Die Sonne war bereits am Untergehen, als Lenjia die Steppe zum Hylia-See entlang wanderte. Glaurung hatte auch seine guten Seiten, wenn es darum ging Chaos zu verbreiten, war er stets dazu bereit Tipps zu geben. Lenjia hatte es nach X-Versuchen geschafft einen kleinen Feuerball zu beschwören. Trotz seiner Größe hatte er ein großes Loch in den Fluss vor Kakariko gerissen, an dem sie trainierten. Glaurung hatte gemeint, dass, sollte jemand vorbei kommen und sie sehen, sie gleich mit einem beweglichen Ziel trainieren könnte.
Doch Lenjia hatte gar nicht vor, diesen Jemand am See anzugreifen, sie würde sich nur verteidigen. Schließlich stand es noch nicht fest, dass es um den Vorfall ging.

Die Steppe wurde in ein warmes Licht getaucht und wärmte noch einmal Lenjias gerötetes Gesicht. Das Training hatte ihr einiges an Kraft abverlangt, doch erholte sie sich dank des Drachen nun schneller.
„Was wirst du nun tun?“, fragte eben selber Drache. Er hatte eine ganze Zeit lang geschwiegen, nachdem er sich vorhin heiser gekrächzt hatte.
„Wir werden sehen“, kam die Antwort. Glaurung seufzte. „Was für’n Langweiler...“
Der Eingang zum See war schon in Sicht und noch immer machte Lenjia keine Anstalten, sich irgendwie vorzubereiten. Sollte jedoch etwas schief gehen, würde er eingreifen. Es war kein Problem für ihn, das Mädchen zu reizen.
Lenjia bog um die Ecke und stieg einen kleinen Hügel hinauf. Endlich konnte sie das glitzernde Wasser des Hylia-Sees sehen. An manchen Stellen war der große See zugefroren, wie am kleinen Strand, der davor lag.
Sie schlitterte den Hügel hinunter und ging bis zum Rand des Sees. „Hm, niemand hier.“
„Warten wir eben“, sagte Lenjia und lehnte sich gegen eine der steinernen Säulen, die auf dem Eingang zu Zoras Reich standen. Doch sie mussten nicht lange warten...

Eine Gestalt im Umhang trat hinter dem Haus des Professors hervor. Ohne zu zögern ging sie zu Lenjia hinüber und stoppte kurz vor ihr. Lenjia stieß sich von der Säule ab und musterte die Gestalt. Eine Kapuze war tief ins Gesicht gezogen, blondes Haar fiel ihr auf die Brust. Es war auf jeden Fall eine junge Frau, schmale Finger schauten unter den schwarzen Ärmeln hervor. Nun hob dieser Jemand den Kopf und strich sich die Kapuze herunter. Lenjia lag richtig; eine junge Frau stand vor ihr und betrachtete sie mit ruhigen, dunkelblauen Augen. Ein leises Lächeln zierte ihre Lippen und wirkte es eher freundlich als hinterhältig. Sie nickte Lenjia zu.
„Sei mir gegrüßt“, begann sie. „Ich habe auf dich gewartet.“
Lenjia hielt stumm den Zettel hoch, ihr Gegenüber nickte.
„Mein Name ist Novara.“ Die junge Frau setzte eine kurze Pause ein, scheinbar auf etwas wartend. Lenjia nickte.
„Du kennst mich nicht, liege ich da richtig?“
„Sollte ich das etwa?“, fragte Lenjia und zog eine Augenbraue hoch. Novara wirkte in wenig überrascht, behielt jedoch ihre Miene bei. „Nun, das ist nicht weiter schlimm.“
Glaurung zischte leise. „Von welchem Kobold ist die denn befallen?“
Lenjia ignorierte den Drachen, fragte Novara stattdessen: „Was willst du?“
Novaras Lächeln verblasste. Sie schien zu überlegen, was sie nun sagen sollte.
