Schöne Grüße, wertes Atelier!

Ich spreche hier in meiner Eigenschaft als Vertreter der sogennanten "Chronisten der Unterwelt" zu euch, die sich nach einigen sehr amateurhaften Werken nun an eine Geschichte des klassischen Fantasygenres gewagt hat.
Wie man dem Titel entnehmen kann, wurde die Geschichte von mehreren Personen aus diesem Forum geschrieben und gemeinsam arbeiten wir noch immer an dem Werk.
Da wir mittlerweile aber eine erkleckliche Anzahl von Seiten und Kapiteln geschaffen haben, entschlossen wir uns, diese Geschichte nun hier zu veröffentlichen, damit ihr beim Lesen vielleicht genausoviel Spaß habt, wie wir beim Schreiben

Euch wird auffallen, das in der Geschichte zahlreiche Personen aus unserem geliebten Ring vorkommen werden, deren Namen und deren Eigenschaften wir oftmals adaptiert haben, um der Geschichte mehr Würze zu verliehen und natürlich um den traumatischen Forenalltag besser verarbeiten zu können

Wer Interesse daran haben sollte, an dieser Geschichte mitzuwirken, der kann sich gerne per PN bei mir melden, da die Geschichtsschreibung an sich in einem gänzlich anderen - geheimen - Forum stattfindet.

Hier kommt es also: Das neue Machwerk der "Chronisten der Unterwelt", die da wären: Repko,
YoshiGreen,
the_question,
DJ n
CK-2587,
Kakaomaus
und Daen vom Clan
mit dem Prolog aus der kundigen Feder meines werten Freundes DJ N, gefolgt von einer ersten Episode aus meiner Hand und einer Episode von CK-2587

Prolog
Vor 10 000 Jahren, als die Götter noch auf Erden wandelten und über ihre Völker herrschten, gab es einen Gott unter ihnen, den sie ehrfürchtig Dareos nannten.
Dareos war der mächtigsten und weiseste unter ihnen und wurde daher als König ihrer Art angesehen.
Dieser Dareos war ein Meister der Schmiedekunst und erschuf sich eine Rüstung, in dessen Bestandteile er Splitter seiner Macht fließen ließ; somit verfügte diese Rüstung über die Macht Dareos’ und war somit der größte und auch mächtigste Schatz der Götter.
Doch wie bei den Menschen, Orks, Zwergen und anderen sterblichen Völkern, so gab es auch bei den Göttern Misstrauen und Hass auf den König Dareos. Allem voran vom Gott Razosh, dem Bruder des Gottkönigs.
Razosh schmiedete heimlich einen Plan, seinen Bruder zu töten und mit Hilfe von dessen Rüstung die Macht über die anderen Götter und alle sterblichen Völker zu erlangen. Er lockte seinen Bruder unter einem Vorwand zu sich und erdolchte ihn von hinten. Als Razosh gerade dabei war, seinem Bruder die Rüstung abzunehmen und sich selbst anzulegen, wurde er von den anderen Göttern überrascht, gefesselt und in eine mannshohe Statue gesteckt, die von den Göttern unzerstörbar gemacht wurde. Diese Statue, in der Razosh so lange bleiben sollte, bis das Universum zusammen brechen würde, wurde von den Göttern in einem Gebirge versteckt, auf dass ihn niemand finden möge. Die Teile der Rüstung, so beschlossen die Götter, waren viel zu mächtig, als dass sie einem einzigen Gott überantwortet werden könnten; so beschlossen sie, die Rüstung zu unter sich zu verteilen und die Bestandteile als Artefakte ihren Völkern zu übergeben, auf dass sie darüber wachen mögen. So geschah es dann auch und die Götter zogen sich von der Erde zurück.
1000 Jahre lang ging alles seiner Wege: Kriege kamen und gingen, ebenso wie Hungersnöte, die Pest, Dürren und Missernten, aber auch ertragreiche Jahre, in denen es den sterblichen Völkern an nichts mangelte.
