Showdown at Weimar

Einmal mehr spazierte Goethe durch Weimar. Er mied all die verwinkelten Gässchen der Hansestadt, aus Furcht, Kollege Schiller könnte irgendwo lauern, um ihn neidzerfressen für seinen, Goethes Erfolg zur Rechenschaft zu ziehen, in Form eines Messers zwischen die Rippen. Immer nur sah man Johann Wolfgang von und zu durch breite Straßen schlendern und sich auf großen Plätzen zwischen Leuten tummeln, zum Beispiel gegenüber vom Bauhaus-Museum, wo ja auch das gemeinsame Denkmal stand, sprich das mit ihm und Fritze.
So auch jetzt. Ein kulturelles Erbe auf vier Beinen, stolzierte der Dichterfürst durch den Pöbel und guckte sich eine vom niederen Volk aus, die er zunächst mit Poesie einzulullen und dann hart als möglich ranzunehmen gedachte. Sie schien bemerkt zu haben, dass er sie bemerkt hatte, und tat noch scheu, die blöde Kuh. Unser Dramendichter nahm die Verfolgung auf.
Gradwegs lockte sie ihn in ein verwinkeltes Gässchen. Es war eine Falle, das Weib verschwunden, und aus einem Fenster geklettert ins Freie kam niemand Geringeres als Friedrich Schiller. Er trug Strumpfhosen, durch sein drängendes Haar stürmte der Wind und ließ die Locken wehen. Verächtlich spie Goethe aus.
„Sieh an, sieh an“, ließ sich Kollege Schiller vernehmen, „der Freiherr, der Freiherr.“ Er hatte die bescheuerte Angewohnheit, alles zweimal zu sagen. Goethe ließ sich nichts anmerken.
Schiller sagte: „Wissen Sie, werter Goethe, frank und frei, Sie sind das reinste bürgerliche Trauerspiel.“ Er wollte es also drauf ankommen lassen und ihm ein Wortgefecht liefern. Das sollte die mickrige Kröte, dachte Johnny Goethe bei sich, gern so haben.
„Guck dich an.“
Reißzoom in Schillers face. Hat den Kopf leicht zur Seite und die Augen weit auf. Taumelt zwei bis fünf Schritte zurück. Was für ein Konter, denkt er bei sich. Dieser hier war nicht von ungefähr der Meistverdiente um die deutsche Sprache. Doch nicht zuletzt wusste er sie auch wie kein anderer als Waffe einzusetzen.
Friedrich fing sich. Noch gab er nicht auf. Er versetzte: „Ich hörte von Ihrem Missgeschick, geschätzter Freund. Wer zeichnet denn diesmal dafür verantwortlich?“ Hier spielte Schiller auf das Gerücht von letzter Woche an, Goethe habe sich beim Liebesspiel mit Katharina der Großen die Vorhaut eingerissen. Hartnäckig hielt es sich in Weimar noch immer. Was der Herausforderer nicht ahnte, es entsprach der Wahrheit. –
Doch Goethes knöchernes Pokerface war die Härte selbst. Keine Spur von Emotion. Halb Mensch, halb Maschine. Der Dichterfürst kniff die Augen zusammen und presste zwischen festgebissenen Hauern, jedoch kein My an Contenance missen lassend, hervor: „Deine Mutter.“ Schiller ging zu Boden.
Goethe stieg über ihn hinweg, spie dem noch zitternden Leichnam Kautabak auf die Stirn und sagte trocken: „Fick dich, Bruder.“ Dann ging er nach Hause Faust schreiben.


Die Wahrheit über Bodo Eichmann

Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, Napoléon Bonaparte sei ein regelrechter Zwerg gewesen. Ganz im Gegenteil war er so etwas wie ein Riese zu seiner Zeit. Gemessen am heutigen Menschen fällt der Feldherr freilich winzig aus. Doch im Mittelalter wurden die Leute noch nicht so groß. Napoléon überragte sie alle um Meilen.
Daher war er auch ein solch erfolgreicher Schläger von Schlachten. Kleinere Menschen damals bedeuteten kleinere Schlachtfelder, und über all dem thronte der große Franzose und besah sich die Heere aus sicherer Distanz wie Ameisen. Wenn ihm irgendwelche Truppenbewegungen nicht passten, feindliche oder die eigenen, pfiff er eine Melodie, zog die Brauen hoch und setzte wie abwesend ganze Bataillone um. Es war ein bisschen wie beim Damespiel, nur dass Napoleons Gegenspieler selbst nichts als ein Spielstein war. Der Korse konnte also schlecht verlieren.
So mauserte er sich denn zum patenten militärischen Führer, wenn auch die Mittel unlauterer kaum hätten sein können. Im Laufe der Jahre aber wuchsen Napoléons Mitmenschen, mussten irgendwann schließlich unsere heutigen Ausmaße erreichen. Wie nun also die Bevölkerung größer und größer ward, überragte Napoléon sie um immer weniger und weniger, bis schließlich überhaupt nicht mehr. Prompt wurde er beim Bescheißen erwischt, wie er einmal mehr die Spielsteine zu seinen Gunsten hatte heimlich umstellen wollen. Aber nichts wie ab in die Verbannung zur Strafe.
Zunächst brachte man ihn irgendwo ins Randgebiet Frankreichs, doch durch die Plattenbewegungen driftete seine Exilheimat immer weiter vom Kontinent ab, bis Napoléon sich schließlich auf einer Insel wiederfand zusammen mit einem Neger, der nach einem Wochentag benannt war. Hier verlaufen sich alle weiteren Spuren des großen Eroberers im sprichwörtlichen Sand und führen zu einer Palme, zu dessen Füßen er liegt, tot, wahrscheinlich ist ihm eine Kokosnuss auf den Kopf gefallen. Aus seinem Gefährten ist nichts herauszukriegen, er kann nur Klickgeräusche.
Am Rande der nun folgenden Nachforschungen kommt heraus, dass Napoléon überhaupt gar kein Bonaparte gewesen ist. Sein richtiger Name lautete Eichmann, Bodo Eichmann, eins fünfundsechzig groß, blaugraue Augen, trägt die Slips seiner Großtante auf. So ist also das Bild, welches wir heute vom Feldherren Napoléon Bonaparte haben, durchaus nicht unverfälscht.