Villon amtete schwer. Der Kampf hatte stärker an seinen Kräften gezerrt, als er es für möglich gehalten hatte. Die Stärke und Leidenschaft, mit denen die Kämpfer des Lichts eine Schlacht führten, die sie unmöglich gewinnen konnten, überraschte Villon und hätten ihn fast vernichtet. Doch die Eigenschaft der Dunkelheit ist es, ewig zu währen und nicht vernichtet werden zu können. Egal wie viel Licht man in die Welt brachte, Finsternis und Bosheit würden weiterhin existieren und sogar mit dem Licht verschmelzen. Aus diesem Grund war Villon wieder gefasst, als der Angriff von Kiro ausging.

Die Welt veränderte sich, sie stand niemals still und kein Tag war wie der andere. Selbst geregelte Leben sahen sich immer wieder mit dem Problem der Wahl konfrontiert, die den geplanten Ablauf ins Wanken geraten lassen. In einer schnelllebigen Welt, die Ruhe nur dann zulässt, wenn man bereits tot ist, war es wichtig, geradezu essentiell, flexibel zu sein. Immer die beste Möglichkeit aus den gegebenen Umständen sehen und nutzen, war mitunter eine der elementarsten Grundlagen für einen Führer und für einen Helden.

Villon machte sich dies zu nutze und dankte den Neuankömmlingen für ihre Hilfe, die doch eigentlich den gepeinigten Menschen der Stadt hatte gegolten, doch durch den Wink des Schicksals nun zu Gunsten des Magiers ausgelegt worden war.
Villon nahm den Stab in seine linke Hand und konzentrierte sich nur kurz auf ein Artefakt, das er lange nicht mehr eingesetzt hatte. Durch den Tot der Weisen und dem allmählich schwindenden Licht wurden Grenzen gesprengt und Macht konnte fließen. Sie konnte gegeben und auch wieder genommen werden. Jetzt sollte Villon nehmen.

Das Dreieck flammte auf, pulsierte stärker und wärmer und sandte warnende Wellen aus, bevor Myriaden von hauchdünnen Fäden daraus sprossen und sich ihren Weg suchten, nicht in die Körper oder Geister der lichten Krieger, sondern in die Wesen der Finsternis, die vor den neuen Streitkräften der Guten flohen und auf Vergebung und Gnade hofften. Wenn ein Faden sein Ziel getroffen hatte, war es um das Wesen geschehen. Mit der Geschwindigkeit der Finsternis entriss Villon Leben und Kraft und saugte sie tief in sich hinein. Auch Shiro wurde nicht verschont und ein leises Stöhnen entrang seinen Lippen, als die Macht, die Villon ihn bereitwillig gegeben hatte, mit brachialer Grausamkeit wieder genommen wurde. Mit Schrecken konnten die Anwesenden sehen, wie Villon erstarkte, seine Wunden sich schlossen und die Monster, Marionettengleich, als Vorhang vor Villon geschoben wurden, um Kiros Angriff abzufangen.

Als sich der Rauch legte, und die Augen sich wieder an die Düsternis in der Stadt gewöhnt hatten, sahen sie plötzlich ein gleißendes Licht, welches sie zu Boden schauen lies. Die, die den Blick dennoch hoben, sahen eine Gestalt, die schlimmer war als jeder Alptraum. Villon, mit kalten Blick und schwarzen Augen, verschränkte die Arme vor die Brust und strahlte Kraft und Entschlossenheit aus. Diejenigen, die bisher tapfer gekämpft und für ihre Sache eingestanden waren und vor allem noch lebten, wollte schier der Mut vergehen und die Verzweiflung sie packen.