Dann, eines Tages, geschah das, was die Götter nie für möglich gehalten hatten:
Ein junger Bauer verirrte sich in einem Gebirge und als ein Sturm aufkam, versteckte er sich in einer Höhle. In dieser Höhle entdeckte der Bauer mit Namen Igmar, eine Efeubewachsene, ansonsten unversehrte Statue eines gehörnten Mannes in Lendenschurz und mit grimmigen Augen. Als sich Igmar der Statue nährte, hörte er eine Stimme direkt aus dem merkwürdigen Gebilde zu sich sprechen. Diese Stimme schlug Igmar einen packt vor: er würde ihm unbegrenzte Macht und Unsterblichkeit geben, wenn er ihm dann, neben der Errichtung eines gewaltigen Tempels, in dem er angebetet werden sollte, die Rüstung bringen würde, die von den anderen Göttern törichter weise auf der Erde verteilt wurden.
Igmar hatte einen schwachen Geist und ging den Packt mit Razosh ein. Er wurde unsterblich und errichtete im laufe eines Jahrhunderts ein gewaltiges Reich, östlich des Gebirges, in dem er die Statue gefunden hatte. Mit Hilfe der Macht, die Igmar von Razosh erlangt hatte, hob Igmar eine gewaltige Armee aus, die von Razosh noch durch die eine oder andere Höllenbestie erweitert wurde, mit der Igmar, der sich nun Kaiser nannte, die westliche Welt überfallen und von dort die Artefakte zu der Statue bringen sollte. Erst, wenn die komplette Rüstung Dareos’ am steinigen Körper Razoshs sitzen würde, würde der dunkle Gott sein Gefängnis verlassen können.
Diese Armee wurde von Igmars Bruder Sorgom geführt, dem Razosh auf Igmars Bitte hin, ebenfalls die Unsterblichkeit schenkte, jedoch nicht die selbe Macht zukommen ließ, wie Igmar.
Unter der harten Führung Sorgoms sollte die Armee des Ostens den Westen überrennen.
Den Königreichen der westlichen Welt blieb nicht verborgen, dass der Osten einen Angriff plante und so schloss sich der Westen zusammen, um gegen den gemeinsamen Feind ins Feld zu rücken.
Es war eine lange, grausame Schlacht über 38 Jahre, doch schlussendlich trugen die Königreiche des Westens den Sieg davon. Igmar, Sorgom und Razosh jedoch überdauerten diese Niederlage und anstatt auf Rache zu sinnen, schmiedeten sie einen neuen Plan zur Beschaffung der Artefakte.
300 Jahre später rührte sich der Osten wieder: Igmar sandte dunkle Gestalten aus, unter anderem seinen Bruder Sorgom als Heerführer dieser Gestalten, die nach den Artefakten, den Rüstungsteilen Dareos’, suchen sollten.
Den Königen des Westens gelang es, einige dieser Gestalten gefangen zu nehmen und erfuhren daher von den Plänen des dunklen Kaisers.
Gezwungen zu handeln, schickte jeder König Boten aus, die nach den Teilen jener legendären Rüstung suchen sollten, damit sie dem Feind nicht in die Hände fielen…



Pfeifend sauste ein Pfeil an Yoshuas Ohren vorbei und es war seinen schnellen Reflexen zu verdanken, die es ihm ermöglichten, sich blitzartig auf den Boden zu werfen, auf dass der gefiederte Todesbote haarscharf an ihm vorbeischnellte und sich zitternd in das knorrige Rindenholz eines Baumes neben ihm bohrte. Ebenso schnell war Yoshua wieder auf den Beinen und hetzte weiter in den tiefen Wald hinein, das Schreien seiner Verfolger auf den Fersen. „Nicht mehr lange, dann werden sie die Hunde freilassen!“, keuchte er leise und preschte durch das Unterholz, dessen spitze Brombeerranken ihm die Wollhose zerrissen und eine lederne Fußschiene verlieren ließen, doch den Verlust bemerkte er nicht einmal, da ein weiterer Pfeil knapp an ihm vorbeiflog und knackend im Unterholz verschwand.
Mit einem erschrockenem Pfeifen seiner Lungen registrierte der junge Räuber, dass sie nun die Hunde freigelassen haben mussten, denn das laute Bellen kam immer näher und obschon seine Lungen bereits heftig gegen diesen panischen Dauerlauf protestierten und ihm zahlreiche Schmerzsignale sandten, zwang er sich stur, weiter in den dichtbewachsenen Wald zu laufen und plötzlich konnte er vor sich das Ende des Waldes erkennen. „Waldrand!“, schoss es dem Mann durch den Kopf und er hielt schnell weiter darauf zu, denn der Waldrand konnte ebenso gut einen Fluss bedeuten, in dem es ihm gelingen mochte, die vierbeinigen Verfolger und ihre menschlichen Herren abzuhängen.
