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Veteran
„Was ist los?“, fragte Arreth zum wiederholten Mal und blickte Tiran gespannt an.
„Schon wieder eine Gruppe Soldaten aus dem Schloss…“, entgegnete der Schmied und deutete auf besagte Krieger, die in scheinbarer Eile den Weg zum Schloss hinabliefen. Es war der vierte solcher Trupps und wie die bisherigen auch begab er sich in eine andere Richtung als seine Vorgänger.
„Da geht doch irgendetwas vor…“, murmelte nun auch der Söldner zustimmend. Offenkundig wollten die Soldaten nicht groß auffallen und schwärmten in kleinen Gruppen aus, doch die Regelmäßigkeit, mit der diese erschienen und sich aufteilten sowie die entschlossenen, grimmigen Gesichter ließen nicht nur die beiden Männer aus Kakariko stutzig werden. Mehrere Menschen standen in Gruppen beisammen und tuschelten. Nervosität und Aufmerksamkeit schienen wie eine dunkle, verheißungsvolle Wolke über der Stadt zu hängen.
„Was meinst du, was sie suchen?“, fragte Tiran und erntete ein Achselzucken seitens des Söldners.
„Es gibt viele Möglichkeiten, ich kann es also nicht sagen. Aber irgendetwas scheint geschehen zu sein. Als wir die Stadt betraten war die Stimmung noch eine völlig andere. Jetzt hingegen…“, Arreth machte eine ausholende Geste, „…jetzt hingegen liegt Spannung in der Luft. Die Stadtbewohner spüren, dass etwas nicht stimmt.“
Tiran nickte zustimmend und schaute den davoneilenden Kriegern nach. Dann seufzte er und meinte:
„Was auch immer es ist, es hat nichts mit uns zu tun. Komm, wir sollten uns langsam auf den Rückweg machen. Die Sonne hängt bereits tief am Himmel.“
Gemeinsam verließen sie die Stadt und wollten nach Osten aufbrechen, in Richtung Kakarikos, als der Schmied plötzlich stehen blieb und den Kopf schief legte.
„Die kenn ich doch…“, murmelte er und schloss die Augen.
„Was…?“, wollte Arreth fragen, doch Tiran schnitt ihm mit einer scharfen Handbewegung das Wort ab. Dann wandte er sich um und blickte geradewegs nach Westen.
Der Söldner hatte sich mittlerweile recht gut an die seltsamen Launen des Schmiedes mit dem ungewöhnlichen Traum gewöhnt und wartete ab. Schließlich schien Tiran zu irgendeinem Schluss gekommen zu sein, denn er öffnete ruckartig die Augen und deutete Arreth ihm zu folgen.
„Was hast du gespürt, wieso gehen wir jetzt in die entgegengesetzte Richtung?“, fragte dieser verwundert, während sie zügigen Schrittes nach Westen eilten.
„Erinnerst du dich an die Frau von vor einiger Zeit, die uns so seltsam vorgekommen ist? Ich habe dir doch erzählt, dass sie etwas sehr Interessantes bei sich hatte, etwas Hochmagisches. Irgendetwas Kleines, mehrere davon…jedenfalls habe ich es eben wieder gespürt. Die Frau scheint sich schnell von hier weg zu bewegen, ist aber noch in der Nähe. Und sie ist nicht alleine. Da ist noch eine andere Präsenz, die ein wenig Magie ausstrahlt...“
„Und deshalb folgen wir dieser Frau jetzt? Weil sie nicht alleine ist?“, fasste Arreth skeptisch zusammen, während der Schnee unter ihren Füßen aufgewirbelt wurde. Es war trotz allem noch ein recht milder Tag, mit nur mäßigem Wind und wenigen Wolken am Himmel, so dass die untergehende Sonne mehr oder weniger ungehindert ihr letztes, wärmendes Licht abgeben konnte.
Es dauerte eine Weile bis sie die Frau eingeholt hatten, denn Tiran musste unterwegs mehrmals anhalten, um sich zu vergewissern, dass sie in die richtige Richtung liefen und außerdem schien die Frau selbst es ebenfalls eilig zu haben. Wäre sie ihnen von vornherein nicht so nahe gewesen, hätte der Schmied ihre Präsenz, oder mehr die ihrer bei sich getragenen magischen Gegenstände, auch bei seinem starken Gespür wohl nicht wahrgenommen.
So jedoch wussten sie, wohin sie sich zu richten hatten und bald schon sahen sie eine klare Spur im Schnee vor sich. Deshalb wussten sie bereits, dass sie zwei Personen verfolgten und waren nicht überrascht als sie ihr Ziel eingeholt hatten.
Ihr Näherkommen war offenbar ebenfalls bemerkt worden, denn die beiden Gestalten blieben stehen und drehten sich wartend zu ihnen um. Gespannt traten ihnen Söldner wie Schmied entgegen.
Tiran wusste zunächst nicht, was er sagen sollte. Sie hatte seine Bitte bereits einmal ausgeschlagen, jetzt aber entbrannte sein Wunsch wieder. Er konnte die ausgeströmte Magie immer noch nicht kategorisieren.
