[font=Tahoma]Track 02
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[font=Tahoma]Keine Batterien. Dienstag. Morgens. Und keine verdammten Batterien. Was macht man als Discman-Junkie ohne Batterien? Genau. Nichts. Man ist aufgeschmissen. Das ganze verdammte Leben bekennt sich der Bedeutungslosigkeit. Was hat man hier noch verloren?
Eigentlich ist das ganze Sein sinnlos geworden, oder? Man kann getrost abtreten. Es interessiert keinen. Es ist keine große Sache. Für die Gesellschaft sind es sowieso nur zwei Batterien und eine Leiche unter der Brücke (Har, doch noch ne Anspielung auf RHCP geschafft!), wen schert’s? Niemanden. Ist das ein Problem? Warum sollte es? Nur ein weiterer Verrückter, der an seinem selbst verschuldetem Versagen zu Grunde gegangen ist. Bankrott. Schlimmer noch. Ausgetrocknet. Ab jetzt ist alles bedeutungslos.
Naja, was soll’s. Kommen wir zum zweiten Teil meiner Odyssee. Nachdem Track 01 ein bisschen jazzig und hochkantig progressiv verlaufen ist, kommt jetzt ein enorm wichtiger Track. Track 02. (Hat was erhabenes, nicht wahr?)
Track 02 ist sozusagen das Herz des ganzen Albums. Jedenfalls das erste Herz von „wie-viele-eben-noch-kommen“! Track 02 gibt nach der Einstiegsdroge den ersten richtigen Kick und Ich fang jetzt mal besser mit der Story an. Es war also Dienstag Morgen und mir sind die Batterien ausgegangen.[/font]
[font=Tahoma]Und da Ich heute morgen ohne Discman unterwegs bin, bin Ich natürlich gelangweilt und fast am Einschlafen. Versteht ihr? Ich bin am Einschlafen mitten im Gehen! Verdammt, manchmal hasse Ich Musik dafür, dass sie so verdammt wichtig für mich ist und wenn Ich daran denke, hau Ich mir selbst eine rein, weil Ich daran gedacht habe.
Aber schon im nächsten Moment hab Ich die Melodie von Colour Haze’s Get It Out im Ohr und mir geht’s gleich viel besser. Das Leben als musikalischer Nicht-Musiker hat doch schon so seine Vorteile. Nach dem ersten Break in der Melodie bin ich auch schon an der Schule angelangt. Mann, das ging flott. Wunderbar, Markus hat ’nen Ghettoblaster (wenn man das so nennen kann, denn beim zweiten Blick würde ich doch eher tragbares Radioköfferchen sagen) dabei und aus den Boxen knallt grad irgendwas von Phish, was Ich noch nicht so recht zuordnen kann, aber es sind eindeutig Phish, es gibt sonst kaum Krautrock in der Art. Jedenfalls klingt’s lässig und bei diesen Klängen fühl Ich mich so wohl wie ein kleiner gesunder, froher Lemming, der mal nicht stirbt. So, neben Marcus natürlich ein Rico, der im übrigen so aussieht, wie ein Mensch aus den 70ern, der frisch von einem Led Zep Konzert kommt. Dann haben wir da natürlich noch Felix, der gerade - Lechz - eine Packung Pall Mall Red aufreißt, Ich beschleunige also meine Schritte.
„Kippe.“ Das Morg’n spar Ich mir einfach mal.
„Nnnh...Jo.“ Yahooh.
„Feuer.“
„Jo.” Zünd.
„Warum so spendabel heute?” Er zieht etwas aus seiner Tasche. Offensichtlich eine CD.
