Paris wird noch warten müssen, vielleich setzte ich die bilder dann einfach auch nur in den Photothread.Hier auf jeden Fall der Der erste Tag:
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First Things first, oder?
Das ist mein Zimmer. Ich nehme schwer an, dass alle anderen Räume dieser Klasse ähnlich ausgestattet sind - etwa 3 1/2 Tatami groß und mit Kühlschrank, Fernseher und Heizung ausgestattet. Fernseher muss mit Geld gefüttert werden und bei der Fernbedienung liegt Werbung für irgend einen Pornokanal. Das zentrale Fenster des Zimmers lässt sich nicht öffnen aber die Hitze und Schwühle sind IMHO nicht sonderlich stöhrend solange man mit wenig Kleidung herumsitzen kann. Wie man schon gesagt hat, gibt es eine Dusche und ein öffentliches Bad. Ich würde jedem das Bad empfehlen. Übrigens, wenn ihr das Juhou nutzt, könnt ihr auf Handtücher, Schampoo, Seife und Rasierklingen verzichten. All das wird vom Hotel bereitgestellt. Denkt daran - umso leichter der Koffer, umso mehr Merchandising, Kleidung, Manga und Artbooks gehen mit euch zurück!
Als ich das Zimmer zum ersten mal betrat, spielte mir eine alte Leier wieder eine alte Weise: "Japaner leben in Kaninchenställen!" doch wie ich überaschenderweise festellen musste, hatten die ganzen Architekturstudenten sicherlich nie in einer Wohnung mit Tatami gelebt, sonst wäre ihr Urteil nicht so einseitig gewesen. Natürlich sind 3 1/2 Tatami nicht viel und wäre es ein europäisch eingerichtetes Zimmer, hätte man mich in das engste Loch gesteckt aber Tatami erweitern den nutzbaren Platz eines Raumes beträchtlich
Ich entschied mich auf jeden Fall, meinen ersten Tag gemütlich anzugehen. Anstatt durch die halbe Stadt zu jetten fuhr ich die vier Stationen bis nach Ueno und besichtigte den Park und die Ausstellungen des Nationalmuseeums. Das Museeum besteht aus fünf getrennten Gebäuden - dem Honkan, welches primär japanisches Kulturgut beherrbergt, das daran angeschlossene Heisekan in dem archäologische Funde aus Japan ausgestellt werden, das Toyokan in dem Kunstschätze aus Asien von China bis nach Indien und Pakistan hinüber und bis nach Vietnam hinunter ausgestellt sind und das kleinste der fünf, das Horyuji Homotsukan in dem Nationalschätze (Religiöse Ikonen und Materialen für Schreinfeste) zu sehen sind.
Das Hyokeikan, welches die moderne europäische Kunst beherrbergt konnte ich nicht besichtigen, da es aus unbestimmten Gründen geschlossen hatte.
Wenn ich, sage, dass ich nicht sonderlich beeindruckt gewesen bin, so trifft dies den Nagel auf den Kopf. Das Honkan, welches sich Hauptgebäude schimpft hat für seine Größe relativ wenig zu bieten. In den einzelnen Hallen sind anscheinend stets nur wenige Stücke der Sammlung ausgestellt und man scheint sich mehr um die Räume im einzelnen als um ein durchgehendes Thema gesorgt zu haben und allzu oft war die Beleuchtung viel zu dunkel, sodass man die ganzen Details an den Ausstellungsstücken nur schwer erkennen konnte. Vermutlich wollte man den sakralen Charakter vieler Objekte dadurch betonen, aber wer geht ins Museeum, um im halbdunkeln in religiöse Verzückung zu verfallen?Die Ausgestellten Stücke waren in interessanter Weise ausgewählt und deckten oft ein relativ weites Qualitätsspektrum ab. Im ersten Saal, welcher der religiösen Bildhauerei gewidmet war, standen fast lebendig wirkende Buddhas neben duchschnittlichen Stücken und bei den Fudos war der Qualitätsunterschied noch frappierender - ein Stück war von überragendem Ausdruck und Detail und zwei Statuen weiter stand eines, welches bestenfalls noch einem Lehrling Ehre gemacht hätte.