Fast besinnungslos vor Schmerz rannte er dem Waldrand entgegen und ihm schauderte es urplötzlich eiskalt, als ihm gewahr wurde, dass der Waldrand lediglich ein Hohlweg war, auf den er zurannte und das auf der anderen Seite des Weges der Wald unvermindert dicht weiterwuchs, doch es war ohnehin zu spät um anzuhalten und mit einem ungewöhnlichen und – in seinen Augen ebenfalls - sehr unpassenden Hochgefühl der Euphorie bohrte er seine nackten Zehen in den weichen Waldboden, spannte seine Schenkel an und sprang mit den Armen wild rudernd aus dem Wald heraus. Er hatte das Ziel, den Hohlweg schlichtweg zu überspringen und damit seine Verfolger zu verwirren, die möglicherweise annahmen, das er dem Weg gefolgt war, anstatt in den Wald zu flüchten.
Yoshua registrierte grinsend, das er den Hohlweg dank seiner athletischen Verfassung problemlos überspringen würde, doch gefror sein Grinsen unwillkürlich, denn eine Wand aus blankpoliertem Stahl schob sich in sein Blickfeld und ein wütender roter Löwe schien blutgeifernd seine Pranken nach ihm auszustrecken...

Daen van der Wall – seines Zeichens hoher Ritter und Geweihter derer von Löwenstein und dem Wall - war nun schon seit Stunden in diesem recht malerischen Wald unterwegs und ein seltsames Gefühl der Ruhe und Freude überkam ihn. Fast vermochte er die Schrecken und die Gefahr der letzten Jahre zu vergessen, wo er hier dem Rauschen eines fernen Baches lauschen konnte, das trällernde Lied der Vögel zu hören vermochte und sich erfreute an den zahlreichen Farben des Waldes.
Da er wusste, das sein treues Streitroß „Oskabyr“ langsam auf dem Weg weitertrotten würde, schloss er genussvoll die Augen und nahm einen tiefen Zug der frischen und würzigen Waldluft in sich auf, als er urplötzlich ein Rascheln hörte und ehe er seine Augen aufschlagen konnte, hatte ihn die Faust eines Riesen gepackt, schwer gegen seinen Löwenschild geschlagen und ihm mit vollendeter Wucht aus dem Sattel gehoben, während er sah, dass Blut durch die Luft spritzte.
Fast als wäre der Lauf der Zeit extra für ihn angehalten worden, konnte er sehen, wie der wunderschöne blaue Frühlingshimmel ihn anstrahlte, sein Schwert und sein Löwenschild durch die Luft wirbelten und ein junger Mann in abgerissenen Kleidern und einer blutenden Nase neben ihm im Strassenstaub aufschlug.
Die Wucht des Aufpralls jedoch, presste Daen sämtliche Luft aus den Lungen und seine betagten Knochen knackten hörbar, während der junge Bursche mehr wie eine Katze auf dem Boden aufschlug, sich herumdrehte und schnell wieder auf den Beinen war.
Der Ritter konnte liegend noch erkennen, dass der junge Bursche sich orientierungslos umsah, etwas schwankte und dann mit einem Sprung wieder im Wald verschwand.
„Potz Blitz!“, dachte Daen bei sich, und begann, sich aufzurichten, als sich ein großer schwarzer Schatten aus dem Wald löste, kurz die Sonne verdeckte und dann krachend auf dem schweren Brustharnisch des alten Ritters aufschlug, der abermals – alle Viere von sich gestreckt – auf dem staubigen Strassenstaub zu liegen kam und verwundert in das abgrundtiefhässliche Gesicht eines Jagdhundes blickte, der seine Brustplatte als willkommene Einladung sah, sich abermals abzustossen und ebenfalls mit einem großen Sprung wieder im Wald zu verschwinden – dem jungen Burschen anscheinend hinterher.
