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Krieger
Es war ein ungewohntes Gefühl, aber nicht gerade unangenehm. In Lenjias Bauch schien ein Feuer zu brennen, das jeden Moment auszubrechen drohte - sie fühlte sich so energiegeladen! Was man so alles dieser neugewonnen Energie anstellen könnte.
“Wir haben jetzt keine Zeit für Spielchen”, funkte Glaurung dazwischen. “Dieses Ding in deiner Tasche ist mir nicht ganz geheuer.”
Gemeint war hiermit das Samenkorn, das Teana ihr vorhin zugesteckt hatte. Man könnte die beiden Dinge sicher gut miteinander verbinden.
Lenjia ließ ihren leuchtenden Arm wieder sinken. Daran, dass nun auch Glaurung aus ihrem Mund sprach, musste sie sich noch gewöhnen. Es war ihr unangenehm und auch unheimlich, dass er so einfach die Kontrolle über sie hatte nehmen können, aber wenn sie weiterkommen wollte, musste sie sich wohl oder übel mit ihm und seinem Charakter anfreunden.
Sie begannen den nun im Sand leuchtenden Spuren zu folgen, die Novara hinterlassen hatte, als sie von der Warpplatte heruntertraten.
“Das Mädchen ist nicht schlecht, sehr mächtig. Siehst du - sie trieft ja buchstäblich vor magischer Energie!”
Mit langen Schritten ging Lenjia auf die Warpplattform zu. Kurz davor stoppte sie oder eher gesagt Glaurung. Beinahe kippte sie über, als ihre Beine plötzlich erstarrten.
“Was soll das?”, fauchte sie und rang um ihr Gleichgewicht.
“Miep! Kurze Zwischenmeldung: In diesem Zustand können wir keine Warpplattform benutzen.”
“Was? Wieso nicht?”
“Die Magie der Menschen und die der Drachen unterscheidet sich, Doofkopp, wir würden uns und den gesamten Strand in die Luft jagen, wenn wir versuchten, sie zu benutzen.”
Lenjia zog eine Schnute. Das wäre ja auch zu einfach gewesen - aber nein...
“Was jetzt? Wie sollen ..”
“... wir zurück nach Hyrule...”
“...und einen...”
“...Platz finden...”
“...um den Samen...”
“...zu vergraben?”
“Hör auf meine Gedanken--”
“--zu lesen!”
Lenjia verschränkte die Arme vor der Brust. Mit geröteten Wangen pustete sie sich eine Strähne aus dem Gesicht. “Ich sehe schon, so kommen wir nicht weiter.”
“Stimmt! Deshalb schlage ich vor, dass du dich jetzt verkrümelst und mir deinen Körper überlässt.”
“Ich habe schon weitaus mehr mit diesem Kollegen durchgestanden, als du dir vorstellen kannst, da werd ich ihn mir nicht von dir wegnehmen lassen!”
“Himmel, war ja nur ein Vorschlag... Du bist aber auch empfindlich.”
“Halt die Klappe...”
Es hatte sie einige Überwindung gekostet, dennoch befolgte Lenjia schlussendlich die Anweisungen des Drachens. Da es fatal wäre, die Warpplattform zu benutzen, verlangte Glaurung eine kurze Ruhepause um nachzudenken.
“Es gab da mal einen Zauberer, der wollte sich auch warpen - war aber nicht schnell genug...”
“...und du hast nur die Hälfte des Spruchs mitbekommen, richtig?”
“Korrekt!”
Nun saß sie unter einer der Palmen, die Beine überschlagen, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und genoss ihre erste richtige Pause seit Tagen. Das leise Gemurmel in ihrem Kopf störte sie nicht, Glaurung war in einen leisen Singsang verfallen und brabbelte für sie unverständliche Worte vor sich hin. Für einen kurzen Moment schloss sie die Augen und wollte sich einfach nur ausruhen. Lenjia bereute dies prompt.
Es war der Bruchteil einer Sekunde, aber es durchzuckte ihre Gedanken wie ein greller Blitz. Vor ihrem geistigen Auge bot sich ihr ein Bild der Zerstörung: Vor ihr lag eine Stadt in Trümmern. Alles stand in Flammen, entstellte Leichen auf den Straßen, verwüstete Häuser, schreiende Leute und weinende Kinder. Es war, als würden brennende Sterne vom rotschwarzen Nachthimmel auf die Stadt und die Leute vor ihr niederfallen. Weit hinten stand ein Schloss, Hyrules Schloss. Es hatte seinen Glanz verloren, die Fenster waren geborsten und die Splitter glitzerten wie Kristalle am staubigen Boden. Plötzlich gab es eine mächtige Explosion direkt neben ihr. Ein lautes Brüllen ließ ihr Trommelfell erzittern.
