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Ein neuer Tag, und endlich ist das Ofuro wieder offen! Kein Duschen mehr, Wee! Befriedigung aller eventuell vorhandener exhibiotistischen Triebe auf sozial verträgliche Art! Wee! Wieder einmal lege ich dem geneigten Leser ans Herzen, seine anerzogenen Hemmungen zu überwinden und es am Abend mit einem Bad zu versuchen.
Nach der Werbeeinblendung weiter mit dem Programm: Der Asakusa-Kannon-Tempel stand heute auf dem Programm. Der Legende nach wurde dieser an jener Stelle errichtet, wo ein paar Fischer eine Kanon-Statue aus dem Fluss Sumida fischten. Eine andere Legende, die mit diesen Riesenpatschen hier zusammenhängt, erzählt, wenn man gewissen Manga glauben schenken darf, dass die Kannon vor einem Oni in dessen Sandalen übers Meer geflüchtet ist und (wie viele andere Götter, haupts. indischer Abstammung) hier Asyl fand. Für all jene, die bei Kannon und sonstigen Göttern nur Bahnhof verstehen, es ist der Tempel mit der riesigen Roten Papierlaterne, von der ihr alle sicherlich schon einmal von vorne auf Photos irgendwo gesehen habt.
Von der Bahnstation aus kann man übrigens dieses Gebäude mit der abstrakten Flamme auf dem Dach sehen, fragt mich nicht wie es heist.

Vor dem Tempel hat man natürlich eine verzweigte Einkaufsstraße angelegt, in der man alles von gewöhnlicher Kleidung, Kimonos, Schwertimitaten, Spielzeug, Süßigkeiten Schmuck, Töpfereien usw erwerben kann. Besonders die Töpfereiware hat es mir angetan, ich mag Rakuarbeiten sehr gerne und ich wurde hier fündig. Diese grüne Teetasse habe ich meiner Ausstattung hinzugefügt. Sie leistet mir im Hotel beim Automaten gute Dienste und wird auch zuhause als äußerst nützlich erweisen, bin ich mir sicher. Nebenbei konnte ich im selben noch einige sehr schöne Vasen bewundern - eine mit grünblauen Phoenixfedern als Motiv hätte ich gerne mitgenommen, aber mir fehlt leider der Platz im Gepäck und das Geld. Trotzdem, es tut gut zu wissen wo ich mich, sollte ich einst eine eigene Wohnung haben, mit Blumenvasen eindecken werde. Es gab natürlich auch einige für europäischen Geschmack seltsamere Läden, wie z.b. einen, der sich auf Perücken zu spezialisiert haben schien. Angesichts dessen, dass ein Großteil der hiesigen Produkten von Touristen wohl als Omiyage erworben werden wunderte ich mich, wer denn so unsensibel sein könnte und einem Verwandten eine Perücke schenken könnte. Ich malte mit die entsprechende Szene etwa so aus:
"Danke, wie lieb von dir, dass du an mich gedacht hast! Nein, es wäre mir nie aufgefallen, dass mir das Haar ausgeht und selbst wenn, wäre es mir viel zu peinlich, mir eine Perücke zuzulegen! Ohne dieses großartige Geschenk hätte ich mir die Haare noch jahrelang über die blanken Stellen gekämmt, doch nun kann ich sie alle abrasieren, danke!"

Was Lokale anging, bei denen man sei Geld nicht in portable Waren umtauscht, so stachen zwei heraus: Ein Fungu-Restaurant, in dem man den Fisch an dem man sein Glück testet vor der Türe aussuchen konnte und einen Pachinko-Palor mit zwei den Eingang flankierenden Pferdeköpfen. Vielleicht sind diese normalerweise wirklich als Glücksbringer anzusehen, aber hier sahen sie eher beunruhigenderweise aus, als hätte das Ross vor seiner Köpfung Tubgirl und Goatse gemeinsam über sich schweben gesehen. Ein anderes interessantes Phänomen war die Präsenz von Keitai- und Schlüssel-Anhängern, Postern und Mauspads mit den Gesichtern von Stars und Starlets aus Funk und Fernsehen. Meine Begleiterin erwarb eine Reihe von Produkten mit den Visagen der Popsänger Gackt und Hyde und mockierte über die Überrepräsenz von Yon-sama. Wer sich nicht groß mit Zeitungen und J-Dorama beschäftigt hat das "Winter Sonatina"-Phänomen verpasst welches aus dem durchschnittlich attraktiven koreanischen Soapschauspieler Yon ein Phänomen machte. Hunderte von alleinlebenden Damen über zwanzig erklärten ihn plötzlich zum idealen Mann und begannen in Korealäden zu shoppen und Kimchi einzukochen um auf ihre baldigste Heirat mit dem Herren vorbereitet zu sein. Tausende versammelten sich angeblich bei seinem ersten Japanbesuch am Flughafen um zu kreischen wie Zwölfjährige. Der Kult um den Herren Yon scheint auf jeden Fall noch ganz gut in Fahrt zu sein, anders kann ich mir dieses Novelity-Item hier nicht erklären. Links im Bild können sie auch noch die Hälfte einer Getränkedose mit dem Brustportrait des Koreaners sehen.

