Man muss bedenken, dass wir Deutschen grundsätzlich dazu neigen, uns selbst überkritisch zu betrachten. Wir haben eine ziemlich schlechte Meinung von uns selbst und sind wohl die unzufriedensten Menschen überhaupt.
Einige der Schüler aus meinem Jahrgang waren auf Studienfahrt in Polen und haben dort Unterricht an einer polnischen Schule mitgemacht. Im Deutschunterricht sollten die Deutschen dann Dinge nennen, die ihnen an den Polen gut gefallen und die Polen sollten Punkte nennen, die ihnen an den Deutschen gefallen. Und der erste Punkt, den die polnischen Schüler genannt haben, war die Toleranz der Deutschen, was eigentlich für uns spricht.

[OT]Es ist ohnehin so, dass Deutschland im Ausland ziemlich beliebt ist. Ich wurde schon oft gefragt, woher ich denn komme. Und immer, wenn ich gesagt habe, dass ich aus Deutschland komme, haben die Leute positiv reagiert. Besonders beliebt sind wir vor allem im außereuropäischen Ausland. Gerade in den kulturell muslimisch geprägten Ländern hält man relativ viel von uns, unter anderem deshalb, weil wir beim Irak-Krieg nicht mitgezogen haben. Das ist sicher auch ein Grund, weshalb wir bisher von Terroranschlägen und Entführungen größtenteils verschont gebliebe sind. Wenn man sich irgendwo in der Gegend befindet, kann man gerne sagen, dass man Deutscher ist, dann wird man, soweit ich gehört habe, freundlich behandelt. (Wenn man hingegen Amerikaner ist, täte man gut daran, das nicht öffentlich kund zu tun ^^)[/OT]

Mir ist nicht aufgefallen, dass die Ausländerfeindlichkeit stark gestiegen sein soll. Ich habe den Eindruck, dass sie relativ konstant (und im Verhältnis zu anderen Ländern) niedrig ist. Das liegt vor allem daran, dass wir kaum ein Nationalbewusstsein haben. Allerdings ist das auch problematisch, da wir in der Geschichte von einem Extrem ins andere gefallen sind. Wir hatten erst spät einen eigenen Nationalstaat und damit einen gewissen Nachholbedarf, was das Nationalbewusstsein betrifft. Das war sicher mitverantwortlich für die beiden Weltkriege am Anfang des letzten Jahrhunderts. Danach sind wir allerdings ins andere Extrem gefallen und haben uns (teilweise sicher zurecht) geschämt, Deutsche zu sein. Das ist zum Teil immer noch so. Problematisch ist nun, dass wir wieder einen Nachholbedarf entwickeln könnten.
Insofern finde ich auch Aktionen wie "Du bist Deutschland" sinnvoll, um unser Nationalbewusstsein auf ein weniger instabiles Level zu heben und allzustarke Schwankungen zu vermeiden. Außerdem soll diese Aktion ja weniger so etwas wie Nationalstolz provozieren, sondern vielmehr dazu motivieren, sich nicht mehr bloß zu beschweren, sondern selber aktiv zu werden, wenn einem Misstände auffallen.

Wenn die Ausländerfeindlichkeit wirklich ein klein wenig angestiegen sein soll, dann ist vermutlich die schlecht wirtschaftliche Lage Deutschlands daran Schuld. Sie macht die Menschen unzufrieden und lässt sie nach einem Sündenbock suchen. Und die Schuld auf die Außenseiter/Ausländer ist da am naheliegendsten.
Wir müssen also hoffen, dass sich die wirtschaftliche Situation in Deutschland bessert, dann verschwinden solche Kräfte automatisch. Glücklicherweise scheint genau das gerade der Fall zu sein. Der Regierungswechsel, die "Du bist Deutschland"-Aktion und die WM könnten den Anstoss dazu geben, dass die Leute Licht am Ende des Tunnels sehen. Und wenn die Leute erstmal glauben, dass es besser wird, dann wird es auch besser, denn letztendlich ist Wirtschaft reine Psychologie.