Lenjia schrie unter Schmerzen laut auf und ihr Kopf ruckte nach vorne. Zitternd presste sie die Hände auf die Ohren, während vor ihren Augen bunte Farben explodierten. Noch immer hallten die Schreie in ihrem Kopf wieder. Entsetzt krallte sie die Finger in ihr Haar.
“Mach das es aufhört! Mach das es aufhört!”, schrie sie panisch. Ihre Augen wurden gewaltsam geöffnet. Sofort brachen die Schreie ab, das einzige helle Licht war das der Sonne, die hoch oben am blauen Himmel stand.
Lenjia starrte fassungslos in den Himmel, ihre Hände waren schlaff zu Boden gefallen und ihr Mund stand überrascht einen Spalt offen.
“Was war das?”, hauchte sie, noch völlig neben sich stehend. Ihre Augen begannen zu brennen, in ihrem Schock hatte sie das Blinzeln vergessen.
Glaurung schmunzelte. “Einer der aufregendsten Momente meines Lebens: Die Schlacht Ganondorfs, als er Hyrule eroberte. Ich erinnere mich noch genau wie seine Scharen über die ahnungslosen Bewohner herfielen und einen nach dem anderen niedermetzelten. Ich schwöre bei Din, die Leute schwammen in Blut! Es wurde keiner verschont, nicht das jüngste Baby oder die unschuldigste Seele - und wer bei drei nicht schon tot war, wurde eben verspeist. Das war vielleicht ein Festessen, es gab ein paar saftige Happen unter all dem zähen Fleisch!”
“Du warst dabei?” Lenjias Stimme zitterte und bebte, aber langsam gewann sie ihre Kraft zurück. Glaurung lachte. “Natürlich! Ich war einer der Brandstifter - und es gab wirklich nicht viele...”
Es musste eine Momentreaktion gewesen sein, als Lenjia ihren verkrampften Arm hob und die Faust schmerzhaft gegen ihren Wangenknochen rammte. Aber es hatte seine Wirkung, Glaurung brach überrascht ab und knurrte sie drohend an.
“Aua! Was sollte das?! Du kleine Göre!”
Mit einer brennenden Gesichtshälfte erhob Lenjia sich. Der Sand begann unter ihren Füßen zu glühen, das Feuer in ihrem Bauch verwandelte sich in brodelnde Lava. Beim Sprechen presste sie die Zähne aufeinander, um nicht vor Wut laut loszuschreien. Mit jedem Wort schien sich ihre Aura zu verdunkeln bis sie wie ein schwarzer feiner Nebel um ihre Gestalt waberte.
“Weißt du, du solltest nicht vergessen... Ich bin zu allem fähig und ich könnte dein elendes Dasein von einer Sekunde auf die andere beenden. Also woher nimmst du dir das Recht?”
Glaurung schien von dieser plötzlichen Wandlung verblüfft, bis eben hatte sie sich noch ruhig verhalten, nun begann ihre Aura zu vibrieren und um sie herum schien die Gegend ihren Glanz zu verlieren und von ihr aufgesaugt zu werden. Statt Licht warf die Sonne nun rote Schatten über den Strand und Schatten krochen wie eine zähe Flüssigkeit über den nun kalten Sand.
Er war nun wirklich kein Angsthase, aber in seinem ganzen langen, langen Leben hatte Glaurung so etwas noch nie erlebt - aber er hatte seine Fähigkeiten auch noch nie bereitwillig mit einem menschlichen Wesen geteilt.
“Bitte hör auf damit.” Lenjia ignorierte ihn. Glaurung spürte, wie sich seine Nerven anspannten, sie dagegen wirkte ganz entspannt. Trotzdem konnte er ihren Schmerz spüren. Es war, als würde ihr Kopf gleich platzen, aber etwas stoppte den Schmerz. Lenjia ließ sich in das leise Raunen gleiten, das sie umgab. Doch Glaurung wusste es besser.
“Hör auf!”
Ein weiteres Bild drang gewaltsam in ihren Kopf und nagelte sich vor ihr geistiges Auge. Lenjia klappte der Mund ein wenig auf. Noch schlimmer als der Schmerz war das, was sie sah. Das Bild des aufgeschlitzten Mikas, wie er in einer riesigen Blutlache zu ihren Füßen lag. Aber es erfüllte seinen Zweck.
Die innere Anspannung löste sich und langsam hellte sich ihre Aura auf. Der Strand nahm sein normales Bild an und die Sonne schien wieder munter auf die beiden herab.
“Vergiss nicht, warum wir hier sind. Die Vergangenheit ist geschehen, du hättest es sowieso nicht verhindern können! Aber du kannst verhindern, das wir beide so wie er enden, erstickt am eigenen Blut, nur wegen eines dummen Fehlers.”
Lenjia starrte auf ihre Schuhspitzen. Eine Mischung aus Wut, Trauer und Scham erfüllte sie. Sie hasste Glaurung für das, was er sagte, doch verdankte sie ihm diesmal ihr Leben. Ironie des Schicksals.
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