Zitat
Sei vorsichtig mit Vorhaltungen gegenüber anderen
Anderen Vorwürfe zu machen, um ihre Verfehlungen zu korrigieren, ist als Ausdruck von großer Gnade und Mitleid einer der wichtigsten Dienste, die von einem Gefolgsmann erwartet werden. Das erfordert ein extremes Maß an Taktgefühl.
Es ist einfach, das Gute und Böse in einem anderen herauszufinden; gleichermaßen ist es einfach, ihn für seine Verfehlungen zu kritisieren. Viele Menschen halten es für angebracht, anderen offen Ratschläge zu erteilen über etwas, was nicht bereitwillig akzeptiert wird und als Thema schwer anzuschneiden ist, und geben auf, wenn die Ratschläge nicht angenommen werden. Das nutzt niemandem, weil andere so nur der Scham und dem Gesichtsverlust ausgesetzt werden.
Solche Ratschläge beruhigen lediglich den Geist des Ratgebers. Bevor man einem anderen Rat erteilt, muß man zuerst feststellen, ob der andere sich in geeigneter Verfassung befindet, mit einem für Belehrung offenen Geist, und dann so familiär mit ihm werden, daß er dem Ratgeber vertraut. Man muß hin und wieder die Aufmerksamkeit des anderen erregen, indem man auf dessen Neigungen und andere Dinge, die ihn interessieren, eingeht. Dann muß man sorgsam die beste Zeit und Methode auswählen und die beabsichtigte Belehrung beiläufig einfließen lassen, ohne direkt zu belehren, sondern in Form von gelegentlichen Briefen, Abschiedsbesuchen oder diskretem Gespräch über die eigenen Mängel und Schnitzer.
Wahres Belehren liegt darin, den anderen die Ermahnung ganz natürlich schlucken zu lassen, wie Wasser in einer durstigen Kehle, wie eine Kur für die Verfehlungen des anderen, nachdem man ihn durch Loben seiner Stärken aufgebaut hat. Belehren ist eine schwierige Aufgabe.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß Fehler, die normalerweise langlebig sind, nicht auf üblichem Wege wettgemacht werden können. Wahre, große Gnade und Mitleid offenbaren sich, wenn sich Gefolgsleute eines Clans untereinander in Brüderschaft zusammentun, des anderen Schwachpunkte korrigieren und sich anstrengen, ihrem Fürsten als ein Mann zu dienen. Wie kann jemand dieses letztgültige Ziel erreichen, wenn er andere bloß der Scham aussetzt?
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