”Man muss kein Idiot sein, um zu erkennen, wo hier das Zentrum und der Ausgangsort dieser Katastrophe ist. Und wenn du damit ein Problem hast und dich lieber feige in den Schatten verstecken willst, anstatt die Waffen zu erheben und zu kämpfen, dann geh mir aus den Augen!“ schrie Alomar seinen ehemaligen Freund ins Gesicht, um den Lärm des Kampfes zu übertönen. Senyn, ehemaliger Nichtsnutz und Tagträumer, der das ersparte seiner Frau mit Wonne in der Taverne versoff, blickte schockiert in das ansonsten gütige Gesicht seines Freundes. Die letzten Stunden hatten viel zu viel in den Leben der Menschen geändert, auf eine dramatische Art und Weise, die niemand wohl jemals vergessen könnte. Zitternd saß die kleine Gruppe von Männern in einer dunklen Ecke, geschützt vor den unheiligen Blicken der wandelnden Leichen und grässlichen Baumwesen, die durch die Strassen pattroulierten und unweigerlich alles töten würden, was sie zwischen die grotesk verformten Finger bekämen.
Vorsichtig spähte Alomar über die Barrikade aus Kisten, die notdürftig errichtet wurde, jedoch nur Sichtschutz bieten sollte und bot, und hoffte, dass der Weg zu der Zitadelle der Zeit frei sein würde. „Woher willst du das wissen? Diese Monster sind einfach überall! Es gibt kein erkennbares Muster in ihrer Vorgehensweise und, bei den Göttinnen, sie bekämpfen sich sogar selbst! Woher willst du also wissen, dass die Zitadelle der Knotenpunkt dieses Wahnsinns ist?“ Alomar knurrte etwas und hockte sich wieder in den Schatten. Bisher waren sie mit blauen Augen davongekommen. Diese Monster sind keinesfalls unbesiegbar und einfacher Stahl genügte, um ihre verbotene Existenz zu beenden. Sie waren stark, ja, aber Alomar und seine Kämpfer, bestehend aus Händlern, Schneidern und normalen Bürgern, hatten wiederholt gezeigt, wozu Menschen im Stande waren, wenn sie etwas beschützen wollten. Zwar hatte ihr Anführer, ein Mann mit weißem Haar und Augen, so braun wie der Sand an den Gestaden des Hylia Sees, alles verloren, wofür es sich zu kämpfen lohnen würde, doch stritt Alomar tapfer und mit einem Eifer, dem sich besser nichts in den Weg stellen sollte, unter den anderen Kämpfern der Stadt.
„Ganz einfach: Man hat uns berichtet, dass es zwei Menschen unter diesen Bestien gäbe. Es ist schon seltsam genug, Wesen mit natürlichem Körper unter diesen Schrecken zu sehen, doch sollte es wahr sein, was Augenzeugen berichteten, ist einer von ihnen eine Shiekah. Zähl mal Zwei und Zwei zusammen.“ Senyn blickte immer noch skeptisch drein und wollte etwas erwidern, doch Alomar schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. „Sieh mal über die Kisten. Dann wirst du hoffentlich endlich verstehen.“ meinte er nur und Senyn lugte vorsichtig über den Rand der improvisierten Barrikade. Man hörte ein kurzes und ersticktes Keuchen, als Senyn den Grund für Alomars Sturköpfigkeit erblickte. Hastig zog er wieder den Kopf ein, und suchte Schutz im Schatten der hölzernen Kisten. Mit bleichem Gesicht blickte er die versammelten Männer an und seine Hand umfasste das Heft seines Breitschwertes fester. „Verstehst du jetzt, warum ich zu der Zitadelle will? Im Moment ist er abgelenkt und somit ein gutes Ziel für einen Überraschungsangriff.