„Etwas zum Haare durchlüften, mein Freund.“
„Probot - Probot? Kling ja individuell.“
„Klappe, das ist ne Art Soloalbum von Dave Grohl, wofür er sich Leute wie Lemmy oder dem Typen von Roots Bloody Roots ins Boot geholt hat.“
„Nett. Aber Dave Grohl, ist das nicht die Drummer-Pussy, die mit Nirvana gesunken ist und den grottenschlechten Wüstensaft Foo Fighters ins Leben rief?“
„Schon.“
„Wie, schon?“
„Hast du mal reingehört?“
„Selbstredend nicht.“
„Seine letzten Sachen waren mit Jack Black oder den Queens und das war doch ziemlich geil. Warum also nicht?“
„Bin kein Freund von neuen Sachen. Seit Hermano, die mit Motherload den abgefucktesten Song der Welt haben, Dare I Say veröffentlicht haben, und damit nur noch B.B. kopieren, hasse Ich alles schon prinzipiell, was so neu erscheint. Ich lasse mich lediglich noch durch Low Dessert Mucke beeinflussen.“
„Hör rein.“
„Gut, gib die CD.“
„Ha, von wegen.“ Also vielleicht habt ihr es schon mitgekriegt. Aber ich befinde mich gerade in einem Déjà vu. Täglich wollen mir irgendwelche Freaks - die Ich Freunde nennen kann - irgendwelche neue Musik andrehen. Ich meine, ist ja okay. Aber das passiert ständig.
„Ich brenn sie dir zu Morgen.“ Hab Ich gesagt, dass Ich den Scheiss haben will? Na wahrscheinlich werd Ich reinhören und sie wird mir gefallen, Ich hasse das Gefühl, wenn mir irgendwas neues gefällt, weil „Sie“ dann gewonnen haben. Verquere Denkweise, ist mir klar. Aber Ich kann’s auf den Tod nicht ausstehen, wenn Ich mich deren sonst so beschissenen Musikgeschmack beugen muss. Seufz.
Als nächster Song läuft in Markus’ Radioköfferchen Inertiatic Esp von The Mars Volta. Okay, extrem geiler Song, aber hier eine zweite Sache, die ich nicht leiden kann: Remix CD’s. Irgendwelche Songs verschiedener Leute auf eine CD achtlos raufgeknallt. Was soll das? Ich bin mehr so der Alben-Freund. Darum hasse Ich auch „Best of the 60’s“ oder „20 Jahre Rock“ - das ist doch beknackt, zumal die Songs darauf nie zusammenpassen, einfach nur konzeptlos zusammengewürfelte Songs, die zufälligerweise erfolgreich waren. (Achja, es sind immer nur erfolgreiche Songs, niemals einfach nur gute Songs - ein Pluspunkt für Markus, der wohl lediglich seine Lieblingsnummern draufgepackt hat)[/font]
[font=Tahoma] Erste Doppelstunde. Erdkunde Grundkurs. Ja, denn wir brauchen doch alle Kenntnisse bezüglich Orthographie, Bodenbeschaffenheit, Klima etc. über Orte, die uns normalerweise am Arsch vorbeigehen und die wir weder bereisen noch für ne Stunde im Kopf behalten werden. Ich schließe die Augen.[/font]
[font=Tahoma] Ich öffne die Augen. Erste Doppelstunde vorbei. Fängt gut an, Ich hab zwar vom Stoff nichts mitbekommen, aber durch einen glücklichen Schicksalsschlag kamen mir anderthalb Stunden vor wie 5 Sekunden. Das sollte immer so laufen, jetzt hab Ich noch dasselbe Zeitgefühl wie heute Morgen und den dazugehörigen Jetlag vom Wochenende. Cool. Ich verlasse also diesen Raum. Mein Blick bleibt an irgendetwas hängen... Junge, da hat jemand einn Dandy-Warhols-Shirt an. Scheisse, was es nicht alles gibt! Beim zweiten Blick fällt mir auf, dass es sich um ein Mädchen handelt. Und... um ein gar nicht mal so hässliches dazu. Lange, rotbraune Haare, mittelgroß, normale Figur, sie läuft vor mir und irgendwas in mir beschleunigt meine Schritte, Ich muss ihr Gesicht sehen - hab Ich das grad gedacht? Na egal, Ich werde mich jetzt wie ein vorreifer Pop-hörender Mädchen-verfolgender Keller-Teenie benehmen und ihr folgen. Ich folge ihr also. Und folge ihr weiter. Eine ganze Weile sogar... durchquert sie das ganze Schulhaus, oder was? Mittlerweile sind sämtliche Gänge leer, da alle normalen Schüler sich in der großen Pause draußen aufhalten, nur 2 Schüler laufen wie beschränkt durch’s Gebäude. Treppen runter und durch’s Erdgeschoss, Yeehaw.
