Für mich ist das Goldene Zeitalter der RPGs auch schon lange vorbei. Imho war das vor allem die Ära des SNES. Viele wissen gar nicht von der unglaublichen Menge an RPGs, die alleine die Grenzen Japans nie verlassen haben! Was hier und in den USA erschien war nur ein winziger Bruchteil. Es gibt weit über 200 SNES-RPGs, und viele der unbekannten hatten einiges zu bieten.
Es gab zu der Zeit einfach diese große Fülle. Man bekam auch viel besser die Weiterentwicklung von Spielen und Spieleserien mit, weil vieles noch in den Kinderschuhen steckte. Man vergleiche nur mal FFIV mit FFVI oder Soul Blazer mit Terranigma! Rein technisch gesehen waren diese Unterschiede um ein Vielfaches größer als die z.B. zwischen FFX und FFXII.
Hatte man einmal eine funktionierende Machart gefunden, blieben die meisten Entwickler dabei. Das finde ich sehr schade, weil heute immer wieder wenige innovative Ideen ausprobiert werden. Sicher gibt es immer wieder neue Gameplaymechaniken, aber ich spreche vor allem von Ideen, die das Spiel als Ganzes und insbesondere dessen Story betreffen. Es gibt noch so viele wunderbare Geschichten, die erzählt werden könnten. Ich fand es schon sehr cool, in Terranigma die Welt wieder auferstehen zu lassen mit den ganzen realen historischen Figuren und Hinweisen auf unsere eigene, echte Welt. Das war damals möglich, weil man noch mit SD-Figürchen gearbeitet hat, Sprites ließen sich schnell erstellen.
Heute darf kaum noch so abstrakt gedacht werden (Ausnahmen wie das wunderbare Breath of Fire V bestätigen die Regel). Alles muss groß, pompös und realistisch aussehen. Dabei wäre ich völlig zufrieden mit gut gemachten Sprites in einem PS2-RPG, wenn ich dafür in kreativer Hinsicht etwas wirklich feines geboten bekommen würde. Aber das war schon ewig nicht mehr der Fall.

Dieser Trend stört mich durchaus. Dass die neueren Spiele erstens immer kürzer und zweitens von der Aufmachung her immer gigantischer werden. Das ist um ehrlich zu sein genau das Gegenteil von dem, was ich mir wünsche.
Auch zu PSX-Zeiten war das noch lange nicht so extrem wie heute. FFVII hat mich damals aufgrund seiner fantastischen und komplexen Story so sehr begeistert. Die FMV-Sequenzen waren ganz nett und eine willkommene Art, die besonders dramatischen Stellen der Geschichte zu erzählen. Aber sie waren nur Beiwerk und viele sahen rückblickend betrachtet auch gar nicht so genial aus. Heute hingegen scheint dieser Eye-Candy-Kram der hauptsächliche Kaufgrund für die meisten Spieler zu sein und die Entwickler legen mehr und mehr Gewicht darauf.
Dabei ist das für mich überhaupt nichts wert, wenn die Geschichte dahinter nicht funktioniert und mich richtig fesseln kann. Und das ist von Generation zu Generation bei immer weniger Spielen dieser Art der Fall.

Und die Länge der Spiele kam, zumindest bei mir, bestimmt nicht dadurch zustande, dass ich mich ewig mit den Kämpfen oder sonstwas aufgehalten hätte. In den Geschichten und mit den Charakteren ist einfach viel viel mehr passiert! Ich würde gerne mal eine Auflistung aller Cut-Scenes von FFVII bis XII sehen. Generell die PSX-Titel der Serie gegen die der PS2. Ich würde einiges darauf verwetten, dass in VII mindestens fünfmal so viele Szenen enthalten waren wie in XII. Ist ja auch nachvollziehbar, da es einfacher ist, ein paar Textboxen vollzuschreiben und ein paar einfache Figurenbewegungen zu programmieren, als den möglichst kurzen Text von teuren Sprechrollen vertonen zu lassen und eine Menge hochkomplexer Figurenbewegungen samt Mimik zu programmieren!
Und so toll das auf den ersten Blick auch jedes Mal wieder ist, das ist es imho einfach nicht wert, wenn ich dafür nicht den Abspann sehen und dabei denken kann "Meine Fresse, war das ein Abenteuer!"
Ich kann mich noch gut an Wild Arms 3 erinnern, das mir außerordentlich gut gefallen hat. Lange Zeit und heute mehr oder weniger immernoch sogar besser als FFX. Dabei war es ein Spiel, das praktisch überhaupt keine Innovation bieten konnte. Oder, besser gesagt, ein Spiel, dessen Innovation darin bestand, die Prinzipien, die es in der 16-Bit-Ära und teilweise noch in der 32-Bit-Ära gab, auf die PS2 zu übertragen. Ich fand es absolut geil, eine so große Weltkarte zu haben und musste mich echt fragen, warum Squaresoft damals mit FFX einen anderen Weg gegangen ist. Bloß um es krampfhaft neuartig erscheinen zu lassen? Nicht auszudenken, was die aus der klassischen Weltkarte mit ihrem Budget und technischen Geschick hätten machen können.
Überhaupt ist es imho keine Innovation, etwas wegzulassen. Das ist einfach nur Reduzierung des Spielerlebnisses, solange kein Ersatz dafür vorhanden ist. Dieser Ersatz kann meinetwegen noch so neuartig sein, aber es wie in FFX zu machen hat mir wirklich überhaupt nicht zugesagt. Seither muss ich immer wieder betonen, wie winzig winzig klein Spira auf mich gewirkt hat.