“ meinte Alomar, steckte sein Schwert in die Scheide zurück und griff nach seinem Bogen, den er auf den Boden gelegt hatte. Er überprüfte ein weiteres Mal die Sehne und wählte mit Bedacht einen Pfeil aus dem Köcher. „Jetzt werden wir mal sehen, was diese Bücher wert waren.“ murmelte Alomar und betrachtete die Pfeilspitze aus Quarz. Er spürte eine Hand auf seiner Schulter und blickte in das Gesicht eines einstmals freundlichen und lebensfrohen Bäckers der Stadt. Der Angriff dieser Monster hatte ihn mit einem Schlag alles genommen, für das es sich zu leben lohnen würde und mit feurigem Eifer hatte er sich Alomar angeschlossen, in der hoffnung etwas bewegen zu können und die Stadt aus der unheiligen Gewalt der Bestien zu befreien. Tatsächlich war ihm sein Körper und selbst seine Seele nicht mehr wichtig und so hatte er bereits nach der ersten Konfrontation mit den Untoten einen Arm verloren und tiefe Verletzungen davongetragen. Doch beim Anblick des Meisters dieser Unholde versagte ihm schier der Mut. Auch er war blass im Gesicht und seine Augen formten eine Bitte, die er mit dem Mund niemals hätte hervorbringen können. Den ganzen Kampf über, hatten in seinen Kopf nur zwei Themen Platz gehabt: der Kampf und der Sieg, doch jetzt schlich sich ein weiterer, ungebetener Gedanke ein. Es war eher ein Wunsch, der so elementar war, wie der Wunsch zu Atmen: Flucht. Niemand der zehn Kämpfer, die unter Alomars Befehl in die Schlacht zogen, mit ihren Waffen kaum umzugehen wussten, hätte sich je erträumen lassen, dass sie es wirklich mit dem Herrn dieses schrecklichen Schauspiels zutun bekommen würden.

Alomar nickte nur und sagte: „Ja, ich verstehe euch. Und ich kann euch nicht zwingen, hier zu bleiben. Ihr seid schon weit genug mit mir gekommen und wahrlich, ich hatte nicht gedacht, dass ihr mir tatsächlich folgen würdet. Ich danke euch für euer Vertrauen und kann es wirklich verstehen, wenn ihr nun gehen wollt. Bringt euch in Sicherheit, wenn ihr wollt, ich verstehe das. Aber bittet mich nicht, euch zu folgen, denn es ist mir ernst mit dieser Sache.“ Daraufhin schüttelte er die Hand ab, legte den Pfeil an und richtete sich langsam auf, den Bogen gespannt und zum Feuern bereit. Ein kurzes Murmeln und das Geräusch von schnellen Schritten erklangen hinter Alomar und mit einem Lächeln wusste er, dass er nun alleine war. Er atmete tief durch, zielte genau und schoss den Pfeil mit der Spitze aus Quarz auf den Fremden.

Villon, der gerade aus der Zitadelle gekommen war, blickte sich um und besah sich das Werk seines Dieners. Die Weisen waren tot, ein weiterer Teil des Pergaments war in seinem Besitz und die, die in diesem Kampf ihr Leben ließen, waren ein würdiger Tribut an die Finsternis, die mit der Vernichtung der Weisen immer mehr an Kraft gewann. „Shiro!” Shiro folgte sofort und von der Kühle und der abweisenden Ausstrahlung, die er Villon sonst immer entgegenbrachte, war nichts mehr zu spüren. „Shiro, unser Werk hier ist getan. Das Licht ist geschwächt und es muss nur noch ein Tempel aufgesucht werden, damit die Finsternis ihren Sieg erringen kann. Wir werden nicht noch mehr Zeit an diesem Ort verbringen. Unsere Kämpfer werden hier bleiben und mein Wächter schon bald auferstehen. Lass...“
Villon unterbrach sich und sein Stab zuckte nach vorn. Der Topas flammte kurz auf und erhellte einen Pfeil, der mit tödlicher Präzision auf Villons Kopf zuraste, doch im Flug noch von Shiros Schwert zerteilt wurde.