„Ich habe von Jemandem den Auftrag bekommen, dich mitzunehmen. Warte!“, rief sie, als Lenjia nach ihren Nadellanzetten griff. „Ich bin kein Freund von Gewalt, so lass deine Waffen ruhen.“
Sie legte eine kurze Pause ein, bevor sie weitersprach.
„Ich werde gesucht. Denke jetzt bitte nichts falsches, ich werde mehrerer Morde beschuldigt, die ich nicht begangen habe“, erklärte sie. Lenjia starrte sie an.
„Das soll mich beruhigen?!“, stieß sie hervor. Nur mit Mühe und Not konnte sie die drängende Stimme des Drachen aus ihrem Kopf verdrängen.
Ein letztes „Hey...!“ und zum ersten Mal seit Tagen herrschte wieder Ruhe in ihrem Kopf. Herrlich!
Novara blieb ruhig, Panik würde jetzt gar nichts bringen. Außerdem glaubte sie nicht, dass sie sich vor dem Mädchen zu fürchten hatte. Sie machte einen Eindruck von 15, vielleicht 16 Jahren.
„Glaube mir, ich habe niemandem ein Haar gekrümmt und ich werde dir auch nichts tun“, versuchte sie Lenjia zu beruhigen. „Das hätte ich sonst schon längst getan.“
Lenjia blieb sprungbereit, sollte Novara es sich anders überlegen, trotzdem wagte sie eine Frage zu stellen: „Wer hat dir befohlen, mich zu suchen?“
„Eine Frau namens Teana.“
Das sagte Lenjia fürs erste gar nichts. Sie war sich noch immer nicht über die junge Frau sicher, auch, wenn diese keinen mordlustigen Eindruck auf sie machte.
„Ich werde dir wirklich nichts tun“, sprach Novara weiter. Sie fummelte kurz an ihrem Gürtel, bevor sie Schwert und Stab zu Boden warf. Lenjia musterte Novara immer noch skeptisch.
„Und? Hast du immer noch Angst?“
„Wer hat gesagt, dass ich Angst hätte?“, fragte Lenjia beleidigt. Endlich entspannte sie sich wieder.
Wenn sie ein wenig zurück dachte, wie oft wurde sie in den letzten Tagen von den Leuten enttäuscht?
Da war Thelon, der immer versuchte hatte, sie einmal zum Lachen zu bringen und Mika und Ziffer, die sie sogar bei sich aufgenommen hatten. Keiner von ihnen hatte sie irgendwie verraten, vielleicht waren die Herzen der Leute also doch nicht so schwarz, wie sie immer dachte?
Lenjia stellte sich wieder gerade hin und nickte widerwillig. Zur Not könnte sie es vielleicht mit Novara aufnehmen, wer weiß.
Die Frau vor ihr lächelte glücklich. Das war schneller gegangen, als sie gedacht hatte. Sie hob Schwert und Stab auf und stellte sich neben Lenjia.
„Folge mir einfach“, sagte sie und ging los. Lenjia folgte ihr, hielt dennoch einen gewissen Abstand zu der Frau. Novara versuchte die Lage etwas zu entspannen und fragte nach Lenjias Namen.
„Lenjia“, kam die knappe Antwort.
„Wie alt bist du, Lenjia?“, fragte Novara weiter.
„16 und hör auf, mich wie ein Kleinkind zu behandeln“, fauchte sie missgelaunt. Wem lief sie bloß immer in die Arme?
Lenjia schwieg und löste die Barriere, die ihre Gedanken von denen des Drachen trennte. Es überraschte sie, dass Glaurung nicht meckerte, sondern ebenfalls schwieg.
Beunruhigt davon wünschte sie sich doch, dass sie irgendwann auf die Gedanken des Drachen zugreifen könnte.
Aber fürs erste würde sie ihre Augen Novara widmen. Sie wusste nichts über die Frau, außer, dass sie fälschlicherweise gesucht wurde. Aber in einem waren sie gleich, sie wurden beide zu Unrecht beschuldigt. Dieser Gedanke löste die Nervosität von Lenjia.