„Genug!” donnerte Villon, „Wahrlich, ihr habt tapfer gekämpft, mit Feuer in euren Augen und Entschlossenheit in euren Herzen. Das Licht kann sich glücklich schätzen, solche Krieger zu haben. Ich muss zugeben, ich habe euch alle unterschätzt und hätte dafür fast teuer bezahlt. Doch nun ist Schluss. Das Licht hatte seine Chance und hat versagt. Mit Schwertern, Fäusten, ja sogar mit Magie seid ihr auf euren Feind, mich, zugestürmt und hättet doch versuchen sollen, mit bloßen Händen eine Flut einzudämmen! Ich bin Schatten und Dunkelheit, den die Menschen seit jeher fürchten. Ihr könnt mich nicht mit Licht oder Klinge besiegen. Ihr seht in mir etwas, das vernichtet werden muss und Leid und Trauer über die Welt bringt, in der Menschen und anderes Ungeziefer friedlich nebeneinander leben und glücklich sind.“ Die Worte „friedlich“ und „glücklich“ würgte Villon geradezu herauf. Die Menge wurde stiller, wie es immer der Fall ist, wenn Villon spricht, doch die Waffen wurden fester umschlossen und der Wille zu töten konnte nicht ewig im Bann dieses Monsters bleiben, dass wussten die Krieger.
„Doch habt ihr keine Ahnung, von was ihr redet! Bosheit ist nichts, als ein Standpunkt und so etwas kümmert mich schon lange nicht mehr. In Wahrheit, und das werde ihr sehr bald erkennen, ist es das Licht, welches das wahre Böse ist, denn es vertrieb mich aus meiner Welt, um Platz für solchen Abschaum wie euch zu machen. Das Licht, welches ihr verzweifelt sucht und hofft, es eines Tages zu finden, vernichtet ebenfalls Leben, zerstört Existenzen und lässt Hoffnung sterben! Ihr hasst mich? Nein, ihr bewundert mich. Hört tief in euch, sucht nach eurem Herzen und hört das, was es wirklich sagt. Die Dunkelheit wird von euch gefürchtet, weil sie frei macht. Der Tag ist angefüllt von Sitten, Verboten und Tabus. Doch an Orten, an denen alle Lichter erloschen sind, gibt es keine Regeln, keine Gesetze nur das eigene. In Wahrheit sucht ihr einen solchen Ort, doch eure Feigheit lässt euch nicht los. Ihr hasst mich? Oh nein. Aber seit unbesorgt. Eure Angst wird bald verschwinden, genauso wie eure Sorgen. Denn mit der Hilfe von Villon, meinem treuen Diener und Sohn, werde ich meinen alten Platz wieder einnehmen.“

Gespenstische Stille legte sich wie ein Schleier über die Stadt, als die Worte des Magiers in die Köpfen der Zuschauer und Flüchtlinge drangen und dort wurzeln schlugen. Die Worte „Nein, ihr bewundert mich.“ hallten in den Gedanken der Menschen wider und immer sahen sie das ausdruckslose Gesicht mit den schwarzen Augen vor sich. Das Gesicht des Mannes, der es allein mit einer Armee aufgenommen hatte und noch immer stehen konnte. Ein Alptraum in menschlicher Gestalt, mit der Kraft von Finsternis und Schatten.
Villon trat einige Schritte auf Kiro zu, beugte sich zu ihm herunter schmetterte ihn mit einem einzigen Gedanken zu Boden. Er riss das Horrorkid wieder auf die Beine und umschloss die Kehle wie mit einem Schraubstock. Zwar versuchte sich Kiro zu wehren, doch unter Villons bannenden Blick versagten ihm die Kräfte und seine Schwerter fielen ihm aus den erschlafften Händen. „Du, der du es gewagt hast, zuzugeben, meine Tochter, Villons Schwester, getötet zu haben, wirst auf ewig, noch über deinen Tot hinaus, den Schmerz, den sie erdulden musste, als Strafe in dir tragen. Niemals sollst du Frieden finden oder Glück, solange die Dunkelheit währt.“ Villon zischte diese Worte und warf ihn wieder auf die Strasse. Doch bevor er sich von ihm abwandte, sprach er ein Wort und rammte seinen gleißenden Topas in den Körper des Horrorkids. Als der Magier den Stab wieder hervorholte, war keine Wunde zu sehen, doch ein übernatürlicher Schmerz pulsierte nun in der Brust Kiros.

