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Deus
Vielleicht kann man ja aus dem Thread noch eine sinnvolle Diskussion herausfiltern … ich will's mal versuchen. 
Was mich an Sendungen wie Deutschland sucht den Superstar stört, ist eigentlich weniger, was dabei herauskommt, als vielmehr das, was dahintersteckt. Ich möchte sagen, daß es keine Genrefragen sind, um die es bei der Kritik an diesen Sendungen geht, auch keine Fragen nach dem Sinngehalt der Lyriken oder der Qualität der Musik. Es gibt ein Publikum für Plastikpop, das ist eindeutig bewiesen, und wer gerne diese Musik hören mag, dem mache ich deswegen keinen Vorwurf.
Was meiner Ansicht nach bei dem Phänomen der Casting Shows wesentlich kritischer zu beäugeln ist, ist die Tatsache, daß da eine riesige Massenmobilisierung unter medialer Kontrolle stattfindet. Die Musik von Alexander oder BroSis oder anderen Bands/Künstlern, die aus diesen Formaten hervorgegangen sind, hätten -- und da bin ich mir ziemlich sicher -- weitaus weniger kommerziellen Erfolg gehabt, wenn sie sich selbstständig produziert hätten. Ich will nicht sagen, daß sie keine Fans gefunden hätten, denn selbst für solche Pansen wie Küblböck gibt es Publikum, aber ich behaupte, daß ein Großteil der Käufer und Fans (ich verwende diesen Begriff mit Vorsicht) nur so überzeugt von der entsprechenden Musik ist, weil sie eben durch die Medien als gut diktiert wird. Dabei ist es völlig egal, ob Dieter Bohlen sie produziert oder sie selber Musik machen, was in den Medien, und vor allem im Fernsehen, als gut bezeichnet wird, das ist in den Augen vieler Personen auch gut. Hier kann man auch mal wieder das Beispiel Tokio Hotel anführen (ohne jetzt wieder eine endlose Diskussion darüber anleiern zu wollen), denn die sind ja, zumindest wenn ich richtig informiert bin, aus keiner Casting Show hervorgegangen, allerdings medial dermaßen propagiert worden, daß sie es bis ganz nach oben geschafft haben.
Kommerzieller Erfolg ist längst nicht mehr von Können abhängig. Aber auch große Namen sind bei weitem weniger wichtig geworden, als sie es noch in den Neunzigern waren. Nur weil Bohlen draufstehst, muß es sich nicht mehr verkaufen. Wichtig ist nur eines: Propaganda. Bohlen hat nur selber den entscheidenden Vorteil, daß er eine extrem medienpräsente Person ist, die sich selbst als Platform für eben diese Propaganda benutzen kann, darum kann der Mann den letzten Dünnpfiff zu Geld machen.
DSDS hat mittlerweile ein dermaßen ausgeprägtes Publikum, daß es völlig egal ist, wer da am Ende gewinnt, der Typ wird seine erste Platte auf der Pole Position der Charts stellen, danach verschwindet er wahrscheinlich wieder in der Versenkung. Und er muß nicht mal gewinnen, es reicht schon, wenn er irgendeine Platform hat um sich zu verkaufen. Siehe Küblböck.
Ohne jetzt Casting Shows verteidigen zu wollen, aber die sind sicher nicht Schuld an der Qualität der deutschen Musik. Sie sind eine Platform, ja, aber es gibt viele andere. Stefan Raabs TV Total ist eine andere, der Mann hat dermaßen hohe Quoten, daß er auch er an der Trendmache teilhaben kann, und er tut es auch. Seine eigenen Lieder sind immer (oder zumindest seit seiner Bekanntheit) gute Chartstürmer gewesen, die Produktionen hinter denen er steht ebenfalls. Das soll aber auch nicht heißen, daß nur Scheiße bei sowas herauskommt. Ich persönlich fand Max Mutze zum Beispiel einen ziemlich guten Sänger, das Lied war auch nicht so schlecht wie das meiste, was in den Charts landet und ich hab's mir zu Anfang gerne angehört, wenn's mal im Radio lief. Aber ohne die Platform Stefan Raab wäre er nie zu dem gekommen, was er erreicht hat.
Die meiner Meinung nach perverseste Ausprägung dieser Mediendominanz im freien Markt ist Schnappi. Niemand, nicht einmal ein zugekiffter und tauber Vollidiot ohne jegliche musikalische Meinung oder Kenntnis könnte diesen Scheiß als gut bezeichnen, einfach niemand. Nicht einmal als Musik kann man es bezeichnen. Ich kann mir auch mit irgendwelchen Magixprogrammen eine blöde Spieluhrmelodie zusammenzimmern und meinen kleinen Bruder dazu Kinderlieder trällern lassen, es wäre qualitativ das gleiche in grün. Der Erfolg dieses Machwerkes ist einzig und allein darin zu begründen, daß irgendwer es entdeckt hatte (war's nicht sogar Raab?), es einmal als lustig hingestellt hat und dann war's um die Plattenkäufer geschehen. Ich bezweifle, daß die Platform selber damit gerechnet hat, was daraus wird. Aber es zeigt eindeutig, daß man über das Fernsehen einfach alles verkaufen kann … alles. Und der Musikmarkt ist hier ein besonderes Beispiel, da bei Kunst kein Nutzaspekt hinterfragt wird, wie beispielsweise bei anderen Produkten, sondern lediglich eine subjektive Meinung der Kaufgrund ist. Und wenn sich Leute, die ihre Meinung gerne von "Experten" bestätigt haben, von eben solchen gesagt kriegen, daß ein Lied gut/lustig/kaufenswert ist, dann haben sie damit Grund genug. Und da der überwiegende Konsumentenanteil nunmal aus pubertierenden Dreizehnjährigen besteht und davon jedes Jahr ein Haufen dazukommt, braucht man sich auch nicht zu fragen, ob es denn jemals aufhören wird.
Nebenbei … aus welcher Casting Show sind denn US5 hervorgegangen? Das ist ja mal wieder voll an mir vorbeigezogen, daß das eine gecastete Band ist. Nicht, daß es schade drum wäre.
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