*hust*
Schreibwut ist was schlimmes.
Ich beeil mich mit dem Finale, und nicht erschrecken, sind viele neue Gesichter.
Danke nochmal an alle, sowas spornt an! 
Zweiter Akt
Geister in der Maschine
Darke ging am nächsten Tag mit ruhigen Schritten die dunklen Korridore des alten Gebäudes hinab, und das alte Schlüsselbund klapperte in seiner Hand. Die meisten Leute, denen man in diesen Zeiten ein solches Utensil zeigen würde, wären der festen Überzeugung, man würde damit sein Abendbrot zu sich nehmen, allerdings hatten die meisten Leuten auch nichts, bei dem es sich lohnen würden, einen echten Schlüssel zu verwenden. Die Person, welche der schwarzhaarige Magier nun suchte, war durchaus ein Schatz, allerdings ein Schatz, der nicht ungefährlicher als der Drache war, der ihn behütet hätte. Jede elektronische Sicherheitsmaßnahme wäre etwa so sinnvoll gewesen, wie der Versuch, ein Feuer mit einem Kanister Öl zu löschen. Darke erreichte die schwere Eisentür und klopfte an die Klappe, welche auf Höhe seiner Augen angebracht war.
„Moment, Senôr Oscuro, ich eile, ich eile!“
Dieser Name war nur einer der vielen, die man dem Magier gegeben hatte, und Darke selbst würde sich wohl kaum an alle erinnern.
„Wie geht es dir, Runge?“
Ein Kichern war aus der Dunkelheit zu hören, als sich die Klappe aufschob.
„Gut, gut, Meister, ihr reibt an der Lampe - Ich komme heraus!“
Darke mochte die Einstellung dieses Mannes, auch wenn sein Gesicht sogar ihm jedes Mal einen Schauer über den Rücken jagte. Die Züge waren an sich nicht schlimm, wenn auch nicht attraktiv, aber seine Augen waren eingefallen und mit Augenrändern unterlegt, die einem Totenschädel Parade bieten würden. Dies lag an der Tatsache, dass der Mann, dessen Familienname Runge lautete, zum einen seit über 19 Jahren nicht geschlafen hatte und zudem seit mindestens ebenso langer Zeit keinen Sonnenstrahl mehr erblickt hatte. Das Einzige, was von seiner einstmaligen Eleganz übrig geblieben war, war eine Tätowierung auf seiner linken Wange, das Bild einer S-förmigen Schlange. Bei weitem nicht nur ein Statussymbol, wie Darke wusste.
„Ich habe einen Auftrag für dich, Eel.“
„Oh…“, stöhnte der Gefangene fröhlich, „Erzählt schon, darf ich endlich wieder träumen?“
Oscuro lächelte bösartig, denn er wusste genau um die Schwächen dieser Gestalt, die man innerhalb des Computernetzwerkes, der Matrix, Eel nannte.
„Ja. Du darfst soviel träumen, wie du willst. Aber ich möchte, dass du einige Dinge für mich herausfindest.“
„Sprecht, mein Herr, sprecht nur schon!“, rief Runge laut.
„Erstens: Finde alles über einen Mann namens Wisdom heraus.“, trug ihm Darke auf, „Und zweitens, der wesentlich wichtigere Punkt: Du musst ein Mädchen finden. Sie hat das Aussehen eines Engels.“
„Wie schön…“, geriet der Gefangene ins Träumen, dann verstummten seine Worte. Darke lehnte sich an die Wand. Er kannte die Prozedur, und er wusste, dass sie keine besonders lange Zeit in Anspruch nehmen würde.
