum waren die Männer drinnen, splitterte über der Tür das Fenster und ein Mann sprang raus und hechtete auf das Auto zu. Der Chauffeur schoß und traf die linke Hand des Mannes, die sich in eine Wolke aus Blut und Knochensplittern verwandelte. Dann schlug der Mann durch die Fensterscheibe, packte den Chauffeur am Hals und zog ihn aus dem Wagen... die letzten Gedanken des Chauffeurs waren "Scheiße was ist das".
Einige Kreuzungen später bemerkte Arthur, dass der Wagen Sawanos angepeilt wurde. Er stieg aus und lief zu Fuss weiter, nachdem er mit bloßer Hand den Tank des Wagens eingeschlagen hatte.
Nach Hause? Niemals. Dort würden sie ihn finden. Gartenhaus! Vincent hatte ein Gartenhaus gehabt und Arthur... hatte den Schlüssel! Er war damals der Überzeugung gewesen, den Garten vom Chef gießen, das gibt Sonderpunkte.
Gesagt getan, wenige Minuten später lag er im Inneren des Häuschens und schlief ein.
Bis er unsanft aus dem Schlaf gerüttelt wurde, eine Gausßkanone auf seinen Kopf gerichtet.
Sawano und Arthur standen an der Reling einer teuren Luxusyacht. Es später Abend.
Sawano in Schuhen für mehrere tausend Raks aus Glasgarten, Arthur in Schuhen für wenige Raks aus dem Baumarkt. Schwere Schuhe. In Kastenform und grau.
Sawano schubste ihn leicht und der Stahlbeton zog ihn in die kalte schwarze Tiefe.
...