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Krieger
Ein kurzes Zögern, bevor Lenjia sich ihrer Erschöpfung beugte und langsam, immer die Fremde im Auge behaltend, auf den Boden sank. Kälte durchschoss ihre Knie und eisige Schauer liefen ihr über den Rücken. Sie krabbelte etwas näher an das Feuer heran. Novara schwieg und starrte in die Flammen vor ihr. Zwischen den beiden herrschte eine eiserne Stille, nur das Knistern der Flammen war zu hören.
Lenjia atmete tief durch und strich sich die Haare aus dem Gesicht, welche bis eben noch ihre rechte Seite bedeckt hatten.
„Nun“, fing sie an und brach damit die Stille, die zwischen ihnen hang, „jetzt, da du mich hierher geschleppt hast, kannst du mir doch sicherlich etwas mehr über dich und diese Frau erzählen.“
Novara hob den Kopf und schaute sie gedankenverloren an. „Was?“
Lenjia rollte mit den dunkelroten Augen und knetete die Hände im Schoß.
„Du. Frau. Höhle. Erzählen?“
Ein unverständliches Blinzeln, dann lächelte Novara.
„Ach, entschuldige. Ich war ganz in Gedanken vertieft.“
„Wirklich? Das wäre das Letzte, was ich erwartet hätte...“, brummte Glaurung.
„Ich habe nicht viel zu erzählen, außerdem wirst du das selbst noch sehen“, wich die Priesterin aus. Lenjia nickte. Dass Leute nicht gerne mit ihr sprachen, wusste sie. War sie denn wirklich so unfreundlich?
Sie rang sich ein Lächeln auf, schließlich wusste sie, wie schnell man als zurückgebliebener Idiot abgestempelt werden konnte.
„Das denke ich nicht, du wurdest doch wohl kaum aus heiterem Himmel wegen Mordes angeklagt?“
Novara lachte leise. “Stell dir vor, genau das ist passiert.”
Ihr Gegenüber sah sie verständnislos an. „Wie meinst du das?“
Novara zuckte mit den Schultern und hielt sich noch einmal die Szenen vor, welche ihr Leben damals vollkommen veränderten.
„Ich ahnte ja nicht, dass sie mich bereits suchten. Sie kamen einfach, wollten mich mitnehmen und hatten auch schon beschlossen, mich hinrichten zu lassen. Völlig grundlos...“
Den letzten Teil des Satzes flüsterte sie, wie unter Schmerzen. Novara senkte den Kopf wieder und verwehrte Lenjia den Blick in ihre Augen. Sie würde ihre Gefühle sowieso nicht verstehen, das taten nur wenige, denn es kam nicht jeden Tag vor, dass jemand beschuldigt wurde, eine Reihe von Priesterinnen ermordet zu haben.
„Weißt du... Ich will nicht behaupten, dass ich dich vollkommen verstehen würde, aber ich weiß wie es ist, ausgeschlossen zu werden.“
Novara schüttelte den Kopf. „Zerbrich dir nicht dein Köpfchen darüber, Kind. Sei froh, dass deine Eltern dich vor solchen Gefühlen beschützt haben.“
„Ich habe keine Eltern.“
Novara zuckte zusammen, als hätte sie einen Stromschlag bekommen. Was hatte sie gesagt?
Sie hob endlich wieder den Blick und sah Lenjia überrascht an. Das Mädchen hatte keine Miene verzogen. Lenjia trauerte nicht darum, keine Eltern gehabt zu haben. Wie konnte sie ein Gefühl von Familie vermissen, wenn sie es nie richtig gehabt hatte?
„Ich wachte in der Stadt auf, allein und konnte mich an nichts erinnern. Zwar versuchte ich mein Gedächtnis wiederzuerlangen, aber... leider ohne Erfolg.“
Novara blinzelte. “Aber hast du dich denn nie einsam gefühlt?”
Lenjia lächelte und diesmal war es ein ehrliches, wenn auch trauriges Lächeln. „Natürlich.“
Beide schwiegen und verdauten die Geschichten des anderen. Novara hatte Mitleid mit dem Mädchen, das erklärte auch ihr Misstrauen zu Anfang und weshalb sie nicht wie ein Kind behandelt werden wollte. Nach dem, was sie durchgemacht haben musste, wäre das nicht fair.
Aber auch Lenjia besann sich und wollte fortan etwas freundlicher mit der Priesterin umgehen. Sie hatte sich vieles aufgebaut, was in einem Moment zusammenbrach und zurück blieb nur das Gefühl ausgenutzt worden zu sein.
Novara begann wieder in das vor ihr tanzende Feuer zu starren, während Lenjia sich in der Höhle umsah. In den letzten Tagen hatte sie eine Menge ungewohnter Dinge gesehen, aber diese Umgebung ließ sie einfach nur erzittern, wenn auch mehr aus Unbehagen als Kälte. Ihr Körper hatte sich der Temperatur angepasst und schon bald schwitzte sie unter ihrem Mantel. Unbehänd knöpfte sie ihn auf und legte ihn beiseite.
„Diese Teana muss eine Hexe sein“, dachte sie. Ihre Gedanken waren nicht ungehört, aber ihr unsichtbarer Begleiter zog das Schweigen vor.
„Kein bissiger Kommentar?“
„Stell dir vor, nein. Wie du merkst bin ich immer noch an dich gebunden und das geht an die Substanz! Wenn du mich also entschuldigen würdest, ich versuche einen Plan zu schmieden um dein mickriges Dasein zu beenden...“
Lenjia rollte mit den Augen und schlang die Arme um die Knie. Ihre Gesprächspartnerin schien ebenso wenig an einer Unterhaltung interessiert zu sein wie Glaurung, nur hatte sie hoffentlich keine mordlustigen Gedanken im Hinterkopf. Lenjia lehnte ihre Stirn gegen die Arme und schloss die Augen. Sie entspannte sich und schon bald kreisten ihre Gedanken frei in ihrem Kopf herum und verursachten mehr oder minder erfreuliche Träume.
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