Auf einmal bleibt sie ein paar Schritte vor mir stehen und dreht sich um. ... Und verdammt, das ist das schönste Gesicht, dass Ich jemals gesehen habe, ovale Form, dazu große, braune Augen, vor einer Brille versteckt, eine kleine Nase, ein kleiner Mund. Da Ich ein scheiss Poet bin, denkt euch den Rest. Sie ist halt schön. Nur irgendwas stimmt da nicht. Ja richtig, sie guckt irgendwie genervt, zieht eine Augenbraue hoch und funkelt mich böse an - Weswegen?! Achja, Ich verfolge sie ja.
„Weswegen verfolgst du mich?“ Du hast ein Dandy-Warhols-Shirt an. Jetzt wo ich drüber nachdenke, ist der Grund ziemlich banal.
„Ähm nunja also weißt du äh ...“
„Nein?“ Uh, eine Zynikerin.
„Okay, eigentlich verfolge Ich dich nur, weil du mir aufgefallen bist.“
„...Inwiefern das?“ Ihr linke Augenbraue bleibt konstant nach Norden ausgerichtet.
„Nun, das, was du da anhast. Ich kenne sonst Niemanden, der die Dandy Warhols kennt.“
„Hach, und Ich kenne auch keinen Menschen, der die sonst kennt.“ Huh...
„Wirklich?“
„Schon mal was von Sarkasmus gehört? Natürlich kenn Ich Leute, die die Dandy Warhols kennen. Und jetzt lass mich in Ruhe.“ Sie dreht sich um und geht... einfach weg.
„Öhm....Moment.“ entweder sie hört mich nicht mehr, weil sie schon einige Schritte gegangen ist oder sie ignoriert mich. Super gemacht, Don Juan. Gut, eine meiner doch recht wenigen Liebeseskapaden mit einer Rekordzeit von genau 6 Sekunden. Okay, ich bin so was gewöhnt, doch ... irgendwas ist anders. Ich bewege mich erst mal gen Rauchersektion des Hofs.[/font]
[font=Tahoma]„Was’n mit dem?“ fragt Felix Rico, nachdem Ich 4 Minuten lang mit einer unangezündeten Zigarette im Mund gen Himmel starre. Ja, gute Frage. –Was’n mit mir?-
„Kein Plan, Auch egal. Denn mir ist grad eingefallen, dass Maria mit diesem Schuljahr aus England wiedergekommen ist.“
„Ah! Stimmt! Wieso ist dir das nicht schon gestern eingefallen?!“
„Gestern war sie sowieso noch nicht hier. Erst seit heute wieder, wegen dem ganzen Papierkram und so.“
„Na dann ist ja gut.“ Ich fühle mich dazu genötigt, mich in diesen Dialog einzuklinken.
„Wer’s Maria?“
„Maria, kennst du doch. Mit der haben wir früher abgehangen, klein, dicklich, rote Haare, spielt Gitarre – Klingelts?“
„...Rote Haare?“ Moment mal.
„Ja, sie wird uns sowieso suchen kommen.“
„Da ist sie ja auch schon.“ Moment. Das hier entwickelt sich wie ein billiger Kinofilm. Ich ahne was jetzt kommt und Ich kann nicht hinsehen. Ich senke meinen Blick... und...
„Tagchen.“ Sie ist es und grinst uns dämlich an. Das schöne Gesicht mit dem Dandy-Warhols-Shirt. Verdammt. Natürlich, es lag auf der Hand. Diese Schule ist außer einer Hand voll Leuten (die Ich alle kenne) verseucht von MTV, warum sollte auch einer alleine heraussprießen und sich für intelligent filigrane Gitarrenriffs interessieren?
„Moin.“ Ricos Standartbegrüßung.
„Moin Moin.“ Felix’ Standartbegrüßung.
„Hallöchen.“ Markus’ Standartbegrüßung.
„Ähm...“ Meine Standartbegrüßung.
„Ja, wir haben uns ja schon getroffen, nicht wahr?“ Sagt sie relativ gelangweilt zu mir. Und hör Ich da einen bösen Unterton raus? Naja, wer kann’s ihr verdenken? Ich hatte sie einfach vergessen, dabei hat sie uns sogar Briefe geschrieben (beigelegt waren freundlicherweise immer irgendwelche coolen Indiebootlegs und -demos), Mails geschickt und wir haben sogar miteinander telefoniert... Ich bin ein Arsch. Ein Arsch mit vortrefflichem Musikgeschmack.
