Ich glaube der Thread ist hier ein wenig aus dem Ruder gekommen. Hier ging es doch eigentlich ums Pseudomodding und nicht um Gesellschaftsbilder. Dennoch möchte ich hier noch kurz (oder eher lang) was zu diesem Thema (vielleicht weil ich es prinzipiell interessant finde) sagen:

Don Cuan:
Ich fürchte deine Definition von "Anarchie" ist eine andere, als die der meisten anderen hier. Wovon du sprichst ist ein idealisiertes Bild der Anarchie, wo alle gleich sind und wo es keine Regeln geben brauch, da sich ohnehin alle auf ein Regelwerk geeinigt haben, das auf Respekt und Toleranz gegenüber den anderen basiert. Dieses Regelwerk ist nirgendwo verfasst und es funktioniert von ganz alleine. Sowas mag in kleinen Gruppen noch annähernd funktionieren, aber sicher nicht mehr bei größeren Gruppen, erst gar nicht in einem offenen System, wo man null Übersicht über die Gruppe hat. Dieses Forum ist so ein System, denn es kann auf der ganzen Welt jeder hierrein und auf wieder raus wie es ihm passt. Und da es so viele Leute sind, gibt es natürlich auch dementsprechend so viele verschiedene Vorstellungen was man machen darf und was man nicht machen sollte. Würde man z.B. einen Staat (ebenfalls mit sehr vielen Leuten) in Anarchie verfallen lassen, sprich alle Kontrollinstanzen abbauen, hätte das immer den selben Ausgang. Erst fangen an sich die verschiedenen Moralvorstellungen aneinander zu reiben, dann wird's blutig. Seiner evolutional-stammesgeschichtlich begründeten dominierungssüchtigen Natur aus wird der Mensch von verschiedenen Seiten aus versuchen sich seine Bedürfnisse auf Kosten der anderen (notfalls mit Gewalt) zu stillen. Und wieso tut er es? Weil er es kann, es hält ihn ja niemand auf. Damit schwinden dann auch irgendwann die moralischen Grenzen, denn wozu sich noch ein schlechtes Gewissen einreden wenn es nicht mehr nötig ist? Das vorläufige Ende ist: Chaos. Das erweiterte Ende in der Regel: Diktatur (nämlich dann wenn sich nach oftmals einem Krieg mit vielen Toten eine der Gewaltgruppen letztendlich über alle anderen durchgesetzt hat. Das ist eine so feste Regel, dass sie immer in der Menschheitsgeschichte zu sehen ist. Nur wenn sich die Menschen organisieren und Strukturen mit festen Regeln bilden, verschwindet das Chaos (ohne jetzt näher darauf eingehen zu wollen wie diese Strukturen aussehen können). Doch damit diese Strukturen auch aufrechterhalten werden können, braucht es Leute, die sie durchsetzen. Diese Leute brauchen dann natürlich dann auch wieder entsprechende Privilegien, die andere nicht haben (z.B. Polizei, Gericht). Gibt es diese Leute nicht, sind die Strukturen nicht das Papier wert auf dem sie verfasst wurden, denn früher oder später würden sie dann eh wieder von irgendwem eingerissen werden. Wer wollte diese Leute auch dabei aufhalten?

Zitat Zitat
Man kann einem Menschen nicht durch Regeln beibringen, dass eine Handlung falsch oder schädlich ist, weil eine solche Einschätzung von individuellen moralischen Maßstäben abhängt.
Nur dumm, dass der Mensch von Geburt an noch keine Moral kennt, die muss ihm erst von einer Autorität (Eltern) anerzogen werden, und zwar so, dass sie Teil seines Gewissens werden. Und genau das geschieht durch Regeln, in diesem Fall durch Regeln, die die Eltern aufgestellt haben.

Ich möchte aber nun wieder auf das Forum zurückkommen:
Moderatoren sind wichtig, um das Forum nicht im Chaos versinken zu lassen. Im Prinzip aus den gleichen Gründen wie beim Staat. Die Leute haben verschiedene Vorstellungen von richtig und falsch und recht bald würden dann auch die auf den Plan kommen, die das Forum als "ihre Beute" betrachten und es immer mehr stören, bis nach und nach alle Nicht-Störer aus dem Forum vergrault werden, da sie sich dort drin nicht mehr wohlfühlen. Und warum stören diese Leute? Im Prinzip weil sie es können. Es gibt ja niemandem vor dem sie Rechenschaft ablegen müssten. Du hast was davon gesagt, dass sich eventuelle Moderatoren eher zum Ziel machen sollten den Leuten ein "Bewusstsein" teilwerden zu lassen. Meinst du nicht, dass du den Moderatoren zu viel zumutest? Die Moderatoren sind nicht dazu da die Erziehung zu übernehmen (vergiss nicht, dass hier auch viele Kinder sind) oder die Gesellschaft neu zu formen und die Menschen zu besseren Menschen zu machen. Die einzige Aufgabe der Moderatoren ist es, die Ordnung für das Miteinander im Forum aufrecht zu erhalten. Für so etwas brauchen sie natürlich entsprechend Autorität. Dazu gehört es natürlich auch, dass klar ist wer diese Autorität besitzt und wer nicht. Pseudo-Modding ist in diesem Fall ein Äquivalent zur "Selbstjustiz" gegenüber der Justiz der Staatsgewalt. Und in beiden Fällen gibt es natürlich auch das gleiche Problem. Der, der die Selbstjustiz ausübt, tut es natürlich bemessen an seinen eigenen persönlichen Moralvorstellungen und nur an den seinen.

Zitat Zitat
Die Trennung, die zwischen Moderatoren und "normalen" Mitgliedern besteht, ähnelt einer entschärften Beziehung zwischen Aristokraten und Bürgerlichen. In der Erkenntnis, dass diese Trennung ungerechte Folgen mit sich zieht, ahmen die "normalen" Mitglieder das Verhalten der höher gestellten Moderatoren nach, (...)
Ich stimme dir mit dem Nachahmen zu, auch wenn ich den Grund nicht in einer fehlenden Akzeptanz gegenüber der Autorität sehe, sondern mehrheitlich eigentlich im Gegenteil. Autorität, die akzeptiert wird, wird nämlich ebenfalls oft nachgeahmt. Das ist ebenfalls ein Verhalten, dass dem Menschen von Natur aus innewohnt (kann sogar bei Primaten beobachtet werden). Die Frage ist nur in welchen Bahnen das geschieht, ob demonstrativ oder über den Melden-Button. Der restliche Vergleich ist IMO unsinn. In der damaligen Zeit wurden die unteren Stände von den oberen weitgehend ausgebeutet, mit für viele irgendwann tötlichen Folgen (verhungern, Krankheit). Desweiteren haben sich die oberen Schichten natürlich überall "Rechte" gesichert, die weit über das Aufrechterhalten der Ordnung hinaus gingen. Um es kurz zu machen: Die oberen Stände hatten die unteren auf verschiedene Art und Weise unterdrückt und die unteren Stände kamen aus dem Dilemma auch nicht heraus. Und damit kämen wir zu einem wesentlichen Unterschied zu der Situation hier. Das hier ist kein Staat. Das hier ist ein Forum, und die Regeln des Forums sind nichts weiter als Hausregeln. Wer sich mit den Regeln nicht anfreunden kann oder ihnen nicht zustimmt, kann jederzeit gehen und sich damit dem Einflussbereich der Regeln entziehen.