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Krieger
Lenjias fing an zu zittern, sie lehnte sich geschockt an Rahmen der Tür. Mika war tot, Glaurung hatte ihn ermordet.
„Er ist tot“, flüsterte sie heiser, unter Schock stehend. Es kam ihr alles so unwirklich vor. Ein Mensch konnte doch nicht so einfach sterben, das durfte nicht sein!
Ziffer hatte sich kaum zwei Schritte von dem Zora entfernt, als dieser in der todbringenden Zange des Drachen zu erschlaffen schien und sich nicht mehr rührte.
Ziffer rüttelte ihn an den Schultern, schrie ihn an. Nichts half, Mika bewegte sich nicht mehr.
Lenjia hob vorsichtig den Kopf und betrachtete diese für sie unwirkliche Szene.
Ziffer ließ die Hände nun sinken, sowie den Kopf. Er war nicht weniger bestürzt als sie, ihm war der Junge in den Jahren ans Herz gewachsen...
Wie in Zeitlupe setzte sich Lenjia nun in Bewegung und noch langsamer streckte sie die Hand nach ihm aus, legte sie sanft auf seine Schulter. Die Wärme hatte seine Kleidung durchtränkt, lange würde auch er nicht mehr durchhalten.
„Meister Ziffer“, flüsterte sie, versuchte sich zusammen zu reißen. Trotzdem zitterte ihre Stimme und klang verunsichert.
Der alte Zora drehte sich zu ihr um. Tränen glitzerten in seinen Augen und ließen sie stumpf und müde wirken.
Er nickte. Er wusste, dass sie nun nicht zögern durften. Die Fesselmagie der Pentagramme würde bald erlöschen und dann wäre Mikas Tod umsonst gewesen.
„Bereite dich vor“, sagte Ziffer und strich vorsichtig ihre Hand von seiner Schulter. „Ich hole die nötigen Werkzeuge.“
Mit aufeinander gepressten Lippen nickte sie. Ziffer ging an ihr vorbei und steuerte auf die im Raum stehenden Kisten zu. Lenjia blieb zurück.
Wie zu Eis erstarrt blieb sie verkrampft stehen. Trotz der Hitze im Raum war ihr kalt, eiskalt. Als wäre alles Leben aus ihr heraus gepresst worden, wie das Wasser bei einem Schwamm.
„Mach dich jetzt nicht verrückt“, redete sie sich selbst zu. Jetzt kam es auf ihr Wissen und ihre Konzentration an. Ein Fehler beim Zeichnen des Kreises und ihr Leben wäre verwirkt.
Das wusste auch der Drache, der sie mit einer Mischung aus Häme und Nervosität betrachtete. Neben der Trauer züngelte auch die Wut auf das magische Wesen, dass wie eine Statue neben ihr stand.
„Hier“, sagte Ziffer, als er mit eiligen Schritten zu ihr zurückkehrte. „Kreide, Kristalle und ein Athame.“
Wortlos nahm sie die Utensilien an sich und ging einmal um den Drachen herum. Der Platz sollte reichen, um einen runden Kreis zu ziehen.
Sie bückte sich vor dem Kopf des Drachen und fing an, den Kreis zu zeichnen. Vorsichtig, langsam... Steine und Holzstücke hatte sie aus dem Weg geräumt. Sonst müsste sie über diese hinüberzeichnen und wenn sie sich verschieben würden, wäre der Kreis unvollständig und wirkungslos.
Nachdem der erste Kreis gezogen war, kamen die Inschriften, Symbole und schließlich der letzte, der „zusammenhaltende“ Kreis.
Ziffer beobachtete seine Schülerin dabei, denn er selbst konnte nicht helfen. Er vermag über Beschwörungen einiges zu wissen, doch überschritt dies seines und so überließ er es Lenjia, die sich ausführlicher mit dem Thema beschäftigt hatte.
