Die Suche nach einem Lehrling endete als Tiran nach etwa zwei Stunden seine Flugblätter in Kakariko verteilt hatte. Er war etwas später als er es gewohnt war aufgestanden und durch den Schnee gestapft, um sich etwas Papier, Tinte und eine neue Feder zu besorgen. In rascher Folge hatte er die Blätter mit seiner großen, engen Schrift versehen, welche besagte, dass er einen dauerhaften Lehrling suche. Dieser dürfe bei ihm wohnen und solle zum Schmied ausgebildet werden. Tiran hoffte, dass die erwähnte Probe nicht allzu viele Bewerber abschrecken würde, doch er konnte es sich nicht leisten einen Nichtsnutz als Schüler zu nehmen, der keinen Funken Talent aufwies und den nur Langeweile dazu trieb die Stelle anzunehmen.
Dennoch war er recht zuversichtlich. Die Leute in Kakariko begegneten ihm wieder wärmer und freundlicher, vor allem auch offener, was viel dazubeihalf, dass er sich wieder richtig zu Hause fühlte. Das machte ihm das Leben viel leichter, war er doch ein Mann, dem seine Heimat und seine Mitmenschen viel bedeuteten. Hätte man ihn in Kakariko nicht mehr gewollt, so wäre er woanders hin gegangen. Er würde sich niemandem aufzwingen. Doch die Bewohner Kakarikos, überhaupt die meisten Einwohner des Landes, waren nette Menschen, die alte Bekannte mit Frohsinn und guter Laune empfingen und auch Fremden gegenüber sehr aufgeschlossen waren. Mit entspanntem Schritt verließ Tiran die kleine Stadt. Kakariko hatte ihn wiederaufgenommen, er hatte das wichtigste für ein geregeltes Leben bestellt und auf seinen Lehrling brauchte er nun nur noch zu warten. Jetzt hieß es die Stadt Hyrule über seine Heimkehr in Kenntnis zu setzen, die letzten guten Bekannten, die er hatte, zu besuchen und Eisen zu bestellen. Sein Geld hatte er in eine verschließbare Innentasche seiner Hose gelegt, denn bei all seinem Glauben an die Freundlichkeit und Güte in Hyrule, war er nicht dumm. Hyrule war selbstverständlich kein perfektes Land, es gab keine perfekten Länder, und es wäre leichtsinnig gewesen sein Geld offen mit sich herum zu tragen. Es genügte bereits, dass er mit seinem ungewöhnlichen Klingenstab die Aufmerksamkeit seiner Umgebung auf sich lenkte.
Die kleine Reise in die Schlossstadt verlief ohne Zwischenfälle. Tiran traf niemanden und wurde von lästigen Mostern verschont, die bisweilen die Steppe unsicher machten. Erst als er die Zugbrücke überquerte und das Tor passierte befand er sich wieder unter Menschen. Zuvor hatte er den Wächtern am Tor kurz erklären müssen, was er in Hyrule zu tun gedenke. Bei einer so großen und bedeutenden Stadt wie Hyrule war es ein mühsamen Unterfangen jeden einzelnen Reisenden zu überprüfen, also beschränkten sich die Soldaten auf jene Personen, die ihre Aufmerksamkeit erregten.
Nachdem er einige Häuser passiert hatte bog Tran rechts ab und schritt durch eine der vielen und engen Seitengassen Hyrules. Er steuerte auf eine unauffällig aussehende Tür zu, neben der ein kleines Schild hing. Nachrichtendienst hieß es da. Er betrat einen überraschend großen Raum, in den bräunliches Licht durch zwei kleine Fenster an der Stirnseite fiel. Es war stickig, trotz des Winters draußen, und in der Luft lag der Geruch von Tinte und Pergament. Dies war kein Wunder, denn die Wände waren voll von beschrifteten, zum Teil auch bebilderten, Aushängen tapeziert. Außerdem stapelten sich kleine und größere Berge von Papier hinter und neben mehreren überladenen Schreibtischen. Eine Handvoll Augenpaare lugte ihm hinter dicken Brillengläsern und Unmengen an Schriftstücken hinterher, als er den Raum durchschritt und zum größten Schreibtisch am Ende des Raumes unter den Fenstern ging. Ein Manm mittleren Alters erhob sich. Er hatte keine Brille und seine Augen ließen auf einen scharfen Blick schließen, denn sie waren zielstrebig und kühl und voller Scharfsinn. Das Gesicht strahlte Freundlichkeit und Unternehmungsfreudigkeit aus. Lethan war es, der Begründer des einzigen Nachrichtendienstes in Hyrule, dessen Aufgabe darin bestand, Aufträge entgegen zu nehmen, brauchbare Aushänge und Schriften herzustellen und sie an günstigen Orten zu verteilen. Da es in einer Großstadt immer viel zu verkünden gab und wichtige Leute wie etwa der König höchstselbst andauernd etwas bekannt gaben, konnte sich das Unternehmen kaum vor Aufträgen retten. Leider waren nicht viele Leute gewillt in ihrer Arbeit wenig anderes zu tun als ständig gleichklingende Reden, Verkündigungen, Bitten oder Informationen niederzuschreiben und zu kopieren, deshalb blieb das Unternehmen trotz seines Erfolges eher klein.
