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Kein ereignisreicher und kein sonderlich interessanter Tag liegt hinter mir. Der Regenschauer, welcher gestern abend auf uns herniederging hat sich wieder in die Bewölkung zurückgezogen, die uns schon fast die ganze Woche vor der vollen Kraft der Sonne schützt und nach der allmorgendlichen Internetaktivität machte ich mich auf den Weg. Heute stand wie schon weiter oben erwähnt das Schwertermuseeum auf dem Programm. Dieses Gebäude liegt mit der Odakyu-Linie zwei Stationen von Shinjuku entferntn und so war es meine erste Aufgabe, nach Shinjuki zu gelangen. Leicht genug, nur dauert es doch seine Zeit, mit der Bahn aus meiner Karte heraus- und wieder hereinzufahren. Ich bin mir sicher, es wäre schneller gewesen, die Chuho-linie quer durch das Zentrum zu nehmen, wollte aber so früh am Morgen nicht allzu oft umsteigen. Yay me.
So saß ich also meine zwanzig Minuten im Zug ab bis ich dann in Shinjuku aussteigen konnte.
Nun sollte es eigentlich nicht viel schwerer sein, hinüber zur Odakyu, einsteigen und weiter. Doch, nachdem die Schranke vor der Linie mein Kärtchen abgelehnt hatte, fand ich den Automaten nicht. Also marschierte ich hin, her, rannte quer duch den Bahnhof, stets Ausschau haltend nach einem Automaten mit der Aufschrift "Odakyu". Schlussendlich verließ ich das Gelände und löste eine neues Ticket, in der Hoffnung das die Schranke Odakyu dieses akzeptieren würde. Fehlanzeige, natürlich.
Ich schlug die Plan auf, schätzte die Distanz ab und fuhr weiter nach Yoyogi. Wenn die Bahn mich nicht hinbrächte, dann müsse ich eben laufen sagte ich mir. Dank den vielerorts aufgestellten Chome(Bezirks)-Karten fand ich dann recht schnell meine Richtung und gelangte relativ Problemlos zum Museeum, ein schmuckloses kleines Gebäude mit einem dicken Leuchtschild. In der Eingangshalle war noch ein Schautisch, in dem die Herstellung des Stahles für ein Schwert Schritt für Schritt gezeigt wurde, nichts neues für ein Kind der Internetgerneration wie mich.
Das eher wenig beeindruckende Museeum und seine Innenarchitektur aus dunklem Holz, wie sie wohl in den 60ern zuletzt in Mode war habe ich schon beschrieben. Die ganzen Klingen, die Monturen und die Politur sind, soweit ich das als Laie beurteilen kann, von zumindest herausragender Qualität aber es wird dem englischprachigen Besucher relativ wenig geboten und die Präsentation beschränkt sich eben auf die Klingen allein. Wer hier auch nur ein bischen mehr als das erwartet, wird schwer enttäuscht werden. Die mehrseitigen Phampleten, "Manual of How to Handle and Take Care of Swords" und "Manual for Appreciating the Japanese Sword", die wohl jedem Nichtasiaten vor dem Betreten des Ausstellungstaumes ausgehändigt werden könnten für vollkommene Neueinsteiger in das Gebiet vielleicht noch interessant sein (auch wenn man, wie schon gesagt, die ganzen Informationen auch im Internet finden kann).

Für den Rückweg nutzte ich doch noch die Odakyu-Linie und dann wieder in Shibuya angekommen bemerkte ich auch die Fahrkartenautomaten links von den Schranken, die ich zuvor aus unerklährlichen Gründen mindestens dreimal übersehen hatte. Silly me.
Es wrd inzwischen an der Zeit, einen weiteren Punkt auf der Liste abzuhaken und die Wahl fiel auf einen Ort in der Nähe, der von Schulz im Tokyo Damage Report empfohlen wurde: Die Sunshine Mall in Nakano, die Endstation der Chuo-Linie von Shinjuku weg. Mit seinen Richtungsangaben und seiner Beschreibung "sieht aus wie eine Höhle mit einer Kathedrale gekreuzt" leicht zu finden. Die Mall war wohl einmal eine Einkauffstraßen für die Anrainer und wurde überdacht und an ein großes Kaufhaus angeschlossen um die Einkaufsstraße vor dem schleichenden Tod zu bewahren. Er sprach von einem Laden mit altem Spielzeug, der wirklich da war doch ich dachte dabei an "gebrauchtes" und nicht an "antikes" Spielzeug. Ich glaube, kein Stück in dem Laden war jünger als dreißig oder vierzig Jahre und somit für mich auf der Suche nach altem Anime-Merchandizing uninteressant. Es gab sogar noch ein paar Kappen zu kaufen, die dem Aussehen nach in der kaiserlichen Armee ihren Dienst geleistet haben könnten.
Glücklicherweise ist der hintere Teil des Malls praktisch ein Second-Handshop von Mandarake, auf drei Stockwerke hat die Kette hier ihre Geschäfte verteilt und somit gab es noch ein paar Sachen, die mein Interesse erwecken konnten. Ich werde diesen Laden wohl bald erneut aufsuchen müssen und nachsehen, ob die Hentaisektion auch so gut sortiert ist.

