Lenjia trat aus der Höhle heraus. Die kalte Luft des Berges schlug ihr entgegen und wehte ihr Strähnen des braunen Haares entgegen. Mit einer raschen Bewegung verbannte sie das aberwitzige Ding hinter eines ihrer langen Ohren. Gemächlich stiefelte sie durch den Schnee, an Felsbrocken und Nadeltannen vorbei. Die Stille beruhigte ihre aufgewühlte Seele, trotzdem währte diese nicht lange.
“Nun?” Die raue Stimme des Drachen drängelte sich in ihre Gedanken, füllte ihren Kopf und ließ die Schönheit und das Glitzern des Schnees merkwürdig stumpf erscheinen. Lenjia schwieg. Den Trick mit dem Beeinflussen hatte er schon gut raus.
“Nun?”, wiederholte er, eine gewisse Ungeduld schwang in seinem Unterton mit. “Was gedenkt das Prinzesschen nun zu tun?”
“Ich tue, was mir gesagt worden ist”, antwortete ‘Prinzesschen’ monoton. “Aber dafür muss ich erst einmal nach Hyrule zurück. Hast du eine Idee, wie ich das anstellen könnte?”
Glaurung schnaubte. “Ach, auf einmal ist meine Hilfe gefragt. Woher der plötzliche Wandel?”
Lenjia fuhr mit der flachen Hand über den Rand der Brücke, die sie überquerte. “Ich kann dir schlecht die gammeligen Zehen küssen.”
Darauf herrschte Stille. “Meine Zehen sind sehr gepflegt.”
“Bitte, du putzt sie mit der Zunge, die schon an weit unangenehmeren Orten war.”
“Jetzt wo du’s sagst, da war mal dieser Ritter, ein ganz übelriechender Kerl... Der hängte mir ganze drei Monate in der Zahnlücke, bis dann dieser andere Ritter vorbeikam und...”
Lenjia stellte auf Durchzug und lauschte nur noch mit halbem Ohr den Snackgeschichten des Drachens. Was die Rückkehr nach Hyrule betraf, so musste sie ihrem Instinkt folgen, der seit geraumer Zeit von Glaurung verdrängt worden war. Ihr fiel erst jetzt auf, dass sie bisher nur das getan hatte, was der Drache auch wollte. Ob er vielleicht einen Weg gefunden hatte, ihr Denken zu kontrollieren?

Das leise Schwappen der Meereswellen, die Muscheln, Algen und anderen Müll an die Küste schwemmten, kam Lenjia im Gegensatz zum Pic Hibernia wie stressender Lärm vor. Vielleicht war es auch nur das Wasser, das sie so nervös machte...?
“...tja, und so ging eine weitere Legende zu Grunde - eine durchaus delikate dazu.” Glaurung gab ein leises Schnurren von sich, als er sich an das zarte Fleisch des Edelmanns zurückerinnerte. Lenjia lief seit 5 Minuten an der Küste entlang, kickte Steine beiseite oder hopste eilig zur Seite, wenn sich die Wellen näherten. Sie schüttelte sich und kräuselte die kleine Nase, als sie den salzigen Geruch einatmete.
“Ich habe das Wasser vorher eigentlich leiden können”, murmelte sie. Glaurung lachte heiser. “So ein Pech, ich aber nicht. Wir sind jetzt eins, schon vergessen? Ich kleb an dir, wie Honig im Haar!”
Lenjia zog angesichts des eher niedlichen Vergleichs die Brauen hoch. “Da wir uns ja nun so nahe stehen...” - “Yepp, ZU nah!” - “...könntest du mir vielleicht ein bisschen unter die Arme greifen? In Termina werde ich jedenfalls keinen Weg finden, dich zu befreien.”
Glaurung schnaubte. “Als hättest du das jemals vor!”
“Na ja, wer weiß... Auf Dauer bist du ein eher langweiliger Gesprächspartner.”
Das schien ihn zu verletzen, Glaurung verzichtete auf einen bissigen Kommentar und zog das beleidigte Schweigen vor. Lenjia derweil suchte die Stelle, zu der sie von Hyrule aus hierhin teleportiert worden waren. Der Wind hatte die Spuren im Sand bereits wieder verwischt und als sie ankamen, hatte sie nicht auf ihre Umgebung geachtet.

Ein plötzliches Schwindegefühl ließ sie taumeln und stoppen. Mit einem ergebenen Ächzen stützte sie sich auf die Knie. Vornübergebeugt und nach Luft schnappend stand sie in der Mittagssonne, das Schwappen der Wellen in den Ohren und den stechenden Geruch des Salzes in der Nase. Langsam legte sich der Druck auf ihren Magen und die grellen Lichtpunkte vor ihren Augen verblassten.
“Was war das denn?”, krächzte sie heiser. Mühsam richtete sie sich wieder auf und versuchte ein paar Schritte. Das Herz klopfte spürbar in der Brust.
“Falls du es noch nicht kapiert haben solltest”, schnappte Glaurung, “ich bin ein Drache. Draaache! D-R-A-C...”
Lenjia knurrte ungeduldig.
“Schon gut, schon gut! Also, Madam, ich möchte noch einmal anmerken, dass es weitaus mehr erfordert, als Reime sprechen und Stöckchen durch die Luft zu schwängen, um sich einen Magier nennen zu dürfen, aber es ist wohl Allgemeinwissen, dass Feuer sich noch nie gut mit Wasser verstand. So und nun übertrag das ma’ auf andere Beispiele...”
“Du willst also sagen, dass ich von nun an empfindlicher bin, was Wasser anbelangt...?” Sie stieß auf. In ihrem Hals brannte eine saure Flüssigkeit.
“Empfindlicher?! Das Zeug könnte dich umbringen, aber mich fragt ja keiner.”
Lenjia lehnte sich gegen die nahestehende Mauer. Tatsächlich fühlte sie sich sehr schwach. “Dann hilf mir endlich, verdammt...”
“Könnte ich, wobei mir das Wasser nichts mehr anhaben kann, da ich durch deinen Panzer ja gut geschützt bin, nur wenn du schwächelst, komme auch ich nicht voran. Nun gut, dann lass mal den Meister ran!”
Plötzlich begann sich Lenjias Vision zu verzerren. Die Farben wechselten zu einem dunklen Rot, vereinzelt grau und schwarz, auch wirkte alles ein wenig doppelt. Sie streckte den Arm aus, doch anstatt ihn, sah sie bloß ein helles Leuchten. Sie bewegte die Finger. Es blitzte zwar dort, wo eigentlich ihre Hand hätte sein sollen, doch konnte sie nichts genau erkennen.
“Was ist los?” Ihre Stimme hörte sich seltsam schallend an, als würde sie in ihrem Kopf widerhallen.
Dann, ohne ihr eigenes Zutun, setzte sie sich in Bewegung. Anders als vorhin, waren ihre Schritte nun gefasst und sicher. Der Sand unter den Schuhsohlen schien sich augenblicklich zu erwärmen, kaum, dass sie ihn berührte.
“So fühlt sich das an, wenn man ein Drache ist”, schnurrte Glaurung.