Lächelnd ergiff Tiran Lethans Hand.
"Lethan, mein alter Freund, wie geht es dir?", fragte Tiran. Lethan machte eine ausholende Handbewegung. " Siehs dir an Tiran, es ist wie immer: Hyrule will stets auf dem neuesten Stand bleiben, weigert sich aber selbst daran Teil zu haben. Wir haben Massen an Aufträgen und müssen teilweise die Nächte durcharbeiten. Doch was ist das schon, ich bin es gewöhnt. So, du bist also wieder da , ja?", fragte er und schaute seinen alten Freund abschätzend an. " Du siehst ungewöhnlich aus, oder viel mehr tut dies deine Waffe. So etwas habe ich noch nie gesehen, eine Eigenkreation?"
" Bis ich diese Waffe vor fünf Jahren das erste Mal gesehen habe, hätte ich wohl nicht genug Fantasie dafür gehabt. Aber nun könnte ich dir von noch viel ungewönlicheren Dingen berichten.""Ich sehe schon, du bist weit herum gekommen, doch wird es wohl kaum Zufall sein, dass du dich tagsüber hierherbegibst und mich nicht abend suchst. Was ist es Tiran, was soll ich aufsetzen?"" Ich wollte eigentlich noch ein wenig mit dir reden, bevor ich von so etwas anfange", meinte Tiran schmunzelnd, " doch dir entgeht natürlich wiedereinmal nichts."" Wenn es das täte hätte ich meinen Beruf verfehlt", entgegnete Lethan mit einem Funkeln in den Augen.
" Na gut, also es ist so: ich bin gerade erst zurück und will eine neue Schmiede aufmachen. Diesmal werde ich in Kakariko bleiben, doch dort wissen schon alle Bescheid, deshalb bin ich jetzt hierher gekommen. Es wäre sehr nett, wenn du noch dieser Tage ein paar Aushänge verteilen könntest, die verkünden, dass ich wieder da bin und eine Schmiede in Kakariko eröffnet habe. Ich muss zur Zeit leider sehr viel Geld ausgeben, um anständig zu leben und zu arbeiten, deswegen bin ich darauf angewiesen, dass ich bald reichlich Kundschaft bekomme."Lethan bereits ein Blatt und eien Feder genommen und bat Tiran nun um den Text und die Fakten. Er versprach sich selbst darum zu kümmern und die Schriftzüge in zwei Tagen in der Stadt zu verteilen. Dann kam er zum entscheidenden Teil des eines jeden Geschäfts:
" Du musst also zur Zeit viel Geld ausgeben, ja? Nun, normalerweise hätte ich jetzt für diesen Text bei 30 Aushängen 20 Rubine verlangt, doch weil du es bist mache ich 35 und nehme nur 12. Sie es als Willkommensgeschenk an, denn ob du's glaubst oder nicht, ich bin wirklich froh dich wieder zu sehen. Allerdings erwarte ich natürlich die gleiche Freundlichkeit von dir, wenn ich mal zu dir komme", ergänzte er grinsend. Dankend sagte ihm Tiran besondere Großzügigkeit zu und lud ihn nach Kakariko ein. Lethan versprach in einigen Tagen vorbei zu schauen.
Nachdem sie sich verabschiedet hatten und Tiran gezahlt hatte, begab er sich zu einem anderen Freund. Auf Lethan war Verlass, er würde die Aushänge pünktlich herausgeben und wenn er noch so viele Aufträge bekommen würde. Und das würde er, denn obwohl er seine Preise bei einigen Leute gerne etwas in die Höhe schnellen ließ, war er der einzige der eine solche Arbeit verrichten würde oder seinen Arbeitern in Auftrag geben konnte. Es lag schon seit jeher in der Natur der Leute, dass sie Dinge, die sie auch selbst tun konnte, andere für sie machen ließen. Sie würden zahlen, zerknirscht und wütend zwar, doch sie würden zahlen...
Nur wenige Straßen weiter überquerte Tiran einen kleinen Platz und betrat ein ziemlich großes Gebäude. Drinnen war es warm und voller Kisten und Regale, auf denen sich allerhand metallisches Gerät befand. Das Licht war trüb und Staub lag in der Luft.
