Ich versuche, so weit ich mich erinnere nach dem Buch vorzugehen. Es ist nützlich, sich stets vor Augen zu halten, dass Foucault nicht über "Sex an sich" spricht, sondern über Ideensysteme welche sich um diesen Gebildet haben und deren Funktion in unserer Gesellschaft:
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Foucault fasst unter anderem diese Entwicklungen unter dem Begriff des Sexualitätsdispositives zusammen. Damit sind machtstrategische Verknüpfungen von Diskursen und Praktiken gemeint, die sich rund um das Thema der Sexualität zu dieser Zeit bilden.
Das Sexualitätsdispositiv wird zunächst im Bürgertum wirksam, das bald damit begann

„seinen eigenen Sex als wichtige Sache, zerbrechlichen Schatz, unbedingt zu erkennendes Geheimnis zu betrachten.“

Heisst was?
Bzw. wenn "sein eigener Sex" als "Geheimnis" betrachtet wurde, wie konnten dafür allgemeine soziale Normen entwickelt werden? Soziale Normen werden doch erst durch soziale Interaktion geschaffen und weitgegeben.
Es ging darum, dass das bürgertum sich eine neue Sexualideologie ausbildete die aus der katholischen Sexuallehre und den neuen wissenschaftlichen Methoden zusammengefügt waren. Notwendig wurde dieser Schritt um sich von der Knute des Adels und seiner Behauptung der vormacht durch Abstammung (Abstammungslehre - Adel stellt sich als durch Vererbung besser an die Aufgabe der Herrschaft angepasste "Art" dar. Reste dieser findet man noch um 1908 bei Gurijeff) außer Kraft zu setzen.
Die Sache mit dem Geheimniss übernahm man von den im Laufe der Jahrhunderte überhand nehmenden Bußregelungen bez. Sexualität - wo früher noch genügt zu sagen "Vater, ich habe gesündigt nach dem und dem (z.B. "Begehrt meines nächsten Weibes")" kam man so weit, dass es notwendig wurde das Erlebniss der Sünde von der Ersten Regung an bis zur (unter Umständen) erfolgten Ausführung in vollem emotionalen und physischen Detail wiederzugeben. Daduch stieg die Zahl jener, die Sexualsünden begannen rapide an und in den Köpfen bildete sie die diffuse Idee, dass Sex "wichtig" sein könnte. So entstand die Norm des "Geheimniss" und der "Wichtigkeit" ohne wirkliche großflächige Soziale Interaktion.

Das Bürgertum übernahm diese strategie und kombinierte sie anstelle mit dem Dienst am Herren und der unsterblichen Seele mit dem "Dienst an der Wissenschaft". Die Methoden (peinliche Befragung und Verpflichtung zur Antwort durch höhere Autorität) blieben dieselben.