„Wir haben hier einen unautorisierten Zugriff auf das Polizeinetz von Lone Star!“, rief ein Sicherheitsmensch der Privatpolizei über Funk, und der Polizeidecker schaltete sofort. Es war sein Beruf, sofort zu schalten. Er war ein Hacker, und es war seine Aufgabe, feindliche Subjekte auszuschalten. Er war gut, er war einer der Gründe dafür, dass sich kaum jemand in die Datennetzwerke von Lone Star traute. Das Datenkabel in der Buchse seiner Schläfe brachte ihn direkt in die Matrix, und das stilistische Polizeigebäude, welches die Programmierer als Benutzeroberfläche erstellt hatten, erschien in seiner Umwelt. Alles hier bestand ausschließlich aus Bits und Bytes, aber so manche Sache war beinahe photorealistisch. Er selbst erschien als zweibeiniger Kampfroboter, wie man sie aus den Videospielen des zwanzigsten Jahrhunderts kannte. Und er fand den feindlichen Decker auch sofort. Dieser musste äußerst selbstbewusst sein, denn er versuchte nicht einmal, seine Anwesenheit zu verbergen. Die Persona des Fremden, also sein Avatar im Netz, sah gewöhnlich, beinahe schon langweilig aus. Sie stellte einen jungen Mann Mitte 40 mit dunklem wirren Haar dar, der keinerlei Kleidung trug, abgesehen von einem schwarzen Tatoo auf der Wange. Um seinen Körper schlängelten sich unzählige Programme, die das Aussehen von Schlangen hatten. Der Decker musste nicht nur größenwahnsinnig, sondern auch unglaublich einfallslos sein, höchstwahrscheinlich repräsentierte diese Persona sogar sein reales Aussehen, mal abgesehen von den Schlangen. Als erste Gegenmaßnahme startete der Polizeidecker ein Fährte-Programm. Dieses würde herausfinden, an welchem Jackpoint, also an welchem Computer sich das Ziel in die Matrix eingeloggt hatte, so würde man ihm später noch einen Denkzettel in der Realität verpassen können. Der Decker stutzte, den die Persona des Feindes hatte ihn wohl bemerkt, startete aber keinerlei Gegenmaßnahmen, sie durchforstete weiter mit einer unheimlichen Geschwindigkeit die Datenbank der Polizei, als würde sie sich in keinerlei Gefahr befinden. Er entschloss sich, den Hacker schon in der Matrix zu vernichten und startete ein Programm, welches nicht nur die Persona des Deckers, sondern auch den Computernutzer selbst verletzen würde. Plötzlich erschrak der Lone Star-Angestellte, denn sein Computer-Deck registrierte einen Gegenangriff, die eigene Attacke war offensichtlich einfach ignoriert worden. Unzählige kleine Schlangen verließen den Körper des Fremden und zersetzten zur Panik des Polizeimanns sämtliche Sicherheitsmaßnahmen des Polizei-Haupthosts, über ein Dutzend an der Zahl, auf einmal. Er loggte sich schnell aus, denn er wollte seine eigene Sicherheit nicht riskieren. Die Instandsetzung der Maßnahmen würde Stunden dauern. Abermals wunderte er sich, denn der fremde Decker hatte offensichtlich die Fährte-Utility nicht deaktivieren können. Nun würden sie über ein paar einfache Daten herausfinden, wo sich die Zentrale des Deckers befand. Grinsend startete er von Hand das Programm. Ein Kollege, der in diesem Moment den Raum betrat, starrte ungläubig auf den Bildschirm. Die Karte Seattles sollte den Standpunkt des Deckers eigentlich mit einem kleinen roten Punkt markieren und diesen dann an die Einsatzfahrzeuge weiterleiten.
„Gibt es Probleme?“, rief der Neuankömmling, aber der Decker schüttelte den Kopf.
„Nein, nur ein Fehler im System.“
Über die Stadtkarte Seattles hatte sich ein Netz aus blutroten Punkten gelegt.
Siegfried Runge war ein kleiner Junge gewesen, und seine Eltern wollten nur das Beste für ihn. Schon als Kind liebte er es, die Kontrolle über alles und jeden zu haben, und so finanzierten sie ihm das Computerstudium. Die Welt der Matrix war geordnet, eindeutig und absolut unfehlbar - Perfekt. Sigi hatte seine Bestimmung gefunden, und schon nach kurzer Zeit wurden er und seine Persona „Eel“ zu einem unumgänglichen Phänomen der Wissenschaft.
Alles lief perfekt.
Bis zu jenem Tag, den man heute den großen Crash von 29’ nennt.
Es war kein gewöhnliches Virus. Es vernichtete nicht nur Daten, sondern auch die Hardware, und sogar die Nutzer der Matrix. Letztendlich wurde der Programmcode des Virus von einer 32-köpfigen Spezialeinheit vernichtet, und obwohl nur 7 Mitglieder überlebten, wurde „Echo Mirage“ zu einer Legende. Sigi war das jüngste Mitglied. Und offiziell gehörte er nicht zu den 7 Mitgliedern, die jenen Tag überlebt hatten.
Siegfried schaffte es, aber ab diesem Moment an wollte er niemals die Kontrolle über etwas verlieren. Er schlief nie wieder und stattdessen begann er, zu träumen. Jedes Mal, wenn Eel von diesem Tag an seine Augen schloss, begann sein Geist, sich eine Welt aufzubauen, die so perfekt und geordnet war wie die Matrix. Und eh er sich versah, fand sich seine Persona in eben jener wieder. Eel wurde zu einem Phantom, ein Decker ohne Persona, ein Hacker ohne Computer. Darke hatte sich damals des medizinischen Sonderfalls angenommen und spürte sofort die Macht des Deckers. Siegfried Runge war kein gewöhnlicher Computer-Freak, sein Astralleib glühte beinah, als der aztekische Magier auf die Ebene der Magie schaute. Eel war erwacht, und seine Magie hatte irgendwie die Matrix ergriffen. Darke hatte in diesem Moment gelächelt. Zwei Tage später entließ der Aztec-Konzern über 90% seiner Decker. Nach einer direkten Anweisung von Oscuro wurden sie nicht mehr benötigt.
„Senôr Oscuro?“, erklang die Stimme hinter der Klappe. Es war nicht einmal eine halbe Minute vergangen.
„Hast du die Informationen?“, fragte der Magier rhetorisch.
