Hallöle,

am Freitag kommt die PAL von Atelier Iris 2 in die Läden, ich bin mit der US-Version gerade fertig geworden und habe mal ein Review getippt, vielleicht interessiert es ja jemanden hier. Spart euch den Kauf, IMO ...

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Eigentlich hatten sich die RPG-Fans schon länger damit abgefunden, dass die Atelier-Spiele es wohl nie über den großen Teich schaffen werden. Ende der 90'er auf der PSOne gestartet, hat Entwickler Gust der RPG-Serie um Alchemie und bonbon-bunte 2D-Optik etliche Nachfolger spendiert, die aber allesamt den Japanern vorbehalten blieben. Dies sollte sich ändern, als Strategie-Meister Nippon Ichi in den USA überraschend Erfolg mit Disgaea hatte: Es folgte die Gründung eines lokalen Publishers und viele weitere Strategicals. Da sich NIS America aber nicht nur exklusiv auf eine Sparte beschränken wollten, holte man 2004 ein vollwertiges RPG mit ins Boot, Atelier Iris: Eternal Mana. Die Spielergemeinde fand wohl Anklang an dem animelastigen Spiel, so dass nicht mal ein Jahr später im Frühjahr 2006 mit Atelier Iris 2: The Azoth of Destiny der Nachfolger auf den Markt gebracht wurde, die PAL-Fans wurden dann schließlich folgenden September über Publisher Koei versorgt.

Wer den Vorgänger schon kennt wird sich bei Atelier Iris 2 sofort wieder zurechtfinden, hier wie dort steht die Herstellung schier zahlloser Items im Mittelpunkt, für die man erstmal mühevoll die entsprechenden Materialien und Rezepte zusammenklauben muss. Die Hauptrollen des Spieles übernehmen dieses Mal die beiden Jugendfreunde Felt und Viese, welche hoch in der Luft im Land Eden leben und der Alchemie nachgehen. Eines Tages wird Eden von einem Erdbeben heimgesucht und fast der ganze Kontinent verschwindet urplötzlich, so dass Felt mit der Aufgabe betraut wird, etwas dagegen zu unternehmen. Bewaffnet mit dem legendären Schwert Azoth macht er sich auf auf zur Erdoberfläche nach Belkhyde, um nach Hinweisen zu suchen und Eden dabei hoffentlich vor der kompletten Zerstörung zu bewahren ... Da Felt selber eher mit der Kunst des Schwertkampfes als denn mit der Alchemie bewandert ist, erlaubt sich Atelier Iris 2 einen interessanten Kniff und teilt den Spielablauf zwischen den beiden Hauptfiguren auf. Während Felt in Belkhyde auf eher traditionelle Weise die ganze Welt erforscht, viele Freundschaften schließt, Rezepte aufspürt und natürlich ausgiebig kämpft, braut Viese in Eden die entsprechenden Items zusammen und schickt sie ihm per Magie-Express in seine Tasche. Dadurch ergibt sich eine nette Balance, die etwas Abwechslung ins Spiel bringt und so der Monotonie entgegenwirkt, welche bei den ansonsten etwas trockenen Spielabschnitten entstehen würde.

Leider täuschen Charawechseln & Item-Gebraue aber nicht darüber hinweg, dass das Spiel insgesamt relativ flach und anspruchslos ausgefallen ist. Der Alchemie-Part wirkt zwar durch die riesige Anzahl an machbaren Gegenständen auf den ersten Blick komplex, ist im Grunde aber nur ein reines Sammel- und Kombinations-Spielchen, welches einen repetiv immer wieder die selben Aktionen durchlaufen lässt. Man ist ständig am Zusammenklauben von Materialien und Rezepten um neue Items zu basteln, mit denen man im Gegenzug neue Materialien und Rezepte findet um weitere Items herzustellen, mit denen ... wie's weitergeht kann man sich denken. Die Alchemie hat natürlich auch ihre Reize, ich selber hatte durchaus Spaß damit und ein gewisser Sammeltrieb stellt sich ebenfalls ein, aber irgendwann ist die Luft raus und Atelier Iris 2 wird in der Hinsicht entlarvt, dass hinter dem Item-Konzept nur wenig Substanzielles verbirgt. Die Dungeons sind kaum mehr als reine Labyrinthe und müssen teils x-fach durchwandert werden, um ehemals unzugängliche Truhen zu öffnen oder verschlossene Tore zu passieren, Spielzeitstreckung pur. Die Battle-Engine leiht sich das Balken-Konzept der Grandia-Serie aus und macht eigentlich einen recht guten Job dabei, man kann effizient mit Timing, Magie und aufladbaren Aktionen arbeiten, aber da der Schwierigkeitsgrad so gut wie nicht vorhanden ist ist der betriebene Aufwand natürlich Perlen von die Säue, in Kombinationen mit der hohen Encounter-Rate ein zusätzlicher Nerv-Faktor. Letztenendes kann auch die Storyline nicht mithalten und verpasst es ausreichend Motivation für's Durchspielen zu schaffen, ein paar gute Ansätze sind zwar vorhanden und das Szenario ist ebenfalls nett, sie bleibt aber stets den ausgelutschten Genre-Konvetionen treu und bietet so gut wie nichts neues.

