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				Krieger
			
			
			
				
			
			
			 
			
				
				
				
				
			
		 
		
			
				
				
				
					Spirale der Gewalt
				
				
						
						
				
					
						
							In meinem Traum ritt ich auf dem Rücken eines schwarzen Pferdes durch den amerikanischen Westen des neunzehnten Jahrhunderts. Die Sonne stand tief, roter Sand erstreckte sich, wohin ich blickte, und am Horizont die mächtigsten aller Felsmassen. Nirgends eine Menschenseele, ich war allein mit dem Pferd und der Steppe. 
Ich hatte das Gefühl Stunden, ja Tage geritten zu sein. Doch die Sonne hatte sich kein Stück bewegt, als könne sie sich nicht losreißen von meinem Anblick. Vielleicht gab mein Traum soviel Realismus nicht her. 
Ich kam zu einer Ranch, mitten im Nichts der Prärie. Mein Pferd hielt inne. 
Ein sehr alter Mann trat aus dem Gebäude und setzte ein paar schwerfällige Schritte in den roten Wüstensand. Er blieb stehen und brachte eine Waffe zum Vorschein. Sofort schoss auch meine Hand gen Gurt und zog den Revolver. Doch der Alte schenkte mir keinerlei Beachtung. Er richtete seinen Colt vor sich auf die Erde und betätigte dreimal den Abzug. Die Schüsse krachten, ich erschrak. Der alte Mann hatte sein Schießeisen bereits wieder weggesteckt und schleppte sich Richtung Brunnen. Ich sah ihm bei all dem noch immer gebannt zu. 
Er leierte sich aus der Tiefe des Brunnens einen Eimer voll Wasser herauf und trug ihn zurück zu der Stelle, an der sich die Kugeln in die Erde gebohrt hatten. Dort schüttete der Alte das Wasser aus und ließ den Eimer fallen. Er schien am Ende seiner Kräfte.  
„Wozu tust du das?“ Der Greis sah auf, bemerkte mich jetzt zum ersten Mal. Er erwiderte: „Hast du noch nie was vom Bleigießen gehört, Junge?“ Und auf einmal ritt ich weiter, mein Pferd hatte seinen Trab wieder aufgenommen, ohne noch etwas zu erwidern oder mich umzublicken. 
Hatten sie im Wilden Westen denn schon die Tradition des Bleigießens gekannt? Allem Anschein nach nicht. Was mochte der Alte damit bezweckt haben, er hatte die blauen Bohnen sicher nicht umsonst gepflanzt. Was sollten sie dort wachsen lassen? Da ich selbst einen Revolver bei mir trug, sollte es kein Geheimnis bleiben.  
Ich stieg vom Pferd und feuerte drei Schüsse in den Wüstensand. Doch ich hatte kein Wasser. In der Not ließ ich mein Pferd auf die Einschusslöcher pissen und schlug unweit mein Lager auf. Ich wollte am nächsten Morgen sehen, was gewachsen war. 
Die Sonne bewegte sich noch immer nicht, doch irgendwann musste die Nacht gekommen sein. Ich wachte aus tiefem Schlaf auf. Es dämmerte. 
Im jungfräulichen Licht des anbrechenden Tages sah ich, was erwachsen war aus dem Inhalt meiner Revolvertrommel: ein Baum mit nur einem einzigen, mächtigen Ast. Ich befand mich im Wilden Westen, doch war ein Mensch meiner Zeit und erkannte, was dort am Ast hing: eine Wasserstoffbombe. Ich fing an mir Sorgen zu machen, ob, was ich hier träumte, eine Parabel sei, und ich aufpassen musste, was das alles zu bedeuten hatte. 
Plötzlich fing die Bombe an zu ticken. Tickten Wasserstoffbomben? Was träumte ich nur für einen Mist zusammen. Ich konnte von Glück sagen, dass ich just in diesem Moment aufwachte. Ich öffnete meine Augen – und starrte in den Lauf eines Revolvers. Am Fußende meines Bettes stand jemand und hielt mir die Knarre ins Gesicht. 
Noch immer tickte die Bombe aus meinem Traum. Es war das Klicken des Colts, der Fremde betätigte unaufhörlich den Abzug, doch die Trommel schien leer zu sein. Kein Schuss krachte. 
Nun begann der am Fußende in seinen Manteltaschen nach Patronen zu wühlen. Er musste bemerkt haben, dass ich wach war, zu kümmern schien es ihn nicht. Er würde seinen Revolver laden und mich dann erschießen. 
Ich richtete mich halb auf und sah zu meinen Brüdern. Sie lagen beide regungslos mit jeweils drei Löchern in der Brust in ihren Betten. Das mussten die Schüsse in meinem Traum gewesen sein. 
Der Killer am Fußende schickte sich nun an, Kugeln in die Revolvertrommel zu stopfen. Während er nachlud, richtete ich mein Wort an ihn. Ich platzte heraus mit einer engagierten Rede über die Spirale der Gewalt, in der wir uns seit jeher befänden, und dass wir Opfer waren der Menschheitsgeschichte. Ich ließ einiges aus meinem Traum mit einfließen, es war (nicht erst) im Wilden Westen alles aus den Rudern gelaufen und hatte seinen vorläufigen Höhepunkt mit dem Abwurf der Atombombe erreicht, und noch heute ging es immer so weiter. Er sei der lebende, ich würde bald der sterbende Beweis dafür sein, käme er nicht zur Vernunft. Wir müssten aufbegehren und der Herrschaft des Homizids die unbewaffneten Rücken zukehren. Ich schloss mein flammendes Plädoyer für die Menschlichkeit mit dem Aufruf an meinen Mörder, den kleinen Schritt in eine Zukunft zu wagen, die als einzige Lösung den Frieden kennt. 
Mehr gab meine Improvisationskunst nicht her. Der Killer hatte während meiner Ausführungen keinen Schuss abzufeuern gewagt. Noch immer stand er am anderen Ende meiner Schlafstatt. Ich sah, dass er bebte, und hörte, dass er schluchzte. Meine Rede hatte ihn spürbar mitgenommen. Ich streckte meine Hand aus. Er reichte mir seine Waffe. Ich sah nach, ob sie mittlerweile wieder geladen war, und feuerte der Memme daraufhin sechsmal Blei in die Fresse.
						
					 
					
				 
			 
			
			
                            
                                
				
                                        
				
				
				
					
						Geändert von wequila (05.01.2006 um 18:48 Uhr)
					
					
				
				
				
			 
			
			
		 
	 
		
	
 
		
		
		
	
 
	
	
	
	
	
	
	
	
	
	
	
	
		
		
			
				
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