Adventskalender - Ein sozialpsychologisches Phänomen
Wer kennt sie nicht, jene weinachtlich-kitschigen Pappkartons mit den 24 Türchen? Es gibt sie in allen Variationen, von der Low-Budget-Version mit einfachen quietschbunten Bildern hinter jeder Tür, über die allseits beliebten 08/15-Schokoladenkalender bis hin zu den ganz exotischen Deluxe-Stücken mit allem von Playmobil bis Absinth!
Mindestens genau so interessant ist es, sich das Verhalten der Leute zu betrachten, die im Besitze eines Adventskalenders sind. Von ihrer Einstellung zu diesem Brauch, der von tiefster Verachtung solcher heretischen Artefakte bis hin zu Hochpreisung und Verehrung reichen kann, bis hin zu jener interessanten Frage: Wie gehen sie damit um?
Die ursprüngliche Intension dieser netten Zeitmesser ist ja jeden Tag ein Türchen zu öffnen, um nicht den 24. zu verpassen und um abzulesen, wieviel Zeit einem noch bleibt um Geschenke zu holen, mit denen man versöhnlichen Tribut an Verwandte auf dem Kriegspfad zollt. Doch normalerweise bringt man weder die Einsicht noch den Willen auf, jenen Brauch 24 Tage durchzuhalten und leert den Kalender auf einmal, ehe man ihn dann am 24. fachgerecht entsorgt.
So war es bei mir auch bis ins letzte Jahr hinein. Jedes Jahr frägt das Familienoberhaupt wieder nach, ob wir nun endlich aus dem Alter raus wären und jedes mal nehmen wir die Gelegenheit, an kostenlose Verpflegung und Überzuckerung zu kommen, erneut wahr. Bis jetzt war es jedoch immer so, dass der Kalender nur höchsten eine Woche folgsam gehütet und ein Türchen nach dem anderen geöffnet wurde, ehe sämtliche Inhaltsstoffe, die extrahiert werden konnten, in unser Verdauungssystem eingeführt wurden.
Erst dieses Jahr vernachlässige ich den Kalender ganz und erst wenn mich die Lust auf einen kleinen Bissen packt, merke ich das ich schon wieder drei Türchen nicht geöffnet hab. Was mir auch ganz gelegen kommt.
Wie sieht euer Verhalten aus?
Verfügt ihr über den eisernen Willen, ein Türchen nach dem anderen zu öffenen und 24 Stunden Verzicht zu üben, ehe das nächste drankommt? Schlachtet ihr erst euer Meerschweinchen und öffnet jede Tür mit einer von Gregorianischen Gesängen begleiteten Zeremonie, ehe ihr aus dem zerlaufenenden Schokoladenstück erst die Zukunft vorhersagt und es dann mit anderen Kapuzenträgern brüderlich teilt? Schlingt ihr den Inhalt schon beim ersten Türchen mit Packung runter? Oder steht ihr mit Handzetteln auf der Hauptstraße, in denen ihr die Abschaffung und Verdammnis jener Symbole des Mammons und des Satans fordert?
Ladys and Gentlemen, Die Diskussion ist eröffnet!