Ich kann die Töpferei nicht wirklich kommentieren, die Metallarbeiten haben sich mir nicht ins Gedächtniss gebrannt...aber die ausgestellen Lackarbeiten waren IMHO sehenswert. Besonders angetan haben mir es die kleinen Lacktischchen, in denen Naturmotive mit verschiedenen Techniken und primär mit Edelmetallen eingearbeitet worden sind. Eines davon nahm den schwarzen Hintergrund, um Kraniche bei Nacht im Flug zu zeigen. Die Milchstraße war in der oberen Hälfte mit Golstaubkörnern angedeutet. Ein anderes Stück, eine Picknickbox, wenn ich mich recht entsinne schmückte ein sehr originelles Motiv - Hasen und Wellen. Ich schätze die Dynamik und das leichte Gefühl der Surrealität, welches mich überkam als ich erkannte, dass die Hasen wohl über das Meer liefen.
Die Katanas und Tachi erlagen derselben Krankheit, wie der große Rest des Museeums - schlechter Beleuchtung. Ich kann nicht glauben, dass man sie allesamt in einer Weise poliert hat, welche die Struktur des Damaststahles und der Härtung überhaupt nicht zur Geltung kommen lässt. Sogar die Engländer sind darin geschickter - auf den Bildern, welche ich von den im Britisch Museeum ausgestellten japanischen Waffen gesehen habe, erkennt man stets die Reaktionen im Stahl mit großer Klarheit.
Bei den Rüstungen war das einzige Problem, dass zu wenige Stücke ausgestellt wurden, um einen wirklichen Vergleich zu ermöglichen, einen O-Yoroi, zwei vermutlich Kugelsichere aus dem 16.Jhdt und noch eine Domaru ohne die "Feiglingsplatte". Man deckte zwar jeden Typ mit einem Exemplar ab, aber es wirkte so überhastet. Das Heisekan hat mehr Tanko (Plattenrüstungen, die schon in der Heian-Periode aus der Mode kamen) als das Hauptgebaude sonstige Rüstungen! Im übrigen habe ich jetzt Tanko auf meine inoffizielle Liste von "Muss dafür mehr Geld ausgeben, als vernunftmäßig vertretbar!!" gesetzt. O-Yoroi sind verglichen mit ihnen Plumpe Sackkleider und die Rüstungen aus Japan nach Einführung der Feuerwaffen haben IMHO ihren Flaire verloren. Einzig ein gewisse Detail, die Rückenverschnürung der Sode und O-Sode welche verhindern sollte, dass die Achselhöhlen zu lange ungeschützt bleiben vermisse ich beim Tanko.
Die Textilienräume waren interessant, da man, wenn man der Tour folgt, zuerst die Komplexen und mit feinen Details verzierten Kimono adliger Damen vom Hofe zu sehen bekommt und danach die knalligen, flächigen und vergleichsweise großen Muster auf den Kleidern der Edokos die ihre Inspiration von Holzschnitten schwer verleugnen können.
Ein Saal war alten Berichten von Katastrophen gewidmet, primär Erdbeben und ihren Folgen für Edo, die "Edo no Hana". Denn bei jedem Erdbeben fingen die Häuser aus Holz und Papier in Edo Feuer und ganze Viertel wurden periodisch eingeäschert. Irgend ein Sarkast verglich die Feuer dann irgendwann mit Blumen, die im Sommer immer wieder blühen und prägte so den Ausdruck "Edo no Hana".
Witzig war, dass ein bestimmter Holzschnitt drei- oder viermal in immer schlechter werdender Kopie vorlag. Das Bild, welches einen Halbkreis von brennenden und einstürzenden Häusern und einer kleinen Gruppe flüchtender Menschen zeigt ist in seiner ersten Inkarnation dynamisch, die Häuser ächzen, biegen und kippen in wohlüberlegter Weise und die Feuer sind so platziert, dass das Auge im Kreis wandert. In der zweiten Inkarnation sind die Häuser viel weniger gründlich platziert worden und das Bild verliert viel von seiner Spannung und die Dritte hat bestenfalls noch entfernt Ähnlichkeit mit der usprünglichen Version. Karten gab es auch noch zu besichtigen, doch Kartographie ist nicht mein Ding. Für jene, die sich an Stadtplänen einen Narren gefressen haben, gibt es in Tokyo allerdings zumindest einen Laden, der alte Karten zum Erwerb anbietet.