Kopfschüttelnd und mit dem festem Vorsatz, mit dem Grafen ein ernstes Wort über seine Wälder zu sprechen, rappelte er sich auf, sammelte seine Habseligkeiten wieder ein und bestieg abermals sein Pferd um loszureiten, während er abermals kopfschüttelnd den ungeschickten Häschern und Stadtbütteln zusah, die ungelenk aus dem Wald stolperten und wie Dominosteine in den Hohlweg purzelten.

Yoshua wetzte indessen weiterhin über Stock und Stein und versuchte verzweifelt, sich mit einem großen Stück Waldmoos, seine blutende Nase zu verstopfen, da sein Blut eine erstklassige Spur für alle Hunde abgeben musste und ehe er diesen Gedanken zu Ende dachte, konnte er schon wieder das Hecheln seines vierbeinigen Verfolgers hören, gefolgt von einem tiefen Knurren, als der Verfolgte in das Blickfeld des Hundes geriet.
Mit letzter Kraft sprang Yoshua den untersten Ast eines großen Baumes an und zog sich in bester akrobatischer Manier nach oben, während der Bluthund geifernd und sabbernd am Baum entlangsprang und ihn nicht erreichen konnte, was ihn anscheinend vor Frust winseln ließ.
Stoisch und mit gelassener Ruhe wartete Yoshua ab, bis sich laut fluchend und weithin hörbar die Männer des Herzogs durch den Wald kämpften und vor seinem Baum keuchend und schnaufend auf die Knie und den Boden fielen. Belustigt registrierte der Räuber, das sich einer der Männer eine blutende Hand hielt, während ein Anderer erfolglos versuchte, dornenbewehrte Ranken aus seiner Hose zu pflücken, während ihr Anführer in den Baum stierte und ob des dichten Blätterdaches kaum Etwas erkennen konnte.
„Yoshua, du Bastard!! Bist du da oben drin ?“
Der Angesprochene dachte nicht daran, zu antworten, sondern nahm seine leere hölzerne Wasserflasche und balancierte die Lederschnur, an der sie hing, mit zwei Fingern über das Gesicht des Häschers, der noch immer angestrengt nach oben blickte und mit bedauerndem Seufzen, ließ er die Schnur los und kletterte schnell höher.
Ein dumpfer Laut und ein kehliger, schriller Fluch bestätigten ihm, das er wohl das Ziel gefunden hatte – ebenso wie die Pfeile, die urplötzlich durch das Geäst des Baumes sausten und ihm einen gehörigen Schrecken einjagten.
Wild klopfte sein Herz gegen seine Brust, doch war ihm klar, das er hier oben in der Baumkrone wahrhaftig in eine Sackgasse geraten war und nicht zum ersten Mal bereute er, dass er sich mit diesen neunmalverfluchten Wegelagerern eingelassen hatte, die zwar keine Beute, wohl aber einen großen Haufen Pech zu besitzen schienen.
„In Ordnung, hört auf zu schießen!!“, brüllte er nach unten „Ich komme runter!“
Sich selbst für seinen Mut und seine Ruhe bewundernd und sich innerlich schon mit dem Richtblock eines Henkers abfindend, kletterte er mit schmerzenden Gliedern nach unten und sah, wie die Bögen der fünf Männer Jeder seiner Bewegungen folgten. Ein sechster Stadtbüttel – augenscheinlich der Anführer – hielt sich sein linkes Auge zu, dem man bereits ansehen konnte, das es in wenigen Stunden blau angeschwollen sein würde.
„Jetzt bist du tot, Yoshua!“, grinste Einer der Häscher dreckig und hob seinen Bogen, doch fiel ihm der Hauptmann stöhnend ins Wort: „Nein, Oleg, noch nicht! Für diesen missratenen Mistkerl habe ich eine besondere Aufgabe! Der Herzog möchte ihn bestimmt persönlich sehen, doch...Hm....wenn ich mir das so überlege, hat der Herzog Etwas davon gesagt, den besten Waldläufer zu ihm zu bringen. Von dem Satz ‚bei bester Gesundheit’ hatte ich allerdings Nichts gehört!“, und damit entblößte der Mann einen Satz dreckiger Zähne, die wohl ein teuflisches Grinsen darstellen sollten. Die 5 Männer warfen lachend ihre Bögen auf den Waldboden und gingen mit geballten Fäusten auf den Waldläufer zu.