Die Frau, die er und Arreht bereits kannten, trug noch immer ihren Umhang und bei näherem Hinsehen konnten die Beiden reichlich Schmutz und beunruhigende dunkle Flecken darauf erkennen. Die andere Gestalt war kleiner und ebenfalls in einen Umhang gekleidet, der jedoch bei all seiner Schlichtheit von exzellenter Qualität war. Die Kapuze hing der Person sehr tief ins Gesicht, so wäre sie bedacht darauf, nicht erkannt zu werden.
Ein Gefühl von Wachsamkeit hatte beide Männer bereits ergriffen bevor sie das Seil sahen, dass um die Hüfte der kleineren Gestalt geschlungen war.
„Bei den Göttinnen, was soll das Seil?“, fuhr Arreth auf und Tiran stellte ergänzend die Frage nach der Identität der Beiden.
Die ihnen bekannte Frau antwortete nicht sofort, sondern ließ ihren Blick vom einen zum anderen wandern. Wieder wurde Tiran der Tatsache gewahr, dass sie so gut wie nichts Eigenes ausstrahlte. Das einzige, was zu spüren war, war die Magie der Gegenstände, die sie und scheinbar auch die andere bei sich trugen. Diese seltsame Magie, die so grundsätzlich und mächtig wirkte, als bildete sie den Kern oder den Grund all dessen, was man überhaupt Magie oder Zauberei nennen konnte.
Schließlich sprach die Frau:
„Was wollt ihr, ihr habt mich bereits einmal gestört. Meine Antwort ist dieselbe geblieben: Ich gestatte es euch nicht zu sehen, was ich bei mir trage.“
„Was soll das Seil und wer seid ihr beiden überhaupt? Erklärt euch!“, forderte Arreth bestimmt und legte wie beifällig eine Hand auf das Heft seiner Parierklinge.
„Bist du in Schwierigkeiten?“, fragte Tiran direkt an die kleinere Gestalt gewandt, welche den Kopf hob und einen kurzen Blick auf ihr Gesicht gewährte. Sie war ein schönes, junges Mädchen und sie kam beiden Männern vage bekannt vor. Ein beinahe flehentlicher Ausdruck lag in ihren Augen, doch sie sagte nichts.
„Woher kenne ich dich…?“, murmelte der Schmied, da stieß die andere Frau dem jungen Mädchen den Kopf nach unten.
„Wir haben nichts mit euch zu schaffen, geht eurer Wege und lasst uns ziehen, sonst werdet ihr es bereuen!“
Drohend baute sie sich vor ihnen auf und trat vor die junge Frau, das Ende des um sie gewickelten Seils in Händen haltend. Arreth und Tiran zogen ihre Waffen.
„Glaubt mir, das wollt ihr nicht wirklich. Ihr wisst nicht, mit wem ihr es zu tun habt!“
„Offensichtlich mit einer Verbrecherin“, schleuderte ihr der Söldner entgegen.
„Gebt das Mädchen frei!“, ergänzte der Schmied drohend.
Beide waren sie größer als die Frau, doch diese schien nicht im Geringsten beeindruck zu sein.
„Wie ihr wollt…“, waren ihre letzten Worte bevor sie in einer fließenden Handbewegung plötzlich etwas Dunkles in den Händen hielt. Es gab einen Knall und etwas Kleines und auf Grund seiner Schnelligkeit kaum Sichtbares flog Tiran entgegen.
Obgleich überrascht über eine solche Eröffnung des Kampfes, reagierte er schnell, die antrainierten Reflexe eines jeden Kämpfers. Den Klingenstab vor sich haltend, entließ er einen Teil der darin enthaltenen Magie, was sich in einem Windstoß äußerte, der das Geschoss aus der Bahn warf. Endlich konnte er die magischen Fähigkeiten seiner Waffe in einem ernsten Kampf testen!
Arreth reagierte ebenso schnell. Noch während die Frau, scheinbar ob der plötzlich ausgeführten Magie überrascht, dastand, stürmte er bereits auf sie zu. Da er ihre Motive nicht kannte und sie zudem eine Frau war, griff er wie von selbst nicht mit der Schneide an, sondern führte einen seitlichen Streich mit der Breitseite seines mächtigen Zweihänders. Er wollte die ihm Unbekannte nicht töten, sondern nur betäuben.
Beide Männer rechneten in jenem kurzen Moment mit einem schnellen Sieg. Doch sie wussten wahrlich nicht, wer ihre Gegnerin war und welche Macht ihr innewohnte.
Innerhalb eines Herzschlages verformte sich das dunkle Gebilde in ihrer Hand, welches zuvor den Schuss abgegeben hatte, und das Material schien sich zu verflüssigen und ihren halben Arm zu bedecken. In ebenso kurzer Zeit verfestigte es sich wieder und erschien wie ein langer schwarzer, stählerner Handschuh. Beinahe zufrieden sah die Frau den mächtigen Schlag kommen und ergötzte sich dann an der Überraschung als das Schwert vorzeitig auf Widerstand stieß. Arreths und Tirans Augen weiteten sich ungläubig als das Schwert des Söldners mit einem dumpfen Schlag auf ein Hindernis traf und um die Frau kurzeitig zwei Schilde sichtbar wurden, die aus hellem Metall zu bestehen schienen und mit blinkenden Lichtern besetzt waren. Fluchend versuchte es Arreth mit einem erneuten Angriff, doch abermals wurde das Schwert mitten in der Luft abgefangen, während kurz dahinter, die Frau abschirmend, die beiden Schilde erschienen.
