Nachdem das Thema nun schon im Misstände-Thread angeschnitten wurde, dort aber IMHO nicht reingehört, mache ich mal einen eigenen Thread dafür auf.
Zunächst einmal möchte ich den Begriff Innovation von Kreativität abgrenzen, denn ich denke, alle Spieleentwickler sind kreativ, aber nicht notwendigerweise innovativ. Nach dem Fremdwörterduden bedeutet kreativ nichts anderes als "schöpferisch, Ideen habend und diese gestalterisch verwirklichend". Deswegen würde ich das, was im Misstände-Thread von Jeez angesprochen wurde, eher als Innovativität bezeichnen. Also das Entwickeln von etwas völlig neuem, von den gängigen Prinzipien abweichend. Falls es anders gemeint war ist es auch egal, in diesem Thread soll es jedenfalls um Innovation gehen.
In welchem Rahmen ist Innovation noch möglich?
Ich nehme nun mal die Position von denen ein, die alles aus einer groben, undifferenzierten Sicht sehen ( obwohl ich diese Sicht nicht teile, also rein zu Demonstrationszwecken ). Im Klischeethread hab ich ja schon mal von den Erkenntnissen von Ronald B. Tobias oder Vladimir Propp erzählt, nach denen sich alle Geschichten - betrachtet man sie nur unscharf genug - in eine kleine Menge von "master plots" einteilen lassen. Dadurch, dass so gut wie keine Geschichte nicht in dieses Raster passt, ist Innovativität also eigentlich gar nicht mehr möglich. Man kann nichts erzählen, was es nicht schon gab. Das liegt natürlich auch daran, dass Geschichten unser Leben - ob nun direkt oder metaphorisch gemeint - wiederspiegeln. Das Gleiche trifft meiner Meinung nach auch auf Grafik, Gameplay und alle anderen Spielfaktoren zu. Aus einer groben Sicht von oben gab es so gut wie alles schon mal.
Jeez fordert im Misstände-Thread ja nach Trashspielen. Doch hat sich dieses "Genre" nicht auch schon selber überlebt - ähnlich wie Parodien im Filmbereich? Ich sehe in Trashspielen nichts innovatives, denn es gibt davon schon mehr als genug. Auch diese "Spiele" lassen sich auf simple Grundkonzepte reduzieren, die man in so gut wie jedem wiederfindet. Am Ende bleibt dann nicht mehr übrig, als eine Protestnote von ein paar Quärulanten.
Nimmt man dann die Makercommunity, findet man auch nur sehr schwerlich ein Spiel, das innovativ ist. Jedes der Spiele hat seine Vorbilder, entweder direkt bei den kommerziellen Spielen, oder es wurde auf irgendeine Art adaptiert.
Wenn ich nun aber diese undifferenzierte Sicht verlasse, sehe ich ein ganz anderes Bild. Die Spiele unterscheiden sich schon und zwar durch ihre Details.
Auf die Details kommt es an
Es sind die Details, bei denen man wirklich innovativ sein kann. Ob es nun ausgefallene Charakter sind, ein neuer Aspekt beim storytelling, ein ungewohnter Grafikstil oder ein neuartiges KS - all diese Dinge können dazu eingesetzt werden, um sich von anderen Spielen abzuheben. Aber es ist dafür nicht nötig, das Rad völlig neu zu empfinden. Alle Makerspiele, die ich kenne, unterscheiden sich in vielen Faktoren voneinander; solange man wie gesagt eine detailierte, differenzierte Sicht auf sie hat.
Natürlich unterscheidet sich der Grad der Innovation von Spiel zu Spiel. Einige Spiele bieten kleine Innovationen, andere weichen stark von den bekannten Mustern ab. In der Makerszene sind das z.B. solche Spiele wie Sunset over Imdahl, oder Repkos Chemical Crisis. Solche Spiele fallen logischerweise auf, wobei Innovation selber nicht notwendigerweise Spiele automatisch besser als andere macht. Deswegen sollte Innovation nie als Selbstzweck gesehen werden, sondern als ein Mittel um das Spiel nötigenfalls aufzuwerten.
Ich bin also der Meinung, das Innovation meistens nur im kleinen Rahmen möglich ist. Vielleicht tritt jemand mal ( auf dem Maker ) einen Gegenbeweis an, in dem er ein Spiel entwickelt, das sich grundlegend von allem Dagewesen unterscheidet, aber bis jetzt ist der noch ausgeblieben.
Ab wann ist "richtige" Innovation nötig?
Nötig ist eine die Grundfesten erschütternde Innovation dann, wenn sich alle Spiele bis ins Detail gleichen, wenn nur noch kopiert wird und überhaupt nichts neues mehr dazu kommt. In dieser Situation des Stillstands sind grundlegende Änderungen wirklich nötig, sonst ist das Genre tot. Doch so was gibt es weder in der Spielszene, noch in der Filmszene und noch allgemein beim Geschichtenerzählen ( das ja schon ein paar tausend Jahre auf dem Buckel hat ).
Was wirklich wichtig ist
Viel wichtiger als Innovation ist für mich, dass man mit den Spielen seine Wunschvorstellungen umsetzt. Solange man keine kommerziellen Interessen hat, sollte man Spiele nur nach dem Grundsatz entwicklen, dass man sie oder ähnliche Spiele auch ohne weiteres selber spielen könnte. Es ist also besser, sich nicht von anderen sagen zu lassen ( auch nicht von mir ), welche Spiele "in" sind, sondern das zu entwickeln, was man wirklich will.