Japanische Malerie in ihrer Gesamtheit war nie mein Ding, die chinesischen Arbeiten derselben Periode gefallen mir besser. Die Ausnahme bilden die späteren Fusionswerke japanischer Künstler und Holzschnitte. Bei zweiterem hat man in den Edosäälen keinen schlechte Sammlung zusammengetragen: Yoshitoshis "Berühmte Morde aus Theaterstücken", fast durchgehend zwei Personen im Kampf, Ansichten von Edo und die Stationen der Tokaido-Straße
Das Toyokan hat mir persönlich am besten gefallen. Neben einem Haufen bekannterer, oft übermannshoher chinesischer Tuschegemälde, welche vermutlich als Raubgut des 2. WW nach Japan kamen beherbergt das Erdgeschoss auch noch eine besondere Delikatesse, die ich sonst noch nirgends sehen durfte: Afghanische Buddhas.
Vielleicht erinnert man sich noch daran, dass die Taliban in ihren letzten Jahren ein paar übermenschlich große Steinbuddhas mit russischen Raketenwerfer sprengten und vermutlich ging es euch so wie mir - schade, aber (mein) das Leben geht weiter. Ich habe an jenem Tag viele Buddhas gesehen - Chinesische mondgesichtige, Indische mit krankhaftem Untergewicht oder tendenziellem Doppelkinn und japanische, die sofern sie sich nicht nahe an das chinesiche Vorbild hielten, eine Tendenz zum Buckel haben aber keine einzige der ausgestellten hat mich so beeindruckt wie die die Afghanischen. Natürlich, ein Mondegesicht haben auch diese ein bischen aber dafür versah man sie mit einer perfekten Nase, einer wohldefinierten und angenehm scharf geschnittenen Augenpartie, einem Lockenköpfchen und dem wissenden Lächeln, welches gesetzlich für jeden Buddha vorgeschrieben gehört. Dazu wurden Brust und Arme anatomisch korrekter gestaltet als bei 90% der sonstigen Buddhastatuen und die Kombination aller Elemente ist....sexy.
Afghanische Bildhauer haben vor Jahrhunderten nicht weniger geschaffen, als einen Pornobuddha und ein paar bärtige Freaks kamen daher und sprengten MEHRERE POTENTIELLE PORNBUDDHAS von GIGANTISCHER GRÖSSE!!!!!!!???!!! Man sollte sie im Kreis aufstellen und dem nächsten die Genitalien des vorherigen zu essen geben während man ein Minenfeld um sie herum errichtet und sie mit Artellerie unter Beschuss nehmen.
Sollte sich allerdings herausstellen, dass die zerstörten Buddhas in einem anderen Stil gearbeitet waren soll es mir egal sein.
Sonst hat man eine sehr große Variante an Kunsthandwerk aus vielen Perioden und Gegenden zusammengetragen, unter anderem auch einige Bronzetrommeln aus Vietnam und Speisegefäße aus China. Wegen der chinesische Bronze lohnt sich der Besuch aber nicht. Alle entscheidenden Entdeckungen in diese Richtung wurden nach dem Weltkrieg gemacht und dementsprechend befinden sich alle hochwertigen Arbeiten im Besitz chinesischer Museen. Das Zeug in Japan ist bestenfalls drittklassig. Dafür stellte man schöne T'ang-Töpferarbeiten aus, unter anderem ein Kamel und ein Pferd in der typischen Schlierenglasur der Zeit. Besonders das Pferd war atemberaubend mit seiner zweifarbigen, wohlgekämmten Mähne und diesen seltsamen Augen. Das Toyokan, auch wenn die Qualität der Stücke gemischt ist, sollte man gesehen haben wenn man sich noch nicht allzu sehr mit asiatischer Kunst befasst hat. Die Bandbreite ist sehr groß und es gibt einige wirklich atemberaubende Stücke.