Sein Blick huschte dabei wachsam hin und her. Er musste aufpassen, dass der Drache sich noch nicht bewegen konnte, sonst wäre auch Lenjias Leben in Gefahr.
Schwitzend richtete sich die 16-Jährige auf und betrachtete ihr Werk, prüfte die Symbole und Schriften nach. Alles musste stimmen, dass musste es immer in der Magie. Magie war Fingerspitzengefühl und bedeutete ein gutes Gedächtnis.
Nun kamen die Bergkristalle zum Einsatz. Sie sollten die herausströmenden Energien des Drachen im Kreis halten, dass, was durch das Netz des Bannkreis hindurchschlüpfte.
Es waren fünf, wie bei einem Pentagramm. Luft, Erde, Wasser, Feuer und Geist. Lenjia stellte sie in die kleineren Kreise, die zwischen den alten Schriften standen und schloss somit auch die letzten Kräfte des Drachen im unsichtbaren Netz ein.
„Der letzte Teil“, flüsterte sie, sich nicht von der Hitze zu überwältigen lassen versuchend. Lange würden die Balken die Decke nicht mehr halten, trotzdem durfte sie sich nicht hetzen lassen.
Sie ging ein letztes Mal um den Drachen herum, bis sie wieder vor dem Kopf stand. Verhasst bohrte sich ihr Blick in die gelben Augen, die sie nun nervös anstarrten. Die kommenden Qualen des Drachen würde sie genießen, dafür, dass er ihr ihren Freund genommen hat!
Langsam kniete sie sich nieder, vor den Stein, der den „Geist“ vertreten sollte. Sie hob das Athame auf Augenhöhe, sowieso ihren rechten Zeigefinger. Vorsichtig versetzte sie ihm einen tiefen Schnitt und ließ etwas Blut auf den Kristall unter ihm tropfen.
„Gegeben das Blut des Willigen,
genommen die Kräfte des Fallenden.
Vereinen sollen sich die Mächte,
um zu nehmen, was gegeben!“
Nachdem sie den Spruch laut ausrief, leuchteten die fünf Kristalle hell auf. Gleißendes Licht breitete sich im Raum aus und ließ die Zeit für einen kurzen Moment stillstehen.
In diesem kurzen Moment des Stillstandes, kam es Lenjia so vor, als würde Jemand sie kurz umarmen. Wärme machte sich in ihr breit, doch verschwand sie so schnell, wie sie gekommen war. In diesem Moment fiel die erste Träne und tropfte lautlos auf den Kristall, vermischte sich mit dem Blut und löste den kurzen Moment auf.
Ein letztes, schmerzerfülltes Brüllen des Drachen Glaurung erfüllte den Raum und übertönte das Knistern der Flammen, bis er sich in kleine Lichtpunkte auflöste und als ein heller Lichtstrahl in den Ring von Lenjia gesogen wurde. Ein letztes Pulsieren, das vom Ring ausging, dann verlor sich das Licht. Die Hitze kehrte zurück, die Umrisse des Raumes wurden klarer und der leblose Körper von Mika fiel vorne über und kam dumpf auf dem Boden auf.
Auch Lenjia beugte sich vorne über, nach Luft schnappend. Alles drehte sich und sie drohte sich in Dunkelheit zu verlieren.
Ziffer kniete sich eilig neben sie hin und fing sie auf, als sie nach vorne kippte. Die Augen des Mädchens schlossen sich, geschlagen von Hitze und Anstrengung. Der Ring war nach der Beschwörung zu schwer für ihren erschöpften Körper und ihre junge Seele.
Ziffer warf sich das Mädchen über die Schulter und wandte sich der Tür zu. Noch einmal wagte er einen kurzen Blick über die Schulter, hin zu Mika.
„Lebewohl, mein Freund“, murmelte er leise, dann wandte er sich dem Ausgang zu und eilte aus dem Raum. Hinter ihm stürzte die Decke ein.
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