-
General
VI
Gregg träumte so schön wie schon lange nicht mehr.
"Aufstehen, Schlafmütze!", drang es da gnadenlos in sein Ohr und der Traum verflüchtigte sich. Es war Pegmo, der ihm leicht mit dem Fuß in die Seite drückte. Widerwillig befolgte er den Befehl.
"Guten Morgen, Gregg", sagte eine weiche Stimme in seinem Rücken und vom Klang angenehm berührt, drehte er sich um. Tirsa war wie Riffo und Pegmo schon hellwach und musste lachen, als sie seinen verschlafenen Blick sah.
"Guten Morgen", erwiderte er etwas verlegen und machte sich reisefertig.
VII
Nachdem die kleine Gruppe den ganzen Vormittag gelaufen war, erreichte sie den Rand des Sumpfes, der so urplötzlich anfing, als hätte jemand eine Linie gezogen. Noch standen sie auf dem trockenen, lehmigen Boden, doch vor ihnen erstreckte sich in unendlicher Weite etwas Schwarzes, Feuchtes, Stinkendes dem an manchen Orten glucksend Gase entwichen.
"Wie sollen wir da bloß rüber kommen?"
"Keine Sorge, Gregg. Man muss nur wissen, wie.", versicherte Riffo.
"Da wo ich durch den Sumpf geflohen bin", meinte Tirsa, "hatte es viele Wege. Aber jetzt sehe ich keinen einzigen davon.
"Wir nehmen auch keinen Weg. Auf ihnen begegnet man garantiert den Drathem. Du hattest Glück, dass sie dich nicht erwischt haben", entgegnete Riffo.
"Aber was dann? Sollen wir etwa da durch waten?", stieß Gregg aus. "Wir würden dabei unangenehme Hautreizungen bekommen." "Also?", fragte Tirsa. "Ein Gorga aber nicht.", antwortete Riffo, worauf Pegmo grinsen musste.
Nun erst bemerkten Gregg und Tirsa, dass der riesige Affe daran war sich seltsame Vorrichtungen an die Füsse zu binden. "Wie Schneeschuhe", dachte Gregg.
Wie ihnen Riffo erklärte, waren diese allerdings nur für besonders wässrige Stellen, denn die Beine des Gorga versanken ohnehin beim Eintreten in das schlammige Gebiet bis zu den Knien.
Pegmo ging in die Hocke und befahl: "Aufsteigen! Gregg auf eine Schulter, Tirsa auf die andere." Und so betraten sie das Sumpfgebiet. Ein riesiger Gorga mit zwei Menschen auf den Schultern und einem augenlosen Affen dazwischen. Für Pegmo schien das nicht die geringste Anstrengung zu kosten und er marschierte wie ein Uhrwerk vorwärts.
Für Gregg und Tirsa war diese Art zu reisen gar nicht so bequem, wie man es sich vielleicht vorstellt. Sie rutschten immer weiter an den breiten Schultern runter und hatten jedes Mal ein schlechtes Gewissen, wenn sie Pegmo kräftig ins Fell greifen mussten, um sich wieder hochzuziehen. Ausserdem Schug das immerwährende Schwanken unangenehm auf den Magen.
Zu ihrem großen Erleichtern meldete sich auch der Magen des Gorgas recht häufig. Dann hielten sie an an einen der giftgrünen niedrigen Bäume, wo sie Pegmo ins Geäst setzte, um etwas zu sich zu nehmen.
Ab und zu kreuzten sie Wege, die mit ungeheurem Aufwand künstlich gelegt worden waren. Es waren meist Gerüste aus Holz, die einen mit der Zeit rissig und unsicher gewordenen Lehmweg zusammenhielt, manchmal aber auch feste Steinstrassen, die aus dem Morast ragten.
Jedoch entfernten sie sich immer schnell von diesen Wegen, da sie von den Drathem angelegt worden waren, um schneller mit Lieferungen voranzukommen. "Welche Lieferungen?", fragte Gregg in einen von Riffos Vorträgen.
"Metall", antwortete Riffo. "Ein Volk aus den Bergen weit im Osten beliefert die Drathem mit Metall, mit welchem sie die Spitzen für ihre Speere herstellen."
"Dort! Wir sind fast da!", unterbrach sie ihr Träger unter ihnen. "Dort ist der gelbe Baum!"
Tatsächlich ragte vor ihnen ein riesiger gelber Baum aus dem Sumpf.
Als Pegmo Anstalten machte, sie vor dem Baum abzusetzen, entfuhr es Tirsa: "Aber hier sind wir doch mitten auf einem Weg!"
"Keine Angst, sie fürchten den Priester.", wurde sie beruhigt."Und das zu Recht!", ertönte es mit Donnerstimme aus dem Baum, so dass Tirsa vor Schreck fast in den Schlamm gefallen wäre. Dann schwang sich ein winziges gelbes Äffchen vom Baum hinunter und kicherte: "Oder vielleicht auch zu Unrecht."
"Ihr seid der Priester?", wollte Gregg wissen. "Aber nein, ich bin Poi Poi, der Wächter."
"Aber wie wollt ihr denn etwas bewachen, wo Ihr doch so klein seid?"
"Indem ich Angst und Schrecken verbreite", ertönte es wieder mit mächtiger Stimme, die tatsächlich von den dünnen Lippen Poi Pois zu kommen schien. Gleichzeitig wehte den Ankömmlingen eine starke Böe entgegen.
Darauf verstummte Gregg erstmal und Riffo übernahm das Wort. "Sei gegrüßt, Poi! Führe uns doch bitte gleich zum Priester. Die Reise hat unsere Beine müde gemacht." "Unsere?", schallte Pegmo. "Wohl eher meine!"
Poi Poi schmunzelte ob diesem Gezanke, winkte, dass man ihm folge und kletterte flink in den Baum hinauf. Tirsa und Gregg hatten einige Mühe ihm nachzuklettern und auch Pegmo stellte sich dabei nicht allzu geschickt an.
Oben angekommen, bot sich ihnen ein überraschender Anblick: ein schier endloser Holzweg führte von dem gelben Baum aus in einigen Metern Höhe über die Sumpflandschaft. "Schätze, ihr werdet wohl doch noch etwas eure Beine strapazieren müssen.", kicherte der kleine Gelbe wieder. "Aber wieso konnte man das denn von unten nicht sehen?", fragte Pegmo verblüfft, der scheinbar auch noch nie den gelbenBaum erklommen hatte.
"Das versteht man nur, wenn man den Unterricht des Priesters genossen hat", antwortete Poi stolz.
Und so ging die kleine Gruppe den mysteriösen Holzweg entlang, während der kleine Poi Poi ihnen noch eine Weile belustigt nachsah, bevor er wieder in den Ästen des gelben Baumes verschwand.
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
-
Foren-Regeln