Ich würde das auf rein theoretischer Ebene betrachten:

Definition von "Lüge": Etwas als Tatsache hinstellen, was nach dem eigenen Wissen keine Tatsache ist

Wenn ich nun sage: "Im Stall liegt eine Kirsche" dann sage ich eigentlich "Im Stall liegt JETZT eine Kirsche"
Wenn ich nun nacher eine Kirsche reinlege, war meine Aussage dennoch eine Lüge weil eben zum Zeitpunkt des Aussprechens keine dort war, also das "JETZT" nicht gilt (und wenn ich nicht eine Zukunftsform gebrauche, dann sage ich still ein jetzt mit)

Eine Lüge wird als Lüge geboren und bleibt für immer eine Lüge weil man sie nicht ein zweites Mal aussprechen kann. Unabhängig davon ist natürlich, ob sie verwerflich ist oder nicht (und Lügen können selbstverständlich auch nicht verwerflich, ja sogar sehr positiv sein)

Zitat Zitat von valada
Damit ist das bewußte Nichterwähnen der Wahrheit doch auch schon eine Lüge, oder ? Wenn ich etwas verbal so verpacke, dass es mein Gegenüber ersteinmal anders interpretiert, als es gemeint war... ist das wirklich schon Lüge ? Oder hätte der andere nur "besser zuhören sollen" ?
>>Der Meister begab sich mit einem seiner Schüler auf eine Reise. Draußen vor dem Dorf trafen sie den Gouverneur, der irrtümlicherweise annahm, sie kämen, ihn in dem Dorf willkommen zu heißen. Er sagte also: "Ihr hättet euch wirklich nicht die Mühe zu machen brauchen, um mich zu begrüßen."
"Ihr irrt, Hoheit", sagte der Schüler. "Wir sind unterwegs auf einer Reise, aber hätten wir gewußt, daß Ihr kommt, hätten wir keine Mühe gescheut, Euch willkommen zu heißen."
Der Meister sagte kein Wort. Gegen Abend bemerkte er: "Mußtest du ihm erzählen, daß wir nicht gekommen waren, ihn zu begrüßen? Hast du bemerkt, wie blamiert er sich fühlte?"
"Hätten wir ihm aber nicht die Wahrheit gesagt, dann wären wir der Täuschung schuldig geworden."
"Wir hätten ihn überhaupt nicht getäuscht", sagte der Meister. "Er hätte sich selbst getäuscht."<<