" Havor?", rief Tiran in die trüben Weiten des geräumigen Raumes, der fast schon einer kleinen Halle glich. Nach wenigen Augenblicken kam ein breit gebauter Mann mit Schnurrbart durch das staubige Zwielicht gestampft. Bei Tirans Anblick klatschte er einmal laut in die Hände und sagte: " Ich wusste, ich habe Tirans Stimme gehört, dieser Bass ist unverwechselbar. Grüß dich mein Freund! Du bist wieder da?" Lachend schlug Tiran in die angebotene Hand ein. " Ja das bin alter Freund, seit einigen Tagen. Ich wohne jetzt in Kakariko, im alten Haus meiner Eltern. Ich will dort eine Schmiede eröffnen." Rasch erzählte er Havnor von seinen Plänen und seinem Besuch bei Lethan.
" Schade, dass du nicht mehr in Hyrule wohnen wirst, doch ehrlich gesagt kann ich verstehen, dass du Kakariko vorziehst. Allerdings muss ich dir sagen, dass deine Schmiede bei aller Lobpreisung und Bekanntheit nicht gut laufen wird, wenn du solch seltsame Waffen herstellst." Er deutete natürlich auf den Klingenstab und Neugierde lag in seinem Blick.
" Keine Sorge, ich weiß, was die Hylianer an Waffen bevorzugen. Dies hier ist etwas Ungewöhnliches und Besonderes und ich werde es nur auf besonderen Wunsch schmieden, denn seine Herstellung ist selbst für einen guten Schmied nicht leicht."
" Oho, woher diese Bescheidenheit Tiran? Du weßt, dass du nicht einfach nur ein guter Schmied bist, sondern ein richtiger Künstler", sagte Havor neckend. Tiran winkte gespielt bescheiden ab.
" Ach nein, Künstler bin ich noch lange nicht, doch ich will es werden. Ich habe etwas neues für mich entdeckt, eine bislang kaum wahrgenommene Seite der Schmiedekusnt. Wahrscheinlich die schwierigste von allen und die gefährlichste. Doch was es ist will ich noch geheim halten, denn bis jetzt ist es nur mein Wunsch diese Kunst auszuüben und nicht sie zu verbreiten. Ein Geheimnis war sie lange Zeit, wenn auch gleichzeitig jedem irgendwie geläufig , und ich scheue mich davor, sie allzusehr zu verbreiten."Havor seuftze ergeben. " Ich hoffe doch, dass du es dir nich auf deinen Reisen angewöhnt hast in Rätseln zu sprechen? Denn wem dem so ein sollte, dann warne mich bitte vor."" Nein, nein, keine Sorge ich bin nicht allzu geheimnisvoll geworden", lachte Tiran, " doch jetzt erstmal zum Grund meines Besuches. Einmal will ich dich natürlich genau wie Lethan einladen, ihr könnt zusammen kommen. Dann will ich Eisen bestellen."" Puh, ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest. Du warst immer mein bester Kunde, keiner hat so häufig und so viel Eisen gewollt wie du. Als du vor fünf Jahren weggingst dachte ich, ich hätte meinen besten Kudnen verloren. Wie viel Eisen brauchst du denn?"Als Tiran die Menge nannte, pfiff sein Freund laut aus.
" Das ist wirklich eine Menge. Und wenn es geht in drei Tagen sagst du? Nun, ich sage, es kann länger dauern, denn eine so große Menge werden wir vielleicht nicht einmal die Goronen geben. Sie brauchen schließlich Eisen für ihre eigenen Schmiede. Ich werde dir ein Schreiben mitgeben, dass du ihnen selbst überbringen kannst. Immerhin wohnst du ja in ihrer Nähe. Sie werden dir das Eisen dann so schnell wie es geht liefern. Du kennst die Prozedur ja, erst wenn das Eisen da ist, wirst du zahlen und mein eigenes Geld hole ich mir dann bei dir ab, wenn wir dich besuchen kommen. Weil du es bist, nehm ich auch nicht so viel, dennoch kann ich dir schon jetzt sagen, dass das nicht billig sein wird. Grob geschätzt würde ich sagen, dass du mindestens 500 Rubine allein für das Eisen wirst zahlen müssen. Du bist gerade erst wiedergekommen. Bist du dir sicher, dass du genug Geld hast?", fragte Havor mit leicht besorgter Stimme.