„Selbstverständlich, Meister. Der Mensch namens Wisdom ist ein Waise, er hat nicht einmal einen richtigen Namen. Er zeigt eine unnatürlich hohe magische Begabung, die nah an einer Schwelle pendelt.“
„Eine Schwelle…? Ich dachte, er sei ein Ki-Adept.“, wunderte sich Darke, und verdrängte den Gedanken darüber, wo im Alles in der Welt der Traumdecker diese Information her hatte. Die Polizeizentrale war nur einer von tausenden Knotenpunkten, die Eel in den letzten Sekunden durchforstet hatte.
„Das ist er auch, aber sein Verstand ist auf dem Niveau eines Übermenschen. Er entwickelt bereits präkognitive Fähigkeiten.“
Darke nickte düster.
„Warum habe ich seinen Namen noch nie zuvor gehört?“
„Er legt keinen Wert auf Ruhm oder materiellen Wohlstand.“
„Ein Idealist?“, fragte Darke skeptisch.
„Nein. Ich weiß nicht, woran es liegt.“
Dieses Eingeständnis aus dem Mund des Traumdeckers bedeutete, dass es niemand in dieser Welt wusste. Darke nickte gedankenverloren, als Siegfried fort fuhr.
„Keine Kamera, kein Satellit und kein anderer Sicherheitsmechanismus in Seattle hat ihn seit gestern aufgenommen, aber die Beschreibung des Personals eines kleinen Privatkrankenhauses könnte auf ihn passen.“
„Er ist tot?“, zweifelte der Magier.
„Nein.“, antwortete Eel, „Wisdom lebt, aber er weiß, dass wir ihn suchen. Ihr Höllenfeuer hat den Großteil seiner körperlichen Merkmale vernichtet, was die Identifikation noch schwerer macht.“
Also wusste der Decker sogar von dem Kampf auf der Pyramide, bestätigte Darke seine These in Gedanken.
„Und das Mädchen?“
„Nun ja…“
Siegfrieds Stimme klang zitternd und ängstlich, was den Magier verwirrte. Angst bei Eel bedeutete, dass irgendetwas äußerst verunsichernd gewesen sein musste. Stotternd fuhr er fort.
„…ich suche sie noch…“
„Willst du mir sagen, dass du sie nicht gefunden hast?“
Diese Vorstellung ging über Darkes Verständnis von Eel hinaus. Der Decker hatte nicht ein einziges Mal versagt, seit er in diesem Keller saß. 19 Jahre lang. Darke wusste die Antwort bereits, aber er wollte es nicht glauben.
„Ich werde sie …finden. Etwas hat mich aufgehalten… Es war ein anderer Engel.“
Der Magier lächelte. Die Sache versprach einfacher zu werden, als er gehofft hatte.
„Erzähl mir von diesem… zweiten Engel.“
Das Mädchen, welches seit wenigen Stunden wieder den Namen Sarah trug, schlang die warme Decke fester um ihren nassen Körper. Sie zitterte und auf ihrer Haut hatte sich eine Gänsehaut gebildet. Ein wunderbares Gefühl. Sie saß allein in dem angewärmten Raum auf einem Stuhl und lächelte. Die Schwingen ihres Engelskörpers hatten anfangs sowohl sie selbst als auch den verbrannten Wisdom transportieren können, aber schon nach kurzer Zeit hatte Sarah die Erschöpfung dieser neu erhaltenen Zauberei gespürt. Es war ihr schwarz vor Augen geworden, und sie war erst wieder erwacht, als sie die Piraten aus dem Hafenbecken gezogen hatten. Die Stärke ihres alten Körpers, welchen sie unterbewusst Juliette nannte, gehörte nun der Vergangenheit an, aber sie hatte eine neue Kraft erhalten. An jenen Stellen, welche bisher von Schaltkreisen durchzogen waren, spürte sie nun die Magie durch ihre Adern pumpen, die kahle Sicht ihrer Lichtverstärkeraugen war der farbenfrohen Astralwelt gewichen. Die Tür öffnete sich und ein junger Mann von vielleicht 16 Jahren betrat den Raum. Sarah schätzte dieses Alter nur und erschrak im gleichen Moment. Wie alt war Juliette gewesen? Sie wusste es nicht mehr, aber ihr äußeres Erscheinungsbild hatte nichts mehr mit ihrem tatsächlichen Alter zu tun gehabt. Bei Sarah war dies noch ein wenig anders – Ihr kindlicher Körper entsprach nicht im Geringsten der Fülle an reichen Erfahrungen, welche das Mädchen in ihrem Leben gesammelt hatte. Zea, wie der Junge von seinen Freunden genannt wurde, führte diese Piratenbande an. Er trug ein Paar leichte Stiefel und eine weite Armeehose darüber, zudem eine Allwetterjacke und zwei Handschuhe mit abgeschnittenen Enden für die Finger. An seinem Gürtel hingen ein Überlebensmesser und ein Pistolenhalfter, zudem erkannte das Mädchen eine Datenbuchse an seiner Schläfe und einen dunklen Fleck an seinem Hals, wohl ein Kehlkopfmikrofon. Seine schwarzen Haare waren auf dem Kopf zu einem dicken Bündel zusammengebunden und betonten so die spitzen Gesichtszüge noch weiter. Er lächelte freundlich und warf Sarah ein Bündel Kleidung zu.