Das "Reden über Sex" als bildungspolitisches Programm kam mit der Aufklärung zusammen auf (eine Reihe von Schriften der Zeit sollten über Amazon erhältlich sein) und verbreitete sich hauptsächlich unter bildungsbegeisterten Adeligen. Bis 1800 allerdings versank das tonangebende Frankreich in einem Zeitalter der Dekadenz, in dem dieses Wissen produktiv genutzt wurde um sein Leben mit Sex zu verbringen und ab diesem Zeitpunkt an definierten sich die Bürger als die protestantisch-Asketische Schicht, die zwar über Sex weiß, ihn aber im Gegensatz zu den Adeligen, die daran zugrunde gegangen sind mit neuen Wissenschaften unter Kontrolle halten. Diese Kontrolle äußerte sich in verschiedenen Repressionen gegen Sexualität, z.b. da Onanietabu, welches dazu führte dass man Internate und Kinderzimmer so baute das die armen Jungs sich nur noch schwer unentdeckt einen runterholen konnten und das man übermäßigen Sex im Seitenhieb mit Krankheiten verband (die Rückgradverkrümmungen durchs wichsen, z.B.) hier kommt
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Außerdem erhält die Gesundheit eine gesellschaftliche Aufwertung, es ist auf einmal von Bedeutung, sich um die eigene Gesundheit zu kümmern, sich gesund zu erhalten und diese Auffassung ist bis heute eng verknüpft mit dem Verständnis von Subjektivität. Die Sorge um die Sexualität war untrennbar mit der Sorge um die Gesundheit verbunden. Dieser Sorge inhärent ist die Abgrenzung vom Unerwünschten, von allem was bedrohlich, fremd und anders ist.
War es davor nicht wünschenswert gesund zu bleiben?
ins Spiel. Gesundheit war davor zumindest kein Gut, welches man um seiner Selbst willen, bzw um seiner Implikationen eines Lebens geprägt von wirtschaftlichem Aufstieg durch Wissenschaften wie es das Bürgertum für sich ausmalte schätzte. Die Bürgerschicht schuf ein ideologisches Konglomerat aus Sexus und Wissenschaft, hier besonders den medizinischen dieser betont in dem "gesund sein" hieß, dass man a) Im Gegensatz zum Adel seinen Sexus mäßigte und b) Im Gegensatz zum Adel dies tat weil man den Wissenschaften und nicht der Religion folgte.
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Für Foucault ist die logische Folge einer Machttechnologie, die sich auf das Leben richtet, die Normalisierungsgesellschaft. Weil es darum geht, das Leben zu sichern und auf eine bestimmte Art und Weise zu organisieren, werden die Subjekte an einer Norm gemessen, sie werden an ihr ausgerichtet und müssen vor ihr bestehen.
Die Menschen müssen also um von dieser "Lebensmacht" bevorzugt zu werden, sich immer mehr an Normen anpassen, richtig? Aber das war doch zuvor auch schon so, um nicht der "Todesmacht" zum Opfer zu fallen.
Ist nun ein wenig klarer, wie es zu den "Normen" kam? Zuvor gab es für den Staat (den Adel) keinen Grund und keine Methode um in die Bevölkerungsentwicklung einzugreifen da alles Gottgegeben war. Erst mit Aufklärung, Vereinigung Frankreichs, Ausbreitung des Athesimus und Einführung des Merkantilismus begann die staatliche Kontrolle der Gesellschaft da Merkantilismus eine stabile Zahl an Arbeiter und Bauern benötigt um reibungslos Geld zu produzieren (Geld, das Gut welches die Bürger sich eigen machten). Man sollte im Hinterkopf behalten, dass Franzosen öfters als nie Frankozentrisch schreiben oder in dieser Weise ausgelegt mehr Sinn ergeben. Im Mittelalter waren Förderungen populären Meinungen nach nicht von nutzen, nur Übertretungen des gottgegebenen Systemes wurden mit Leibstrafen geahndet.


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Das Zitat besagt also dass Macht heute ist Leben zu erhalten oder zu verkürzen? Der Souverän ist der Staat in diesem Zitat, oder?
Korrekt. Bezieht sich darauf, dass der Staat dazu übergegangen ist, bevorzugte Bevölkerungsschichten mit medizinischer Versorgung, Vergünstigungen u.Ä. zu bemuttern und versucht deren fortpflanzug zu begünstigen
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Ein extrem wichtiger Eingriffspunkt der neuen Macht ist der Sex. Er erlaubt den Zugang zum Individuum und über ihn funktioniert auch die Kontrolle der Bevölkerung. Er wird zu einer Angelegenheit des Staates und dem Gesundheitswesen sowie den Regeln einer Normalität untergeordnet.
Inwieweit haben Staat und Gesundheitswesen Einfluss auf den Sex? Und wie ordnet sich der Sex den Regeln unter? Wie reguliert die Bio-Macht dadurch das Bevölkerungswachstum?
Weiß ich nicht mehr.
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Aber beim letzten Abschnitt verstehe ich nicht so recht, was das mit Biomacht nun zu tun hat. Soll das soviel heissen wie das die Selbstführung nun auch von der Regierung kontrolliert wird?
Die Ideologie der Selbstfürung, einst von vielen Menschen gemeinsam entwickelt wurde nachdem einige davon in Regierungsämter kamen zur Staatsideologie und da diese eine größere Weisungs- und Gestaltungsmacht hat als jede andere Gruppe innerhalb des Staates bstimmte sie die weitere Entwicklung des Regelwerkes.

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Stellt sich Foucault das ganze Biomacht-Dingsbums als gesellschaftliche Entwicklung, die einfach so gekommen sei, oder als grosse Verschwörungstheorie seitens der Regierung vor?
Liest man die Bücher, könnte man zweiteres glauben allerdings waren die "Köpfe" der Verschwörung dann das, was man heute Firmenchefs und Handelsvertreter nennt und nicht die Regierungen. Mit dem Verfall des Aldessystemes gelangten diese natürlich in die Regierungen und setzten ihre Ideale dort weiter fort aber ich würde dies nicht unbedingt als Ergebniss einer Weltverschwörung bezeichnen. Wäre dem so, verschwören wir uns in diesem Moment ebenfalls.
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Vieleicht sollte ich mir wirklich die Bücher zulegen, obwohl ich denke, dass ich danach noch mehr Verständnisprobleme habe.
Auf jeden Fall, allein schon um Fehler und Ungenauigkeiten bei mir ausbessern zu können.