„Ich glaube die Schilde bauen ein Kraftfeld oder Ähnliches auf!“, rief Tiran und entließ wieder die Magie seines Stabes.
Ein kurzes grünes Aufleuchten kennzeichnete die übernatürliche Verlängerung der Waffe, doch auch die magische Attacke wurde in der Luft abgefangen. Ungläubig blickte der Schmied die Frau an.
„Diese Attacke schneidet selbst durch härtestes Gestein…“, keuchte er.
Arreth dachte praktischer und rief seinem Gefährten zu, sie sollen gemeinsam angreifen, woraufhin sich Tiran zur Ordnung rief. Er durfte sich nicht übermäßig auf die neuen Fähigkeiten seiner Waffe verlassen, und alles andere darüber hinaus vergessen. Arreth hatte Recht, Kraftfelder konnte man brechen, indem man sie mit vielen starken Angriffen überlastete.
Der Söldner führte abermals einen beidhändigen Hieb aus und zeitgleich verlängerte Tiran aus einiger Entfernung abermals seinen Stab mit der darin enthaltenen Windmagie. Das nun ertönende Geräusch war nicht mehr dumpf, sondern ein unterschwelliges Dröhnen. Noch nicht stark genug, um das Feld zu überwinden, aber zumindest bestätigte es die Annahme.
Die Frau hatte bis zu diesem Zeitpunkt einfach nur auf der Stelle ausgeharrt, doch nun stürzte sie sich mit einer überraschenden Plötzlichkeit auf den ihr nahe stehenden Söldner. Sie holte weit mit dem gepanzerten Arm aus und zunächst wollte Arreth den Schlag einfach mit seinem großen Schwert abwehren, doch dann brüllte ihm der Schmied zu, er solle ausweichen.
Die beiden Männer wussten nicht, ob der Schlag das Obsidianschwert beschädigt hätte, doch er hätte mit Sicherheit dessen Besitzer durch die Luft geschleudert. Denn als Arreth auswich und der Schlag den Boden traf, schien der gesamte Untergrund zu bersten. Einen Augenblick lang drohte der geübte Kämpfer das Gleichgewicht auf dem schwankenden Boden zu verlieren, während geborstene und zersplitterte Steine nebst einem feinen Schneeregen um ihn herum niedergingen. Unwillkürlich zog er sich einige Schritte zurück, wo sich Tiran zu ihm gesellte.
Unterdessen erhob die Frau sich wieder und blickte ihre Kontrahenten über den von ihr in den Boden geschlagenen Krater, und man musste wirklich von einem großen Loch reden, von dem nach allen Richtungen hin breite Risse und Spalten ausliefen, triumphierend an. Ihrer Meinung nach war es klar, wer siegen würde.
Im Hintergrund hatte währenddessen das Mädchen erschrocken aufgeschrieen und wimmerte nun leise, während sie noch immer von ihrer Entführerin am Seil festgehalten wurde. Falls ihr der Gedanke gekommen war, sich während des Kampfes loszureißen, so hatte sie ihn bei dem sich ihr bietenden Anblick verworfen.
„Und was wollt ihr nun tun?“, fragte die Frau mit dem erschreckend mächtigen Panzerhandschuh höhnisch, während sie wachsam von den beiden Männern beäugt wurde.
„Das ist seltsam, sie strahlt die ganze Zeit über keine Magie aus, weder sie selbst noch ihre Waffe. Und sie bedient sich gewiss nicht der Macht, die sie bei sich trägt. Das verstehe ich nicht.“, flüsterte Tiran.
„Macht es einen Unterschied? Wir müssen sie so oder so irgendwie schlagen. Ganz offensichtlich ist sie gefährlich und hält das Mädchen gefangen. Vielleicht ist sie es ja auch, die von den Wachen gesucht wird? Das Mädchen kommt mir außerdem irgendwie bekannt vor…“
„Ja, mir scheint es auch so, als hätte ich ihr Gesicht schon einmal gesehen“, stimmte der Schmied zu.
Die Frau machte keine Anstalten anzugreifen oder wegzulaufen. Sie erwartete den nächsten Angriff ihrer Gegner.
„Nun gut, scheinbar müssen wir unsere Strategie etwas ändern. Lass und gemeinsam in den Nahkampf gehen und so oft wie möglich auf diesen Schild von ihr einschlagen. Wenn der Zeitpunkt günstig ist, werde ich auch Magie einsetzen, vielleicht schaffen wir es ja so, ihre Verteidigung zu überwinden!“, meinte Tiran.
„Sieh ja zu, dass sie dich nicht trifft!“, riet ihm sein Gefährte als beide nach vorne stürmten.
Geändert von Sephe (13.02.2008 um 17:45 Uhr)
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