„Die sind von meiner Schwester Jose. Sie ist zwar nicht so dürr wie du, aber das Kleid dürfte dir schon passen.“
Das Engelmädchen blickte leicht misstrauisch auf das Kleidungsstück und drehte es einige Male in ihren Händen, woraufhin sich Zea verlegen am Hinterkopf kratzte und ein „Es war nichts anderes mehr da.“ hinzufügte. Sarah bedankte sich und schlüpfte in das Kleid.
„Wieso habt ihr mir geholfen?“, fragte sie beim Anziehen und wunderte sich im selben Moment über ihre Gedanken, denn es waren alte Gedanken, die sie eigentlich mit Juliettes Namen hinter sich lassen konnte. Der junge Piratenkapitän zuckte grinsend mit den Schultern und zeigte dabei auf die durchnässten weißen Flügel, welche sich einen Weg unter den Trägern des Kleides hindurch gebahnt hatten.
„Vielleicht wollen wir einfach nur wissen, was du bist?“
„Nun ja…“, lächelte Sarah und stellte fest, dass sie ihre neue, kindliche Stimme mochte, „Es ist wohl das, nach dem es aussieht.“
Zea grinste und legte ihr die Hand auf die Schulter.
„Na komm, ich zeig dir erst mal unser Schiff, wundern können wir uns später noch.“
Das Mädchen errötete und fühlte dabei eine Menge an Emotionen, welche ihr bisher fremd waren. Ihre Flügel legten sich verlegen um ihren Körper und sie erinnerte sich. Weder Juliette, noch die alte Sarah waren jemals verliebt gewesen.
„Hey… Wisdom!“
Kurz herrschte Stille.
„Ja?“, antwortete der Adept leise, ohne die Lippen zu bewegen.
„Meinst du nicht, es ist langsam an der Zeit, aufzustehen?“
Die Stimme schallte durch Wisdoms Gedanken und rüttelte an seiner Seele.
„Warum sollte ich mich erheben?“
Die Stimme lachte, ein schreckliches, gellendes Lachen.
„Aber Wisdom… diese Frage ist doch sicherlich nicht ernst gemeint, oder etwa doch?“
„Ich trage keinen Namen…“
Die Stimme lachte abermals und nahm dann einen bedrohlichen Ton an.
„Ich werde dir nicht sagen, wieso du dich erheben sollst. Du bist das einzige mir bekannte Lebewesen, das im Stande ist, wissentlich mit seinem eigenen Unterbewusstsein zu kommunizieren! Und jetzt soll ich dir sagen, warum es sich lohnt, aufzustehen? Bitte, mein Freund, das kann nicht dein Ernst sein!“
Wisdom lächelte.
„Du hast Recht. Ich werde nicht liegen bleiben, bis du mir unseren richtigen Namen gesagt hast!“
Das Zimmer war stockduster und der Apparat, welcher Wisdoms Lebensfunktionen messen sollte, gab seit einigen Stunden nur ein leises, beständiges Surren ab, die Lebenslinie war seit langem nur noch ein gerader Strich. Auf dem Bett lag eine Gestalt und atmete nicht einmal. Plötzlich begann sie mit Lächeln, und kurz darauf reaktivierten sich auch die anderen Lebensfunktionen. Das Surren wurde zu einem Piepen und die Linie zuckte wild umher. Wisdom erhob sich, denn er war lange genug tot gewesen.
„Noch eine Sache, mein Freund.“
„Ja?“, antwortete Wisdom seinem Unterbewusstsein in Gedanken.
„Du hast gewiss die vier Goblinoiden bemerkt, die mit Schusswaffen auf dem Weg in diesen Raum sind.“
Wisdom lief langsam auf das Fenster zu und öffnete es ruhig.
„Gewiss.“, meinte er und verließ das Privatkrankenhaus. Diese Institution hatte ihn wohl in der Hoffnung aufgenommen, er könne sich die Behandlung leisten. Ihm war ein unglaubliches Glück begegnet, dieses Glück, welches er in letzter Zeit zu lieben gelernt hatte. Glück in einem Ausmaß, in dem es zu wahrem Können wurde. Wenige Sekunden später betraten vier Trolle das Zimmer und verursachten eine Explosion, die kurzzeitig die stockdunkle Nacht Seattles erhellte. Den Adepten fanden sie nicht.
Zea führte Sarah gestikulierend durch die kurzen Gänge des kleinen Schiffes auf das Deck hinauf, nicht ohne die zahlreichen Vorteile dieses Schiffes zu betonen. Es war tiefste Nacht und die Schritte der Beiden hallten über das Metall.