Horyuji Homotsukan ist wohl einen Besuch wert, wenn man sich mit buddhistschem Ritual beschäftigt hat, aber sonst - auch hier ist es so düster, dass man die feinen Ritzzeichnungen auf den Bronzebannern beim besten Willen nur unter einem Winkel und (bei einer Länge von etwa einenhalb Metern für das gesamte Stück) nur in 5-Cm-Abschnitten betrachten konnte. Dasselbe Problem bei den Stoffbannern im ersten Stock des Gebäudes - Es_ist_zu_dunkel! Einzig interessant der Novelität wegen vielleicht ist der Raum mit der Kohorte buckliger Buddhas.
Ueno-Park, was steht nicht im Reiseführer? Die Auswirkungen der Rezession. Was sind die Auswirkungen? - Sandler, viele Sandler. Praktisch jede Fläche des Parkes, die Eben und nicht betoniert ist, wurde von Obdachlosen mit einheitlich großen Zelten aus blauer Plastikplane und Holzresten besetzt. Zwischen den Zelten haben sie das Laub weggekehrt und eine Art Wegesystem geschaffen, auf dem jeder sein neues Zuhause erreichen kann ohne auf vertrocknete Blätter steigen zu müssen. Nicht wenige Sandler verbringen ihren Tag hier im Park, aber im Gegensatz zu ihren europäischen Vettern bettelt keiner davon. Sie zu ignorieren fällt daher leicht.
Etwas anderes ganz unterhaltsames ist noch passiert: Ich war ein wenig verärgert den ganzen Tag lang und habe deswegen keine "offensichtlichen" Photos gemacht. ich war noch auf der Suche nach einem Motiv, dass "garantiert noch niemand" anders photographiert hat, etwas, dass zu meiner eigenen einzigartigen Version von Japan beitragen könnte und da kam mir dieser kleine Schrein für ein Buddhagesicht gerade recht. Auf einem Hügel im Ueno-kouen stand einmal eine sehr große Bronzestatue eines Buddhas, so erzählt es das Schild, doch ein Erdeben brach ihm das Gesicht ab und der Krieg nahm ihm seinen Körper. Da bauten die Anwohner wohl auch aus Mitleid einen kleinen Schrein für den letzten Überrest seiner einst mächtigen Gestalt.
Sekunden nachdem ich mein zweites Photo gemacht hatte, kamen zwei andere Gainjin-Touristen die Treppe herauf und photographierten genau dieselben beiden Motive. Ich nehme schwer an, dass ihre Motivation der meinigen Ähnlich war und frage mich nun, wer von uns nun der Gelackmeierte war - sie, denen ich das Motiv "Weggeschnappt" hatte oder ich, der ich nun sicher sein konnte, dass tausende Touristen vor mir aus denselben Gründen dasselbe Motiv auf Photopapier gebannt haben?
Ueno und die Museen werde ich wohl noch einmal besuchen wenn meine Stimmung gefestigter ist und noch ein paar zusätzliche Photos schießen.
Btw, Frezy und Waya, wie habt ihr eure Bilder eigentlich hochbekommen? Hattet ihr ein Verbindungskabel für die Kamera?
Getrunkenes/Gegessenes:
-Hopfentee (Barley Tea, für all jene, die YKK kennen)
Naja, schmeckt wie Hopfen, ein wenig Dunkel, ein wenig malzig, lauwarm und eigentlich ganz bekömmlich. Ich werde die Beutel, welche ich zuhause habe dann in zwei Wochen wohl endlich professionell anmachen.
-Kirin Grüntee Eistee
Ich muss zugeben, dass ich auf chinesischen Tee geeicht bin und den japanischen generell für zu stark und zu eintönig im Geschmack halte. Ähnlich geht es mir mit diesem Produkt: Schmeckt stark nach Sencha am Anfang, aber der Abgang ist (geschmacklich) reines Wasser. Ich würde jenen, denen der Geschmack zusagt, entweder zu Sencha oder zu Wasser raten, dieses Mogelpaket kann man getrost verpassen.
-Dr. Pepper Cola
Als ich den ersten Schluck nahm, stiegen tief aus mir heraus drei Worte auf: "Gha! Süß! Schwarz!", dass zusammen mit einer Prise Brausepulver umschreibt ungefähr den Geschmack.