„Ähm... Hurz!“ Ein neues Wort. Wow. „Du hast abgenommen.“ Ein Kompliment. Darauf stehen die Frauen.
„Nicht wahr?“ Sie nimmt mir meine Zigarette aus dem Mund und zündet sie sich an. Dreist, sicherlich, aber erst jetzt bemerke Ich ihre wunderschönen Hände, insofern hat jeder was davon.
„Aber er hat recht, du hast dich wirklich total verändert.“ Es gibt immer einen Idioten, der eine romantische Szenerie verdirbt, nicht wahr Felix?
„Jetzt tut mal nicht so. Ihr habt mich auf Fotos gesehen.“
„Aber trotzdem, Respekt.“ Ich hasse mein Leben und Diejenigen, die es mir versauen.
Nach etwa 10 Minuten Konservation über diverse Gigs, auf denen sie in England war, klingelt es. Ich hatte etliche Chancen und hab sie alle verpasst. Aber erstens war das nicht die letzte Pause bzw. Gelegenheit um irgendwas zu reißen und zweitens war der Start im Nachhinein besser gelaufen, als Ich es mir vorgestellt hätte, also was beschwer Ich mich? Ich versuche beim Reingehen mit ihr Schritt zu halten.
„Hey Maria.“
„Du suchst menschliche Nähe, was?“
„Offensichtlich. Also pass auf.“
„Ja?“
„Ich dachte mir, vielleicht könnten wir uns mal zusammen wo hinsetzen und gemeinsam Musik hören.“ Sie schaut ein wenig verdutzt. „Du und Ich sind sowieso die einzigen hier, die auf guten Alternative stehen. Und Ich habe das neue Frusciante-Album. Ungehört.“ Dem konnte sie nicht widerstehen.
„Mmh.“ Sie überlegt. Nicht lange. „Nagut, okay, zeig deinen Stundenplan her.“ Bingo. Kurz nachdem Ich meinen zusammengeknüllten Stundenplan aus meiner Hosentasche gefischt habe, vergleicht sie diesen auch schon mit ihrem akribisch.
„Gut!“ sie klatscht in die Hände. “Wir haben morgen jeweils die dritte und die vierte Stunde frei, bring also das Album, deinen Discman und ein paar Kopfhörer mit.“ Sie lächelt mich an.[/font]
[font=Tahoma] Okay, jetzt hab Ich was, worauf Ich mich freuen kann. Der klägliche Rest (= 6 lange verdammte Stunden) des Unterrichts vergeht wie im Flug (= 6 lange verdammte Stunden) und Ich mach mich auf den Heimweg. Nachdem Ich mich durch die Menschenmenge gewühlt hab und endlich bewegungsfrei auf dem Heimweg bin, läuft sie mir plötzlich hinter mir.
[/font][font=Tahoma] „[/font][font=Tahoma]Na?“ Sie klingt ein wenig erwartungsvoll.
„Yo.“ Ohne mich selbst zu loben, das war lässig ohne Ende.
Wir laufen eine ganze Weile nebeneinander her und sagen kein Wort.
„Hey, kennst du The Bright Eyes?“ [/font][font=Tahoma]Nein. Was soll die Frage jetzt?
„Jepp, der Sänger hat ’ne coole Stimme.“
„Du kennst sie wirklich?“
„Ähm nein.“
„Woher wusstest du dann, dass der Sänger ’ne coole Stimme hat?“
„Geraten.“
„Ähm, Okay. Idiot.“
„Krzzhg.“ Das war das Intelligenteste, was Ich heute von mir hab sagen hören.
„Naja, Ich bring Morgen einfach auch eine CD mit. Von den Bright Eyes. Wir hören die dann nach dem Unterricht.“
„Okay.“
„Und vielleicht könntest du noch mehr neue oder eben’ neu entdeckte CD’s mitbringen. Falls du nichts besseres vorhast.“ Ha, Ich und was besseres vorhaben als Musik zu hören? Ich bin selbst ein einziger Song. Das sollte Ich sagen.
„Öhm, Klar doch.“ Okay, dann halt nicht.
„Gut.“
„So, Ich muss jetzt hier abbiegen. Bis dann. Und bring’n paar Batterien mit, Ich hab derzeit keine.“ [/font][font=Tahoma]Ha... Ha Ha. [/font][font=Tahoma]Ich kaufe also Batterien.[/font]