„Hey!“, rief eine Stimme hinter den Beiden, und eine junge Frau erschien auf der Außenseite des Kahns. Ihre schulterlangen Haare hatten eine blendende rosa Färbung und ihr Körper war zwar bei Weitem nicht dick, aber doch alles andere als dürr. Das Gesicht war leicht mobbelig und ließ Sarah unwillkürlich an ein niedliches Erdhörnchen denken, welches sie einmal vor langer Zeit in einem Buch gesehen hatte. Überall auf ihren weiten, schwarzen Lederklamotten waren Nieten und Metallpins aller Arten und Formen angebracht, ihr Gesicht war übertrieben schwarz und pink geschminkt.
„Ist unser Engelchen aufgewacht?“
Zea lachte und bejahte die Frage der jungen Frau.
„Das…“, wendete er sich an das Engelmädchen, „…ist meine Schwester, Jose.“
„Deine Klamotten stehen dir, Süße!“, meinte die Schwester mit einem freundlichen Lächeln.
„Danke.“, antwortete Sarah glücklich, „Mein Name ist Sarah.“
Das pinkhaarige Mädchen nahm ihre Hand.
„Willkommen an Bord der ‚Chummerplode’, Kleines!“
Der Kapitän legte dem Engelmädchen die Hände auf die Schultern und erklärte seiner Schwester, dass er Sarah noch unbedingt dem dritten Crew-Mitglied vorstellen wollte. Die Chummerplode musste früher einmal ein kleines Transportschiff gewesen sein, denn außer dem Wohnraum, in dem Sarah aufgewacht war und einer Kommandozentrale gab es an Räumen auf dem Gefährt nur noch den Schiffsrumpf. Juliette hatte einmal ein Schiff dieser Art infiltriert und dabei neun Matrosen niedergemetzelt, was in Sarahs Kopf zwar nur noch eine flüchtige Erinnerung war, ihr aber doch auf dem Herzen lastete. Der Piratenkapitän riss sie aus den unangenehmen Gedanken.
„Fehlt dir irgendwas, Prinzessin? Du siehst ganz blass aus.“
Das Mädchen erschrak kurz, musste dann aber lächeln. Sie sah nicht blass aus. Sie hatte die letzten Jahrzehnte ihres Lebens blass ausgesehen. Plötzlich erfasste sie ein Glück, wie sie es seit langer Zeit nicht gespürt hatte und sie konnte nicht anders, als Zea vor Freude zu umarmen. Der Pirat war verwirrt, lachte dann aber wieder, als er merkte, dass sie vor Glück weinte.
„Ich weiß nicht, woher du kommst oder was mit dir passiert ist, Sarah, aber ich denke doch mal, da wirst du uns schon noch aufklären.“
Sarah wischte sich lächelnd die kleinen Tränen von den Wangen und nickte. Der Wind auf dem Deck war kalt, aber in diesem Moment dachte sie nicht einmal daran, diesen Ort zu verlassen.
Demon.4ice hob den Kopf, löste den Netzstecker aus seiner Datenbuchse und verrenkte das Genick ein wenig. Matrix verursacht Hexenschuss, das wusste er schon immer. Die zwei Trideo-Bildschirme flackerten hell vor ihm auf, und er musste schmunzeln, da man sich erst vor kurzem auf einer Diskussionsplattform wieder darüber lustig gemacht hatte, dass er so etwas überhaupt noch besaß. Manchmal war es gar nicht mal so schlecht, den Kopf nicht mit einem weltweiten Netz aus tödlichen Viren verbunden zu haben, und das Momentan gehörte zu jenen Augenblicken. Der Zwergendecker verband sein Cyberdeck, mit welchem er bildschirmlos in der Matrix zu surfen pflegte, mit dem Trideo-Gerät und ließ sich die Dateien anzeigen. Da war sie wieder. Zwischen lauter Matrixdateien, so genannten Utilities, war es wieder. Balthasar.dat, ein Programm, welches er niemals auf sein Deck gespielt hatte, das einzige Programm auf seinem Deck, das er nicht löschen konnte, und zudem das einzige Programm überhaupt, zu dem er in der Matrix nicht eine einzige Information gefunden hatte. Allerdings schien es kein Virus zu sein, denn die Analyse durch seine eigenen Programme hatten keine destruktiven Dateibefehle gezeigt, allerdings hatten seine Analyseprogramme auch ausnahmslos einen schwerwiegenden Ausnahmefehler proklamiert, und er hatte die Progs jedes Mal daran hindern müssen, diese Dateien an ihre Programmierer zu schicken. Ein wenig Angst überkam den Decker, als er den Dateinamen wieder und wieder überflog. Die Matrix war ein Ort der absoluten Ordnung. In der Realität gab es menschliche Schwäche, es gab Betrug und Lügen, Legenden und Magie, aber sobald Demon.4ice sich in das Computernetz klinkte, erwartete er auch von diesem, keine Geheimnisse zu finden. Balthasar.dat war nur manchmal auf seinem Deck, die Datei schien sich selbstständig machen zu können. Zudem hatte sie scheinbar keine Funktion, was den Decker noch mehr verwirrte. Wozu um alles in der sechsten Welt sollte man ein Programm ohne Funktion erstellen? Der Zwerg, dessen richtiger Name Bartolomeus war, schob sich seine Brille zu Recht und dachte konzentriert nach. Das Programm war vor zwei Tagen plötzlich erschienen, genau 4 Stunden, nachdem er und seine Mannschaft das Wrack eines alten Schiffs geplündert hatten. Er hatte sich noch halb im Taucheranzug in den alten Bordrechner eingeklinkt, mit dem Adapter für die alte LAN-Technik, und hatte die Codes für die Sicherheitstüren des Schiffes herausgesucht. Bei diesem Run musste das Virus irgendwie sein Deck erreicht haben, allerdings gab es da weitere Fragen, die Demon.4ice plagten. Wieso zur Hölle hatte Balthasar beim Eindringen weder seine Sicherheitsmaßnahmen deaktiviert und war auch sonst nicht entdeckt worden? Als sich seine Gedanken gerade wieder in eine Sackgasse lenkten, öffnete sich die Tür.