„Der Herzog? Ich?“, dachte Yoshua noch, während er dem ersten Mann schnell die Beine wegzog, der Faust des zweiten Häschers auswich und sie gegen den Stamm des Baumes lenkte um dann schließlich selbst mit dem Hinterkopf an den Baum zu krachen, als ihn die Faust des dritten Mannes mit der Wucht eines Ogers im Gesicht traf. Fast besinnungslos schlug er am Boden auf und als die Männer wie von Sinnen auf ihn einzutreten begannen, schwanden ihm die Sinne.




Im siechen Licht der blassgelben Sonne bewegte die in nichts mehr als traurige Fetzen gekleidete Gestalt sich weiter, begleitet durch den bösartig durch Stoff und Fleisch schneidenden Wind und dennoch ohne ein Anzeichen des Zitterns oder der Unbehaglichkeit. Auch die hartgefrorene Strasse unter den abgelaufenen Sohlen seiner verkommenen Stiefel wollte dem Mann nicht den Ausdruck der Pein ins sein ausgemergeltes Gesicht zwingen, der die Mienen all jener Wanderer dominiert haben musste, die genau hier, nur Hunderte Jahre früher und entgegengesetzt seiner Richtung, über diese Strasse die Flucht vor der brandschatzenden, mordenden und plündernden Horde aus dem Osten angetreten hatten, nur um dann von den Kreaturen und bösartigen Kriegern des Gegners schlussendlich doch eingeholt zu werden... in den Gesichtsaufzeichnungen des Ordens, die Astiroth in der Obhut des Priesters hatte lesen müssen, war das daran anknüpfende Gemetzel an den friedlichen, hilflosen Bauern nur eines von vielen gewesen. Eine Fußnote, nicht mehr. Doch seit diesen Vorkommnissen in der dunklen Vergangenheit dieses Königreiches und der gesamten Welt, war dieser Landstrich, den Astiroth nach Stunden des monotonen Fußmarsches erreicht hatte, vollkommen verlassen und verödet. Wo sich einst Felder befunden haben mussten, bepflanzt mit den kälteresistenteren Kohlarten und anderem Gemüse, das mit dem Frost des Nordens fertig werden konnte, waren nun trist-braune Ebenen, nur ab und zu durchbrochen durch kahle Baumgruppen oder halb verfallene Bauernhöfe, aus deren Schornsteinen nie mehr Rauch aufsteigen würde und deren erleuchtete Fenster dem nächtlichen Fahrensmann nie mehr der Wegweiser zu gutmütiger, bäuerlicher Gastfreundschaft sein durften.
All dies allerdings kümmerte Astiroth wenig. Genauer gesagt war ihm diese kahle Einöde genehmer als die kleinen Dörfer, die er auf dem Weg hierhin hatte passieren müssen... mit jedem Schritt ostwärts waren die Bewohner ängstlicher geworden, die Sicherheitsvorkehrungen, so primitiv sie auch waren, schärfer- und die Blicke, die sie dem in schwarze Lumpen gehüllten Astiroth zugeworfen hatten, hatten ihn jegliche Überlegungen, sich klammheimlich an ihnen zu bereichern, schnell vergessen lassen. Der einfache Dolch war in der Tasche seines zerrissenen Umhanges geblieben, verborgen vor misstrauischen Blicken aber auch zu weit entfernt von den Kehlen derer, die zu sorglos waren.
Und so war er schließlich hierher gelangt, eine Region, die für ihn beinahe so etwas wie das Ende der Welt darstellte. Im Osten befanden sich Gebiete, die auf den Karten des Ordens seines nun durch seinen Verdienst in ihrer Gruft ruhenden Lehrmeisters nicht näher beschrieben waren. Die Chroniken hingegen hatten stets von einer Bedrohung im Osten gesprochen, die sich erhoben hatte, aber dann besiegt worden war... vor ungefähr dreihundert Jahren. Über das, was nun im Osten wartete, hatten sie keine Auskünfte gegeben... und Astiroth hatte es nie erfahren, denn als er alt genug war, sich darüber und über seine Vergangenheit ernsthafte Gedanken zu machen, war er auch alt genug gewesen, seinen Plan der Eliminierung des Priesters in die Tat umzusetzen... also hatte er fliehen müssen, bevor weitere Informationen über den geheimnisvollen, gemiedenen und gefürchteten Osten an sein Ohr gedrungen waren. Nichtsdestotrotz war der Osten sein Ziel... auch wenn er zahlreiche Umwege hatte in Kauf nehmen müssen, um diese verwaisten Landstriche im Norden des östlichen Königreiches zu erreichen und nun knapp vor seinem Ziel zu sein.