Es ist alles so sehr Mainstream geworden. Es kommt kaum noch etwas auf den Markt, was nicht garantiert jedem irgendwie gefallen könnte. Kein Risiko mehr. Da lob ich mir doch mein FFVI, das gesellschaftskritische Themen aufwarf und in allen Dingen einfach einen Schritt weiter ging als andere Spiele. Es kam darin eine Jugendschwangerschaft und zwei Suizidversuche vor, außerdem ging die Welt unter. Ich kenne kein Spiel dieses Genres, das es so weit getrieben und dabei auch noch so überzeugend und ergreifend umgesetzt hätte.
Als ich es das erste Mal gespielt habe, habe ich mich bestimmt eine knappe Woche echt mies gefühlt. Um solche Emotionen hervorzurufen braucht es keine Sprachausgabe oder besonders tolle Grafik. Es sind einfach die Geschichten, die erzählt werden, und von denen gibt es in letzter Zeit nur noch immer kleinere und weniger aufreibende.

Noch in der 32-Bit-Ära hatte ich nach dem Durchspielen eines RPGs fast immer das Gefühl, eine komplett andere Welt kennengelernt zu haben. Ich kannte deren Entstehungsgeschichte, die darin lebenden Menschen, deren Religion und darüber hinaus vor allem das Abenteuer, in dem all das eine Rolle gespielt hat und über das mir auf interessante Weise dieser Einblick vermittelt wurde. Es war so, als würde man ein gutes Buch lesen.
Seit der aktuellen Generation hatte ich dieses Gefühl praktisch nicht mehr. Es wird viel öfters dazu übergegangen, nur Ausschnitte und Teile der Spielwelt zu zeigen und große und wichtige Teile gar nicht erst betretbar zu machen. Ich finde es unverzeihlich, wie in der Story eines FFX die größte Stadt der Welt vorkommt und großartig in FMV-Sequenzen gezeigt wird, aber dann nicht erkundet werden kann. Das ist, als würde man die Story weiterlaufen lassen, aber die Spielwelt, die ja irgendwo noch Grundlage der Handlung sein soll, darunter wegnehmen.
Genauso, nur nicht ganz so schlimm, ist auch Archadia oder Port of Balfonheim in FFXII, wobei man die wenigstens besuchen kann. Damals hat man auf nichts verzichten müssen! Da gab es noch ein Midgar in seiner vollen, gigantischen Größe und man konnte sich etwas darunter vorstellen.

Genau wie mit den Sequenzen bzw. Cut-Scenes ist es nämlich auch mit den Orten der Spielwelt. Alles wird immer größer und aufwändiger und schöner anzusehen, dafür schrumpft alles extrem ein und reicht kaum noch aus, um die Illusion der anderen Welt aufrecht zu erhalten. Ich liste euch mal kurz die Anzahl der Städte der FF-Serie auf, um zu verdeutlichen, was ich meine:

FF und FFII hatte 10 Städte
FFIII hatte 13 Städte
FFIV, V, VI und VII hatten jeweils ca. 18 Städte
FFVIII und IX hatten 11 bzw. 12
FFX hatte sage und schreibe 4 (!) die auch noch allesamt winzig waren
FFXI hatte 5 große und mehrere kleine, aber bei einem MMORPG ist das auch was anderes ...
FFXII steht mit 5 relativ großen und 3 kleinen Städten zwar weit besser da als FFX, aber die Verhältnisse von damals sind dadurch noch lange nicht erreicht

Dabei gilt das nicht nur für die Städte. Generell ist die Liste an besuchbaren Orten, alle Dungeons eingeschlossen, aus einem FFX unheimlich gering. Das Spiel sinkt damit auf das Niveau der ersten paar Teile hinunter, wobei wir zwischenzeitlich mit FFVII & Co bei der vier oder noch mehrfachen Anzahl an Locations waren.
Und dafür ist die FF-Reihe nur eines von vielen Beispielen. Man denke nur an Xenosaga! Gab es da abgesehen von 2nd Miltia und der Kukai Foundation überhaupt so etwas wie eine Stadt?

Auch die Themen, die angeschnitten werden, sagen mir immer seltener zu. Nicht selten wollen es die Macher heute "poppig" und locker und fröhlich haben. Wie soll da denn bitte Spannung aufkommen können? Ich für meinen Teil hatte jetzt langsam aber sicher genug Helden in der Machart von Zidane, Tidus und Vaan. Ich hätte zur Abwechslung gerne mal wieder einen Fei, einen Cloud oder einen Squall. Überhaupt kommen mir ein paar der alten Klischees inzwischen vor wie Tugenden. Zum Beispiel der Protagonist mit Gedächtnisstörungen. Daraus kann man so viel machen!
Es ist nur noch selten mysteriös und selten wird man als Spieler noch richtig durchgeschüttelt und mitgenommen.

Ich vermute stark, dass sich diese Entwicklung in der nächsten Generation noch weiter verschärfen wird. Dann hat ein FFXIII nur noch ein oder zwei Städte, um die die ganze Spielwelt aufgebaut ist, weil alles andere zu aufwändig gewesen wäre. Und nur noch eine handvoll wichtiger Cut-Scenes, die die ganze Geschichte erzählen.

Da lob ich mir doch meinen SNES-Emulator oder meine Sammlung an PSX-RPGs, um in alten aber imho weit besseren Zeiten zu schwelgen. Mit diesen Spielen konnte man sich noch eine ganze Weile beschäftigen, im krassen Gegensatz zu den kurzweiligen Erlebnissen der letzten Tage.