„Hey, Bart! Wir haben einen neuen Passagier.“
Der Zwerg ließ seinen Drehstuhl ein wenig herumwirbeln und dachte gar nicht daran, aufzustehen. Als er das Engelmädchen sah, fiel der Decker vor Überraschung beinahe von seinem Stuhl. Zea und Sarah mussten unwillkürlich lachen, aber Bart hüstelte sich und hielt seine Würde.
„Willkommen auf der Chummerplode, Chummer!“, meinte er grinsend zu Sarah und hielt ihr seine Hand hin, fröhlich über das eigene Wortspiel. „Eigentlich müsst ich mich wundern, aber ich schlage mich schon seit zwo Tagen mit nem andern Heiligen rum.“
Juliettes Körper nahm die Hand und stellte sich lächelnd vor.
„Ich bin Sarah, und weiß Gott keine Heilige.“
Zea lachte und lehnte sich auf die Schultern des Engelmädchens.
„Geht es wieder um dieses Programm?“, fragte er Bart, mit einem wissenden Grinsen im Gesicht.
„Aye, Chummer, ein verdammter Drek ist das. Kein Schwein in der ganzen Matrix kennt den Code!“
Die Stimme des Zwerges war rau, aber Sarah schätzte ihn trotzdem auf ein recht geringes Alter, wenn er auch der Älteste auf diesem Schiff war. Der Kapitän blickte überlegend auf den Bildschirm.
„Balthasar.dat, was für ein seltsamer Name…“
Der Zwerg nickte nur und justierte seine Brille. Zea zuckte mit den Schultern und deutete Sarah an, leise den Raum zu verlassen, als sich Demon.4ice wieder seinen Programmen widmete. Das Engelmädchen hatte ein seltsames Gefühl, Balthasar.dat betreffend, und obwohl sie keine Ahnung von der Matrix hatte, spürte sie, dass etwas damit nicht stimmte.
„Hey!“, riss sie Bart aus den Gedanken und winkte Zea noch einmal zu sich heran, „Wir hatten heute früh einen Zugriffsversuch, ich hab den Drek bis jetzt gar nicht mitgekriegt!“
„Was?“, rief der Angesprochene entsetzt, „Die Cops?“
„Nein…“, meinte der Zwerg und kratzte sich am Kinn, „Alle meiner Sicherheitsprogramme wurden ignoriert, aber der Angriff ist trotzdem abgewehrt worden…“
Zea starrte auf den Bildschirm, als Demon.4ice die Dateien heraussuchen ließ, auf die der feindliche Decker keinen Zugriff gehabt hatte.
„Wie ist das möglich…?“, fragte der Pirat gedankenverloren. Das Suchprogramm hatte bis auf ein einziges Programm alle Dateien aussortiert, und einzig und allein der Name des ersten Weisen aus dem Morgenland war noch auf dem Bildschirm zu sehen.
„Balthasar.dat hat den verdammten Hacker gestoppt.“
„Wenn es kein Cop war…“, fragte Zea, „Wer zur Hölle war es dann? Wir sind nicht gerade die reichsten Piraten in Seattle.“
Der Zwerg drehte vorsichtig seinen Stuhl um und sah Sarah nachdenklich in die Augen, woraufhin das das Engelmädchen berührt seinem Blick auswich.
„Also entweder hat es irgendwas mit unserem kleinen Phantomprogramm zu tun, oder du hast dir eine Mottenkugel an Bord geholt.“
Sarah zuckte zusammen, aber der Pirat nahm sie in den Arm, woraufhin das Mädchen abermals errötete.