Villon bemerkte, wie die anderen auch, dass der Bann, den seine Stimme und seine Augen auf die Menschen verhängt hatten, langsam nachließ und sie ihren alten Willen wiederfanden. Fast automatisch setzten sie sich wieder in Bewegung, doch es war Alomar, der den Kampf wieder eröffnete, indem er einen weiteren Pfeil, mit einer Spitze aus Quarz, au den Magier abschoss. Schockiert stellte er fest, dass Villon verschwunden war und Schatten und Rauch sich plötzlich um ihn wallten. Alomar wollte davonrennen, doch ein plötzlicher Wind, hervorgerufen von dem Magier hinter ihm, hob ihn in die Luft und schleuderte ihn weit in die Zitadelle der Zeit. „Sei die erste Nahrung für Vasté!“ grollte Villon und richtete seine Aufmerksamkeit auf die herannahenden Truppen. „Solltet ihr wirklich vorhaben, Villon zu finden und zu stellen, so sucht ihn in der Wüste.“ waren die einzigen Worte, bevor Villon und Shiro von einer Wolke aus Giftnebel eingeschlossen und davon gebracht wurden, weit außerhalb der Stadt, fern von den Kämpfern und den Schrecken, die sich nun über die Stadt ausbreiten würden. Vasté, neuer Wächter der Zitadelle der Zeit, würde bald erwachen und für Terror sorgen. Villon musste lachen, denn Vasté war anders als die anderen. Ganz anders. Die Zitadelle selbst würde zur Falle werden, uneinnehmbar, eine Feste der Zeit, eine unzerstörbare Bastion des Terrors. Vastés Kraft würde wachsen, mit jeder Seele, die sich in die Hallen der Zitadellen verlaufen sollte.

In Hyrule wunderte man sich währenddessen. Die Monster waren tot, der Magier geflohen. Zwar war die Stadt beinahe zerstört, doch der ganze Angriff schien keinen Sinn zu machen. Die Kämpfer des Lichts, obwohl sehr angeschlagen und somit eine leichte Beute für das Monster, lebten. Todesfälle unter den Bürgern der Stadt waren gemeldet worden, doch der Grossteil hatte sich in Sicherheit bringen können. Die Frage nach dem Motiv wurde immer lauter.

Doch da war etwas, was noch viel lauter war. Hilferufe, Schreie, Flehen. Alle schienen sie kurz hinter einen zu erklingen, doch wusste jeder, dass es Stimmen aus der Zitadelle der Zeit waren. Kinder, Frauen und Männer flehten um ihr Leben, beteten zu den Göttinnen und hofften auf Erlösung. Viele folgten den Ruf und betraten die Zitadelle, woraufhin die Rufe nur stärker wurden. Menschen, die nicht den Mut oder vielleicht den Verstand hatten, nicht in die Zitadelle zu gehen, sondern einfach nur durch das geborstene Tor zu spähen, bemerkten verblüfft die vielen schwarzen Statuen, deren Augen in der seltsamen Dunkelheit wie Dämonenfeuer brannten. Die, die den Mut aufbrachten und den Menschen in den heiligen Hallen helfen wollten, erblickte man kurz nachdem sie die Zitadelle betraten, in erstarrter Position. Seile, die geworfen wurden um die Menschen herauszuziehen, blieben mitten der Luft hängen und wurden beim Versuch es wieder zu sich zu holen, abgerissen. Kleine Steinsplitter hingen in der Luft wie Schneeflocken und kein Windhauch regte sich in den Gemäuern. Es war totenstill, doch die Rufe hörten nicht auf....