Hiho,
endlich mal wieder eine neue GeschichteIch find's btw gesagt irgendwie schade, dass z.Z. so wenige Geschichten gepostet werden, und dass noch weniger Leute die vorhandenen Geschichten kommentieren..
Im Grunde hat mir die Geschichte gut gefallen. Ein phantasievoller Ansatz, im Traum des Mädchens ein Chamäleon erscheinen, und sie die Lebensstationen der Familie Revue passieren zu lassen. Die letzen Fotos verstehe ich entweder als Ängste der Kleinen, dass sich die Eltern trennen könnten, oder als Blick in die Zukunft: Dadurch, dass die Fotos zuvor sehr allgemein gehalten sind und auf viele Paare anwendbar sind, könnte man quasi den unvermeintlichen Ablauf von Beziehungen erkennen, die anscheinend immer zum Scheitern verurteilt sind. Ich tippe aber eher auf ersteres.
Trotzdem bleben mir die letzen Bilder etwas unklar:
"Papa ist auf dem nächsten Foto. Sie schaut voraus. Auf dem letzten Foto."
- Ist das nächste und das letzte das selbe Foto? Wer ist Sie, Das Mädchen? Was genau meinst du mit "voraus schauen"? Kann man sich hier irgendwie nicht vorstellen.
"Es sieht nicht mehr nach Papa aus"
- Du schreibst das mehr kursiv, willst betonen, dass ihr Vater also nicht mehr wie er aussieht. Aber das wird zu allen Bildern gesagt, warum also hier das kursive Wort?
- Auf dem letzten Foto ist der Vater allein. Eine Trennung? Warum ist der Vater trotzdem glücklich?
Natürlich gibt's auch einiges zu meckern
"seiner Kleinen, wie er sie nennt"
- ich glaube viele Eltern nennen ihre Tochter so, es ist nichts Besonderes, der Nebensatz scheint mir deshalb sehr überflüssig
"den Tränen nahe, ihnen hinüberhaucht"
- etwas gekünstelt und unrealistisch, eine Frau weint wegen eines fremden Kindes?
"na ja vielleicht nicht unbedingt Schreiten, wohl dann doch eher Staksen"
- Majästetisch Schreiten ist was völlig anderes als Staksen, zuerst schreibst du das eine, dann das andere, als ob man es verwechseln könnte. Hört sich für mich auch sehr überflüssig an, der ganze erste Chamäleonsatz.
- kleinere Kommafehler und recht seltsame Verwechslungen von Dass und Das sind auch noch drin, nur kleine Schönheitsfehler
Tja, Mopry hat es schon angesprochen: Die Wiederholungen.
Ich hab dich in vielen deiner Texte gezielt mit Wiederholungen ans Stilmittel herumwerkeln sehen. Meistens hat es auch gut gepasst, hier ist es, weil du dich für die kindliche Sichtweise entschieden hast, auch irgendwo wichtig und gerechtfertigt.
Aber irgendwo kannst du zugunsten des Leseflusses auch an etwas, ich nenne es mal Authentizität des Erzählers, sparen.
In dem Text scheinen viele Wiederholungen nur dem Selbstzweck zu dienen, sie stehen einfach als kleine Auffüller scheinbar funktionslos (kann sein, dass du dir immer etwas dabei gedacht hast, aber wenn der Leser das nicht mitkriegt, wirkt es einfach nur störend und überflüssig) im Text herum, und versuchen krampfhaft den Stil durch den Text zu bringen. Hier noch ein schönes Beispiel dafür: "Mama und Papa. Mama und Papa mit Baby im Arm. Das bin ja ich, denkt sie. Das bin ja ich"
Das nächste mal etwas leserfreundlicher schreiben, bitte
Die Erzählperspektive:
Auch hier bin ich irgendwie unzufrieden. Zuerst dachte ich, du hast irgendwann zum Ich-Erzähler aus der Perspektive der Tochter gewechselt, aber der Erzähler war immer in der dritten Person, aber ebenfalls aus ihrer Perspektive.
Ein personeller Erzähler hat viel mehr Spielraum als ein Ich-Erzähler. Er steht etwas über dem Protagonisten, doch hier bleibt er die ganze Zeit sehr eingeschränkt in der Figur der Tochter, er sieht nur das was sie sieht, er passt sich intellektuell ihr an, also quasi doch ein Ich-Erzähler aus der dritten Person irgendwie.
Worauf ich hinaus will: Durch den gewählten Erzähler hattest du die Möglichkeit, aus der Kleinkind-Sprache auszubrechen, und uns mit stilvoller gewählten Worten und Satzkonstruktionen etwas berichten können, was die Kleine so noch nicht begreift.
Stattdessen lässt du brav sie durch den Erzähler sprechen, die ganze Zeit, es wirkt plätschernd und belastend, als würde man das Alphabet neu lernen.
Selbst als Autor so einer Geschichte muss es einem doch irgendwann leid sein, in so einem "schön ein Fuß nach dem anderen"-Stil zu bleiben, sich selbst derart poetisch einzuschränken.
Wiederholt werden nicht nur Wörter oder Phrasen, sondern inhaltiche Details. Spontan fällt mir die chronische Müdigkeit des Vaters auf, die wird wirklich zuu oft erwähnt, ohne Neues in die Geschichte einzubringen, und zu oft im Vergleich zur Bedeutung dieses Details.
Nebenbei: Ich denke, dass die vielleicht gar nicht vom Arbeite (naive Ansicht der Tochter), sondern von der ganzen Ehe stammt, aber weil er seine Tochter liebt (wurde ja auch seeehr oft gesagt, als Leser hat man es nach wenigen Sätzen schon begriffen) lässt er sich nie etwas anmerken.
Trotz dieser Sachen bleibt deine Geschichte gut zu lesen, sogar den Stil, wenn man über die oben genannten Schwächen hinwegsieht, ist schön träumerisch, und auch recht neuartig. Während sie träumt fühlt man sich, als wäre man bei ihr, und das Chamäleon als Führer ihrer Blicke ist auch eine tolle Idee. Vor allem stellst du auch den Bezug her, wo es herkommt, anstatt es einfach so einzusetzen.
Innovation macht eben doch vieles wieder wet.
Hier noch eine Stelle, die ich besonders schön fand:
Wunderbares Beispiel für ein Detail, das nicht überstrapaziert wurde (ihre Schulterblätter), dann aufgegriffen wird, und später nicht mehr vorkommt, dazu noch die Tochter schön beschreibt (zierlich, engelsgleich), also auch eine Funktion hat.Zitat
Die zwei verschiedenen Ansichten sind auch hier gut platziert.
Ich hoffe ich erschlage dich nicht mit meinen Kritiken, aber ich selbst finde es immer recht unbefriedigend zu lesen "schöne Geschichte, gern gelesen". Man kann's den Geschichte sogar positiv zuschreiben, wenn man über sie überhaupt so viel schreiben kann
Alles in allem war deine Geschichte schön, und ich hab sie gern gelesen, sie hätte eben nur viel schöner werden können.
-Edit-
Ach ja: Das letzte Foto mit dem fröhlichen Vater musst du mir noch erklären
Greetz,
Neo, der Reptilien aufgrund eingeschränkter Kuschel-Kompetenzen als potentielle Haustiere ausschließt.