Lenjia erwachte mit einem Grummeln. Dieses kam aber nicht direkt von ihr, sondern von etwas weiter unten. Seufzend strich sie sich über den Bauch, dabei konnte sie jede Rippe einzeln spüren. Wann hatte sie wohl das letzte mal etwas gegessen? Vor 2 Tagen? Vor 3?
“Kein Wunder, dass ich so schnell schlapp mache”, nuschelte sie und öffnete endlich die Augen. Das Erste, was ihr auffiel, war das große Mobile, das über ihrem Kopf hing und schweigend vor sich hin schaukelte. Das Zweite war der große Felsbrocken, der neben ihr saß und sie treudoof angrinste.
“Na, goro, geht es dir besser?”
Lenjia erstarrte. Ihre Hand krallte sich in den Stoff ihres Kleides. Wo zur Hölle war ihr Umhang?
So etwas wie das da, hatte sie noch nie gesehen. Es schien tatsächlich ein sprechender Stein zu sein, nur hatte er Arme und Beine und kleine Knopfaugen, die auf Lenjia hafteten. Sie schluckte.
“Ja. Danke...”
Das Ding schien mit dieser Antwort sehr zufrieden.
“Gut, ich dachte schon, ich wäre auf dich draufgetreten, weil du da so platt rumlagst.” Er grölte. Ein lautes, trommelfellzerfetzendes Lachen, das die Wände wackeln ließ. Lenjia lächelte nervös.
“Nun ja, goro. Du scheinst hungrig zu sein?”
“Nein, überhaupt nicht!” Lenjia richtete sich auf ihrem, wie es schien, Bett auf. Genau in diesem Moment knurrte ihr Magen erneut, mehr fordernd, mehr schmerzhafter. Lenjia seufzte.
“Bist wohl ‘ne ganz Schüchterne, goro.” Das Ding lächelte sie warm an. Dabei zeigte er zwei Reihen großer, schiefer, gelber Zähne. “Aber keine Sorge, goro, ich beiß schon nich’.”
“Da bin ich aber beruhigt”, nuschelte sie. Erschöpft beobachtete Lenjia, wie das Ding den Raum verließ. Nun war sie wieder allein und sie wusste noch nicht einmal, wo sie überhaupt war.
Lenjia sah sich um. Abgesehen von dem Bett und dem Mobile waren da noch eine reichlich verzierte Vase auf einem flachen Stein und einem munter prasselnden Feuerchen in einer Art Kamin.
Interessiert betrachtete Lenjia die Wandmalerei. Sie zeigte das Ding, welches sie hierher gebracht hatte und das zwanzig mal. Alle tanzten sie um eine, wie es schien, tote Echse. Vielleicht ein Dodongo?

“So, goro, ich konnte was auftreiben, woran du dir nicht gleich die Zähne ausbeißen kannst.”
Das Ding setzte sich wieder neben sie. In der Hand hielt es eine riesige Schüssel. Heißer Dampf stieg aus ihr auf und ein wirklich köstlicher Geruch...
Lenjia schluckte zweimal kräftig, um nicht lossabbern zu müssen. Neugierig beugte sie sich vor und warf einen Blick in die Schüssel. Was sie sah, war jedoch weniger appetitlich. In der bräunlichen Brühe schwammen dicke Kräuter, abgetrennte Gelenke von Tieren und ein Auge schielte Lenjia aus der Mitte der Schüssel heraus an. Ihr Magen überschlug sich.
“Und? Sieht doch toll aus, goro! Es ist zwar nicht so lecker wie Steine, aber du solltest es essen können... Goro.”
Er überreichte der sprachlosen Lenjia die große Schüssel. Widerwillig nahm sie das große Ding an. Sie setzte sich im Schneidersitz hin und starrte einen Moment lang unsicher in die braune Brühe. Würde dieses Auge wenigstens untergehen...
Das Ding sah sie gespannt an.
“Na los, goro. Schmeckt gut.”
Sie schwieg.
“Ähm, yummi, yummi... Lecker, lecker. Goro!”
Lenjia schauderte, hob die Schüssel jedoch an die Lippen. In Gedanken sendete sie ein Stoßgebete an die Göttinnen.
Vorsichtig nahm sie einen Schluck von dem Zeug. Zuerst spürte sie gar nichts, nur ihre verbrannte Zunge, dann machte sich rasch eine wohlige Wärme in ihr breit. Lenjia fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
“Schmeckt... gut. Ein wenig wie Hühnchen.”
“Ist ja auch drin, goro.”
“Ach wirklich? Und was?”
Das Ding hob die Hände und formte einen Schnabel, dazu machte er gackernde Geräusche.
Die Zunge?” Lenjia wurde blass. Am liebsten hätte sie das Zeug wieder ausgespuckt, doch das wäre unhöflich und vielleicht sogar tödlich gewesen.
“Iss”, forderte er sie wieder auf. “Ist gesund.”
Lenjia nahm noch einen Schluck. Sie versuchte den Gedanken an eine rote, glibberige Hühnerzunge, welche in der Suppe schwamm, zu verdrängen. Mit einem leeren Magen würde sie es nicht weit bringen und sie wollte Teana ungern enttäuschen - die Leute reagieren auf schlampige Arbeit schließlich unterschiedlich und Lenjia wollte nicht als rauchendes Aschehäufchen enden.