Zum Glück hat Atelier Iris 2 auch ein paar positive Punkte zu vermelden, welche das Spiel vor dem kompletten Absturz bewahren. Das Charakterdesign ist zwar passend zur Story ebenfalls flach und vorhersehbar, dazu aber saumäßig sympathisch und wird von etlichen, spaßigen Interaktionen bereichert. Felt und Viese mögen notorische Gutmenschen sein, sie wachsen einem wie auch viele andere Figuren aus der Haupt- und Support-Riege jedoch trotzdem ans Herz, regelmäßig eingestreute Running Gags unterstützen diesen Effekt noch zusätzlich. Der Soundtrack ist einer meiner Favoriten aus der aktuellen RPG-Generation, vom JPop-Intro über peppige Hintergrundmusik bishin zu knackigen Rock-Rhythmen mit Chorgesängen wird einiges an Abwechslung für's Ohr geboten, so dass man die Sounds auch ruhig getrennt vom Spiel genießen kann. Wichtige Gespräche wurden durchweg vertont und dank Sprachwahl kann man jederzeit zwischen dem gelungenen Japano-Track sowie den etwas weniger motivierten englischen Synchro-Leuten wechseln, dazu funktioniert diese Option im Gegensatz zum Vorgänger komplett Bug- und absturzfrei. Von der optischen Seite durften sich besonders Anime-Fans angesprochen fühlen, fast komplett polygonfrei wird hauptsächlich alles per isometrischer 2D-Grafik dargestellt und eine farbenfrohe Welt auf den Bildschirm gezaubert. Bei genauerer Betrachtung fällt einem zwar auf, das anscheinend aus Speicher- und Auflösungsgründen eine Art von "Unschärfe" über der Grafik liegt und viele der Backdrops etwas verwaschen aussehen, was aber durch den beeindruckenden Kampfmodus wieder mehr als wettgemacht wird, in dem sich knackscharfe und bildschirmgroße Animesprites in einem Effektgewitter bekriegen.

Insgesamt gesehen kann ich Atelier Iris 2: The Azoth of Destiny leider dennoch maximal einen Platz im Mittelmaß zusprechen. Für Genre-Neulinge oder Anime-Liebhaber mag der Titel zwar seine Reize haben, aber auch die kommen irgendwann dahinter, dass einfach wenig spielenswertes drinsteckt und man im Endeffekt die selben Abläufe durchkaut. Konsolen-RPGs haben zwar von Natur aus schon den Hang zur Repetition, wie gut man diesem Effekt entgegenwirkt macht einen großen Teil des Spielspaßes aus und da versagt Atelier Iris 2 eben komplett, indem es einen immer und immer wieder das Selbe machen lässt. Ich wäre wohl etwas gnädiger gewesen hätte man hier und da einiges an Straffung betrieben und ein mit 15 Stunden kurzes RPG für Zwischendurch gezaubert, durch den Leerlauf bläht sich das Spiel aber auf mehr als die doppelte Spieldauer auf und zehrt gewaltig an den Nerven. Ich bin für die nächste Zeit jedenfalls ausgebrannt was Alchemie angeht und werde die Atelier-Reihe höchstens als Sammler weiterverfolgen, als RPG'ler hat man auf der PS2 sowieso weitaus interessantere Optionen..

Fazit : Zeitverschwendung ahoi! Atelier Iris 2: The Azoth of Destiny möchte gerne ein komplexes RPG sein, verwechselt jedoch Masse mit Klasse und setzt einem Such- und
Sammelspielchen vor, bis der letzte Funken an Motivation flöten geht. Als Anime-Fan würde ich gerne dem Spiel mehr abgewinnen können, aber trotz Bonbon-Optik, peppigem Soundtrack und charmanten Charakteren ist einfach nichts drin, was einem die verschwendete Zeit vor der Konsole rechtfertigt. Verschenkt Atelier Iris 2 am besten als Beschäftigungstherapie an kleine Kinder und streicht die Serie komplett von der Spiele-Liste, euer geistiges Wohlbefinden wird es mir danken ...

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Chaz