" Genug, um alles zu bezahlen, was ich gerade brauche und danach kaum noch was übrig zu haben", lächelte Tiran. "[COLOR="DarkOrange"] Ehrlich gesagt hoffe ich, dass ich zumindest noch 50 Rubine am Ende behalte, denn ganz ohne Geld möchte ich nur ungern bleiben."[/COLOR]"Naja, wenn man deinen Ruf in der Schlossstadt bedenkt...eigentlich sollte deine Schmiede gut laufen. Ich kann ja mal alle Kundigen in diesem Geschäftszweig informieren." Tiran bedankte sich und Havor lud ihm zu einem Krug heißen Met ein. Sie unterhielten sich angeregt über Tirans Reise, und Tiran erfuhr im Gegenzug endlich alles über die Geschehnisse in Hyrule, wie Villon besiegt und der Tempel der Finsternis eingestürzt ist.
Als er sich wieder auf den Weg machte, war es bereits später Nachmittag, doch Tiran wollte schnell wieder zurück nach Kakariko. Erstaunlicherweise blieb er auch des Nachts unbehelligt und erreichte Kakariko dank seinem zügigen Schritt noch mehrere Stunden vor dem Morgengrauen, so dass er noch etwas schlafen konnte. Die Straßen der Stadt waren leer und der niedergetrampelte Schnee ließ auf die typische eifrige Aktivität des Städchens schließen. Diese Aktivität beschränkte sich nun nur noch auf das Wirtshaus, in dessen Fenstern noch Licht brannte und von wo aus Tiran einen Hauch von Gelächter wahrnahm. Er überlegte, ob er noch reingehen sollte, entschied sich dann jedoch dagegen. Er sollte noche ein wenig schlafen, denn morgen sollte er wenn möglich be Kräften sein. Immerhin würden morgen seine Bestellungen eintreffen, wie man ihm versicherte hatte und vielleicht würden auch die ersten Bewerber für die Lehrlingsstelle kommen.
Als er die Tür seines Hauses aufschloss und seinen Rucksack an die Wand stellte hörte er ein Klopfen. Es gab von hinten, aus Richtung des kleinen Hofes. Er erwartete zwar nicht wirklich eine ernsthafte Gefahr, nahm aber dennoch seinen Klingenstab mit. Wahrhscheinlich war es aber ohnehin jemand, der zu tief ind en Bierkrug geschaut hatte. Er schloss die Hinertür auf und sah einen jungen Mann im Schnee stehen. Sein Gesicht war vor Kälte gerötet und er rieb sich eifrig die Hände. " Kann ich reinkommen?", fragte er und Tiran ließ ihn herein. " Ich fürchte, du wirst hier drin nicht allzu viel Wärme finden Bursche. Was willst du überhaupt hier?""Ich habe auf sie gewartet", entgegnete der Fremde und schaute ihn an. Tiran schätzte ihn auf etwa 14 vielleicht auch 15 Jahre. Die Bezeichnung "junger Mann" mochte daher vielleicht noch etwas übertrieben sein, allerdings hatte der Junge einen schwer zu beschreibenden Ausdruck in den Augen. Beinahe listig erschien er, listig und überheblich, dennoch mit einem gewissen Charme. Ein feiner Bartflaum überzog sein blasses Gesicht und hellbraune Haare umrahmten seine scharf geschnittenen Züge.
Tiran antwortete nichts, sondern wartete, bis der Junge von sich aus reden würde, was er auch nach einem Augenblick tat.
" Mein Name ist Ren. Sie sind Tiran ja? Sie waren beim berühmten Schmied Gerold in der Lehre?"" Das war ich", entgegnete Tiran nun.
" Sie waren bei ihm in der Lehre und haben ihn schließlich übertroffen, ja?"
" Das habe ich", meinte Tiran ohne Stolz oder Überheblichkeit. Er war sich seiner herausragenden Fähigkeiten als Schmied immer bewusst gewesen.
" Dann ist also alles klar!", schloss Ren in selbstgefälliger Zufriedenheit. Tirans Augenbrauen hoben sich fragend in die Höhe, während seine Lippen ein amüsiertes Lächeln umspielte.
" Ich bin ab sofort ihr neuer Lehrling!"
"So, bist du das, ja?", fragte Tiran freundlich.
" Ich habe gute handwerkliche Fähigkeiten, bessere als alle anderen in der Stadt und wollte außerdem schon seit einiger Zeit Schmied werden. Ich hätte die Stelle ohnehin bekommen, also dachte ich mir, dass ich alles abkürze und hier auf sie warte."" Du brichst bei mir ein und erwartest, dass ich dich in die Lehre nehme?", fasste Tiran mit einem leichten Stirnrunzeln zusammen. Dieser Junge war ohne Zweifel von sich selbst überzeugt.
" Ja", antwortete Ren vergnügt, mit einem Lächeln, das wohl entwaffnend wirken sollte. Mit einem tiefen Seufzen ging Tiran zu seinem Rucksack und holte einige Geräte hervor. Diese Nacht würde er wohl doch nicht zu Schlaf kommen. Sein neuer Lehrling musste geprüft und eingewiesen werden...