Der Kannon-Tempel war übrigens auch jener mit den Statuen, welche Echizen in seinem Doppel mit Kaido zu seiner erfolgreichen Strategie inspirierte. Hier findet man die beiden Wächterstatuen und ihre verzerrten, die Laute "Un" und "Ah" hervorpressenden Münder.
Im Tempel selbst folgten wir dem uralten, erprobten Schema "Monkey does as Monkey sees.", ich indem ich mir bei diesen Kästen meine Zukunft in unverbindlicher Weise voraussagen ließ. Dies ist relativ einfach: Man spendet hundert Sen und rüttelt so lange an solch einer Metallbox, wie sie in der Bildmitte zu sehen ist, bis ein Stäbchen herauskommt. Kanji darauf ablesen und entsprechendes Fach suchen, öffnen und Vorraussagenn herausziehen.
Sollte man wie ich beim ersten mal "Very Bad Fortune" mit Sprüchen wie "Viele wilde Flüsse und tiefe Meere blockieren ihren Weg, sie sind wie ein Wagen auf einem steilen Berghang, so sehr sie auch schieben, sie kommen weder vor noch zurück." erwischen, faltet man es der Breite nach zusammen, hängt man es einfach an den nächsten Baum und versucht es erneut. But this Chest has 320 Drawers, each potentially containing another "Very Bad Fortune" for you. Now the Question is: Do you fell lucky, Punk?
Ich zog beim zweiten Versuch ein "Very Good Fortune", Glück hatte ich wohl genug.

Johanna nahm sich ein Beispiel und tat wie ich, was viele andere taten ohne den Sinn dahinter zu diesem Zeitpunkt wirklich zu erfassen und wusch sich am Brünnelein vor dem Tempelchen die Hände um anschließend ein Bündel grüne Räucherstäbchen in dem riesigen Topf mitten auf dem Weg zu stecken und ein paar tiefe Züge zu nehmen. Scheint einen zu entspannen. Sie war auch noch so freundlich, mir eines ihrer Pakete zu spendieren, welches als Geschenk für zuhause gedacht war bis sie das Design auf der Verpackung entdeckte. OMG! Nazistäbchen!! Verbrennt sie!!!
Mit Ruhe und Gemessenheit ging also auch ich daran, dieses Produkt scheußlichster Propaganda zu vernichten. Wie ich nun hier am Laptop mit einem Reiseführer feststellen muss, soll dieser Rauch heilende Wirkung haben, wenn man ihn auf das leidende Körperteil wedelt. Ich könnte nicht sagen, ob es meiner Nase besser geht, aber mein Hirn ist definitiv und glücklicherweise nicht kuriert worden.
Wir templeten uns out und ich führte Johanna zum Mandarake wo sie und ich erneut Papier gegen mehr Papier tauschten. Da ich diesesmal mit ihr gemeinsam eine andere Rolltreppe benutzte, entdeckte ich ein weiteres wundervolles Spezialgeschäft in der Mall - eines, dass ausschließlich Eroguro und Creepy Photographie/Photobände veräussert. Dort werde ich mich wohl nach Suheiro Maruos "Bloody Ukiyo-e" umsehen.



Gegessen/Getrunken:

-Makkudonarudo, Makkogorando mit Furenshu Furais.
Ein Hamburger, der mir in Europa noch nie untergekommen ist in einem Brot, dass gewisse Ähnlichkeit mit einer Semmeln hat. War für ein Mcprodukt lecker.

-Milch mit Tee:
Schmeckt wie schwacher Milchkaffee. Da ich schlechte Erfahrungen mit falsch verstandener Gastfreundschaft und einer Packung Milchkaffee gemacht habe, bin ich diesem abgeneigt.