„Wenn sie eine Mottenkugel ist,…“, meinte er lächelnd und strich sich über die Waffen an seinem Gürtel, „…dann sollten die Motten aufpassen, dass sie nicht daran verrecken!“
Darke hatte genug gehört, Eels geistiger Zustand spielte in diesem Moment nur eine schwindend kleine Rolle, obwohl der Magier nicht einschätzen konnte, ob der Traumdecker seine eigene Niederlage verkraften würde. Die festen Schritte führten den Azteken durch die Anlage, als er den Transceiver vor sein Gesicht hielt. Auf der anderen Seite der Verbindung meldete sich die Stimme seines neuen Sicherheitschefs.
„Ihre Anweisungen?“
„Machen sie sofort alles für den Einsatz des Alpha-Teams bereit, wir gehen auf Engeljagd.“
„Wird gemacht, Sir.“
„Aber warten sie, bis ich zu ihnen stoße.“
„Jawohl.“
Gruumsh schluckte, als das säuselnde Geräusch aus dem Transceiver verschwand. Der neue Posten des Sicherheitschefs, den man ihm angeboten hatte, nachdem er die Begegnung mit den Runnern „unter mutigem Waffeneinsatz“ überlebt hatte, war ein gewaltiger Schritt auf seiner Karriereleiter, aber die dunkle, raue Stimme seines Vorgesetzten verursachte jedes Mal ein Schaudern in ihm. Egal, die Bezahlung war gut, und irgendwie musste er ja für seine frischvermählte Frau sorgen. Es stand auf und gab die Anweisungen für die Spezialeinheit des Aztec-Konzerns. Dann schulterte er sein automatisches Gewehr und atmete tief durch.
Der eisige Wind zerschnitt die Dunkelheit des nächtlichen Himmels der nordamerikanischen Metropole, als der Magier das Dach der Forschungseinrichtung erklomm. Dieser Platz hatte, abgesehen von Darke, seit einer sehr langen Zeit keine Menschen mehr gesehen, und doch war er bewohnt.
„Tochter?“, rief der Magus und seine Robe flatterte wild um den Körper. Statt einer Antwort bekam er allerdings nur ein leichtes Zischen zu hören, als sich eine Gestalt aus der Dunkelheit löste.
„Ja, Vater?“
Die Stimme schien ungeeignet, ein Wort wie „Vater“ in den Mund zu nehmen, allerdings waren auch die Umstände alles andere als gewöhnlich. Die Winde schienen in dieser Höhe die Macht eines Wirbelsturms in sich zu haben, aber Senôr Oscuro schritt leise nach vorn.
„Die Zeit ist gekommen, Shiaranha, die Zeit, dich den Menschen zu zeigen, die Zeit, das Erbe deiner Mutter Quetzacotl anzutreten.“
Shiaranha hatte die Gestalt einer geflügelten, menschengroßen Schlange, und wer sich mit den Echsen auskannte, wusste, dass es sich bei dieser Größe noch nicht um einen besonders alten Drachen handeln konnte. Darke hatte das Ei der geflügelten Schlange dreißig Jahre zuvor in einem Bergdorf in Peru entdeckt. Nun gehörte es zu der unglaublichen Menge an Geheimnissen, die der Aztec-Konzern in seinen Forschungsanlagen untergebracht hatte. Es war nicht erwiesen, dass Shiaranha tatsächlich ein Nachkomme Quetzacotls war, allerdings gab es keinen Hinweis, der diese Verwandtschaft widerlegte.
„Wird meine Mutter mir zusehen?“, fragte das Drachenmädchen mit naivem Blick, den Darke mit einem Lächeln erwiderte.
„Gewiss, Tochter, gewiss. Deine Mutter wird sehr stolz auf dich sein.“
Quetzacotl war kein „einfacher“ Drache gewesen. Die Azteken hatten in ihr einen Gott gesehen, und die Bewohner des Landes Aztlan, 3500 Jahre später, taten es ihnen gleich, jeder Bauernsohn in dem ganzen Land verehrte Shiaranhas Mutter.
„Gewiss.“, wiederholte sich der Magus und streichelte den schuppigen Leib des Drachens.
„Es wird Zeit für eine neue Göttin.“
Siegfried Runge zitterte am ganzen Körper, und seine Augen waren weit aufgerissen. Die Dunkelheit seiner Zelle warf düstere Schatten in seine Augenränder.
„Balthasar…“, keuchte er, und der Mann spuckte Blut, „…ich komme!“
Dann schloss er die Augen und sein Körper fiel zu Boden. Der Mann materialisierte sich einen Augenblick darauf in der Matrix, in einem beliebigen Rechner in Seattle. Die ganze Stadt war sein Deck.
„Balthasar!“, schrie Eel nun, „Komm raus und kämpfe!!“
Seine Augen zeigten einen krankhaft lächelnden Gesichtsausdruck, als die unzähligen Schlangen zu allen Richtungen des Computernetzes ausströmten, um den zweiten Engel zu finden.
Demon.4ice erschrak, als das Abbild des nackten Mannes mit dem wirren schwarzen Haar in seinem Netz erschien, und bevor er sich versehen konnte, hatten die dunklen Aale, die um seinen Körper geglitten waren, den Großteil seiner Systemprogramme umschlossen.