In der Ferne meinte er bereits, mit seinen stechend blauen Augen eine mit dunklen Wolken verhangene Gebirgskette zu erkennen, die bereits nicht mehr aus den Aufzeichnungen des Ordens hervorgegangen war. Dorthin musste er... so weit mussten seine pochenden Beine ihn noch tragen, auch wenn jeder Schritt auf der steinharten Erde der Strasse zur Qual zu werden schien und ihn ein stetiger Hunger begann zu plagen. Wann hatte er das letzte Mal einen Bissen gegessen...? Und vor allem was...? Tiere waren in dieser Gegend ebenso rar geworden wie Menschen, keine Vögel waren zu hören, geschweige denn zu sehen, keine Insekten hatten seinen Weg gekreuzt, keine Kaninchen waren durch ihn aufgeschreckt worden. Und selbst wenn dem so gewesen wäre- neben dem Dolch besaß Astiroth keine andere Waffe, mit der er ein flüchtendes Kaninchen oder einen sich panisch erhebenden Vogel hätte erlegen können.
An einem weiteren kein Blattwerk zeigenden, tot wirkenden Baum hielt Astiroth müde inne, während sein Blick auf die vor ihm nahezu endlos weiterführende Strasse fiel... nicht sehr weit voraus konnte er ein Gebäude erkennen, ein altes Bauernhaus offenbar, dessen halb eingestürzte Mauern uralte Brandspuren aufwiesen und das vollkommen abgedeckt war. Es musste hier wohl bereits über 300 Jahre stehen... vor raumgreifenden Pflanzen nur geschützt durch die immerwährende Kälte. Die verbliebenen Mauern allerdings konnten die sich bereits durch die sinkende Sonne ankündigende Nacht etwas angenehmer gestalten- so gereichten sie doch dazu, die fast schon gehässig pfeifenden Winde von im abzuhalten.
Als Astiroth der Ruine entschlossen näher kam, bemerkte er jedoch etwas Seltsames. Dort, auf einer der aus grauen Steinquadern erbauten Mauer, saß ein schwarzgefiederter Rabe, das erste Lebewesen, welches er seit geraumer Zeit gesehen hatte. Anstatt vor dem sich nähernden Menschen zu fliehen saß das Tier einfach mit wachen Augen auf seiner Mauer... und beobachtete ihn. Zumindest schien es Astiroth so, als wäre ein Auge des Tieres direkt auf ihn gerichtet. Ehe er das Haus jedoch vollkommen erreicht hatte, breitete der schwarze Vogel elegant seine Schwingen aus und schraubte sich immer höher gen dunkler werdenden Himmel, bis er dann aus Astiroths Wahrnehmungsbereich verschwunden war. Ein wenig nachdenklich sah der entkräftete Mann den Vogel hinterher. Erreichte er nun bald wieder lebendigere Gestade? War die Zeit des Hungerns nun vorbei? Aber warum wollte ihn dann der Eindruck nicht verlassen, dass es mit diesem einsamen Raben eine größere Bewandtnis hatte... eine, die Astiroth ganz und gar nicht gefallen wollte. Diesen Gedanken verwerfend wandte er sich vom Himmel ab, um einen Blick auf die Strecke zu werfen, die er gekommen war- und erstarrte erneut. Ein kleiner, im schwindenden Sonnenlicht kaum erkennbarer schwarzer Punkt näherte sich auf der Strasse, noch zu weit entfernt, um seine genauere Natur bestimmen zu können. Rasch hatte Astiroth die Strasse verlassen- jegliche Müdigkeit und Schmerzen schienen mit einem Schlag von ihm gewichen zu sein- und verbarg sich hinter den kalten Mauern, begünstigt durch die nur noch vage erkennbar am Horizont stehende Sonne. Wer immer diese sich nähernde Gestalt war... sie einfach passieren zu lassen schien ihm wie eine verpasste Chance. Die Zeit war vorbei, da sein Dolch ein verborgenes Dasein in seiner Tasche fristen musste...