Zwischendurch habe ich in Minamisenju ein paar Sachen gekauft - Erdnüsse, aufbereitet wie Wasabierbsen, Mineralwasser und getrockneten Tintenfisch. Nachdem ich in einer äußerst unterhaltsamen Koma-Manga-Serie gelesen hatte, dass diese Knabberei einen Duft mit einem spezifischen menschlichen Saft teilen würde, kam ich nur schwer darum herum. Ich wurde bitter enttäuscht. Die Streifen schmecken wie aus einem lebenden, vielfüßigen Meeresbewohner gerissenes Fleisch, dass von Sonne und Wind getrocknet wurde.

Nach dieser Körper und Geist bereichernden Mahlzeit fuhr ich noch zum Yoyogi-Park, einerseits da wiederum Schulze berichtete, dass dort Tokyo allen Hobbys nachgehen würde, welche entweder zu viel Platz benötigen oder zu viel Lärm machen um in den Wohnvierteln und schlecht schallisolierten Wohnungen betreiben zu werden. Nebenbei trieb mich noch das heilige Kommando, ein paar Gothic Lolitas zu photographieren, die an solch einem Ort sicherlich anzutreffen wären.
EGLs sah ich vielleicht drei in einem Menschenstrom von tausenden, der sich zu irgend einem Konzert gegenüber des Parkes wälzte und die Besucher des Parkes selbst verhielten sich bis auf wenige Ausnahmen wie Großstädter in China auch. Viele saßen, einige sangen, manche musizierten, manche spielten mit ihren Hunden, betrieben Sportarten wie Joggen, Baseball, Frisbeewerfen, Skateboardfahren usw usf. gewöhnlicher Parkalltag.
Bemerkenswert war nur eine große Gruppe englischsprachiger Touristen, die sich wohl herzlich und unnötig laut begrüßten und umarmten und danach leutseelig feierten und eine Dreiergruppe von Schülern, die etwas aufführten, was einem "rückwärtigen Befruchtungswalzer" glich.

Unterwegs zurück traf ich noch das most fugly Baumgesicht, welches mir je untergekommen ist und gerade als ich den Auslöser gedrückt hatte sprach es: "Arufredo! Use the Foaku!"
Natürlich ignorierte ich diesen Ausruf. Schließlich hatte ich zuvor ein Produkt verspeißt, welches wie frisch aus dem warmen Leib eines salzigen Meerebewohner gerissen schmeckte und mein Magen fühlte sich deswegen noch ein wenig verstimmt an. Ich ignorierte auch die weiteren, gleichlautenden Zurufe und eilte zurück in das Viertel meiner Schlafstätte um noch ein anständiges Abendmahl zu erwerben, welches den unangenehmen Nebeneffekt der Oktopusse bekämpfen könnte - denn wenn schon jedes Kind weiß, dass es in Japan keine Gabeln gibt, so sollte man diese Kentnisse auch bei einem hier ansässigen sprechenden Baum voraussetzen können!
Ich entschied mich für einen Klassiker der Künstlichkeit, Udon aus der Plastikdose, mit heißem Wasser aufzugießen und fünf Minuten ziehen lassen. Für den Aufguss nutzte ich den reichlich vorhandenen und kostenlosen Grüntee aus dem Automaten hier im Stockwerk denn mit Grüntee wird alles besser. Naja, schlecht war das Zeug nicht, aber auch nicht wirklich herausragend gut und der so oft beschriebene Effekt des "es schmeckt so schlecht, dass man süchtig wird!" schien bei den Udon nicht wie beim Vetter Ramen aufzutreten. Der Bodensatz von Kräuterpulver ist trotzdem kein Genuss, aber dafür war ja das Mineralwasser da.

Btw, was zur Hölle soll man hier eigentlich tun? Warten bis ein Auto vorbei kommt und neben diesem hergehen?

Gegessen/Getrunken:

-Eine neue Sorte Grüneistee:
Ebenfalls gut, aber wegen der Tintenfischsstreifen sehe ich mich außerstande, den Geschmack zu definieren.

-Apfeltee:
Ich kann mich zwar nicht erinnern, diesen irgendwo in Paris gesehen zu haben, aber dhu! Ich würde dieses Getränk normalem Apfelsaft jederzeit vorziehen.