„Wer bist du…?“, fragte der Zwergendecker gedankenverloren, als ihm zwei Dinge auffielen. Der Angreifer war der Gleiche, der früher am Tag schon einmal in sein Deck eingedrungen war, und zudem meldeten Knotenpunkte überall in Seattle die gleichen Daten. Der Traumdecker suchte nach etwas, und sein Analyse-Programm schien die ganze Stadt zu umfassen. Plötzlich verschwand das Lächeln von Eels Gesicht, als sich auf dem Deck des Zwergendeckers etwas tat. Die schwarzen Schlangen kreischten kurz und lösten sich dann urplötzlich auf, als sie von einem übernatürlich hellen Licht getroffen wurden. Demon.4ice schluckte, da Balthasar.dat sich aktiviert hatte. Das Licht konzentrierte sich in einem Punkt, und im nächsten Moment war eine neue Persona in der Matrix entstanden. Ein Engel, mit wallendem, schwarzem Haar und einem Schwert, das in Flammen gehüllt war. Eel lächelte.
„Ich hab dich gefunden, mein Engelchen.“
Demon.4ice war mit dem virtuellen Angreifer beschäftigt, während Sarah direkt neben dem Raum des Deckers am Bug des Schiffes stand und auf das nächtliche Seattle schaute. Zea hatte seinen Arm um ihre Schultern gelegt und lauschte der sanften Stimme des Mädchens, die ihm in den letzten Stunden ihre Lebensgeschichte erzählt hatte. Nun verstand der Piratenkapitän alles, aber er brachte kein Wort heraus. Kurz schaute er in die Augen des Engelmädchens, dann trafen sich ihre Lippen. Sarahs Flügel stellten sich auf, und als sie ihre Arme um seine Taille schlang, gingen einige weiße Federn vor dem fahlen Licht des Mondes auf der Wasseroberfläche nieder.
Eine andere junge Frau hatte den Glauben an das Gute längst verloren, die dreckigsten Arbeiten gemacht und sich mit den billigsten Better-Than-Life-Chips einen trügerischen Schimmer Hoffnung erträumt. Sie war 13 Jahre alt, ihre Eltern waren tot und sie lebte auf der Straße, vom Müll und der Gnade der Reichen. Doch das alles waren Probleme, die sie mit unzähligen anderen Jugendlichen teilte, mit der Sorge, die sie momentan quälte, war sie dagegen ganz alleine. Sie strich sich über den Bauchansatz, den sie seit wenigen Tagen hatte und spürte dabei das Kind, welches mit seinen kleinen Händen gegen die Wände ihres Körpers schlug. Das Mädchen hieß Maria und war noch Jungfrau.
Dann erschrak sie, denn eine Person war in der Gasse erschienen. Maria spürte Angst, doch irgendetwas an dem Fremden gab ihr Vertrauen, ein Vertrauen, das sie nicht erklären konnte, denn die Person wirkte nicht gerade wie ein Samariter. Sein ganzer Körper war mit dreckigen Mullbinden umhüllt, und an den Stellen, wo diese abgefallen waren, erkannte Maria verbranntes Fleisch. Er kam näher und legte ihr die mumifizierten Hände auf die Schultern.
„Verstehst du, was mit dir geschieht, Maria?“
„Nein…“, antwortete sie fasziniert und verstand, dass es die Augen des Fremden waren, welche ihr Vertrauen gaben.
„Nun ja.“, lachte er sie an und zeigte auf den Bauch der Schwangeren, „Das nennt man unbefleckte Empfängnis. Die Letzte, der so was passiert ist, gilt heute als Heilige.“
Das eine Auge des Fremden leuchtete in einem seltsamen Rot, wogegen die Iris des zweiten dagegen in einem goldenen, angenehmen Farbton schimmerte. Wisdom grinste und legte ihr den Arm um die Schulter.
„Ich bin nur der Erste, der dich gefunden hat, die Anderen werden den drei Engeln folgen.“
Maria verstand nicht, von was der Mumifizierte redete, aber es erschien ihr … richtig.
„Ich hoffe nur, du hängst nicht allzu sehr an diesem Kind…“, fuhr er fort und blickte mit traurigen Augen in die Nacht.
„Wieso?“, fragte Maria nur, denn die Traurigkeit im Blick des Fremden griff auch auf ihr Gemüt über.
„Nun ja…“, antwortete Wisdom, ohne sie anzuschauen, „Das Kind der heiligen Maria hatte auf dieser Welt kein besonders schönes Schicksal.“
Maria lächelte und folgte dem Adepten in die Nacht.
„Ich weiß nicht, von was du redest, ich bin keine Heilige. Und ich weiß nicht einmal mehr, wie ich überhaupt schwanger geworden bin.“
Wisdom sprach weiter, ohne sie anzusehen.
„Glaubst du an Gott?“
Das Mädchen schüttelte stumm den Kopf, aber der Fremde lächelte sie nun an.
„Vielleicht wird es jetzt Zeit, damit anzufangen.“