Ravana ging zwischen den Regalen des Krämerladens umher und sah sich um. Der Besitzer des Ladens war so nett zu ihr gewesen und sie wollte ihm nun den Gefallen tun und seine Waren ansehen.

Nachdem sie von dem seltsamen Händler den Trifroce-Anhänger bekommen hatte, war sie noch eine Weile dagestanden und hatte ungläubig den Anhänger angestarrt. Es war ihr vorgekommen, als hätte sie das Gespräch mit dem Händler nur geträumt, doch der Anhänger war real.
Dann hatte sie sich die Kette um den Hals gelegt, hatte nochmal mit dem Finger über das schöne goldene Symbol gestrichen und hatte sich dann entschlossen, nochmal in den Krämerladen zu gehen. Danach wollte sie wieder nach Hyrule, um Milo zu treffen.

In den Regalen gab es viele Dinge, deren Nutzen ihr unverständlich waren. Wahrscheinlich waren das Dinge, die man im Haus gebrauchen konnte, doch Ravana hatte nie in einem Haus gewohnt.
Schließlich fand sie etwas, das sie kannte: einen schmalen, langen Dolch, der am Griff mit Steinen und Lederriemen verziert war. Sie sah sich den Dolch an und rang mit sich. Sie hatte schon einen Dolch, doch ihrer war nicht so schön. Aber sie brauchte ihr Geld, um die Reparatur des Teppichs bei der Kräuterhexe zu bezahlen.
Während sie noch überlegte, ertönten von draußen Schreie und sie hörte Schritte vor der Tür rennen.
Da muss was passiert sein, dachte sie, legte den Dolch zurück ins Regal und hastete zur Tür, um selbst nachzusehen.
Draußen sah sie Männer auf den großen Platz zu rennen, die meisten hatten ein Schwert, einen Bogen oder eine Axt in der Hand, und sie sahen besorgt aus. Mütter brachten ihre Kinder in die Häuser und kamen danach wieder heraus, mit Hacken, Stöcken und langen Messern bewaffnet.
Ravana lief hinter den Dorfbewohnern her und sah, dass der Markt hastig aufgelöst wurde, die Händler packten ihre waren zusammen und zogen sie fort, in den Schutz der umstehenden Häuser.
Ravana war verwirrt, sie sah keinen Grund für die Eile und die panischen Schreie. Sie packte eine Frau, die mit einem Kind auf dem Arm an ihr vorbeirennen wollte, am Arm und fragte: „Was ist denn los? Warum herrscht hier solche Panik?“
Die Frau riss ihren Arm los und rief, während sie sich wieder in Bewegung setzte: „Kakariko wird angegriffen! Hilfe, sie werden uns alle töten!“
Kakariko wird angegriffen? Wer würde denn die kleine beschauliche Stadt angreifen? Ich muss ihnen helfen! dachte sie und sah sich um.
Die meisten Bewaffneten bewegten sich schnell zur Treppe, die zur Steppe hinunter führte. Von dort musste der Angriff kommen. Ravana zog vorsichtshalber ihren Säbel und lief hinter den anderen her.
Zum Glück habe ich gestern noch trainiert, so habe ich vielleicht doch nicht so schlechte Chancen, dachte sie erleichtert. Mein erster richtiger Kampf!

Am Fuß der Treppe hatten sich einige Soldaten und Dorfbewohner versammelt, und beratschlagten sich hektisch. In einiger Entfernung stand eine große Gruppe hässlicher, großer Wesen – vermutlich die Angreifer. Ravana hatte nie solche hässlichen Wesen gesehen, und war froh, gut bewaffnet zu sein. Nicht weit von ihr entfernt stand ein großer Mann mit einem langen Schwert, der Befehle brüllte – wahrscheinlich der Anführer der Verteidigung. Und neben ihm – Ravana musste zweimal hinsehen – ein kleines Wesen, höchstens halb so groß wie sie, mit Armen und Beinen, die wie Äste aussahen. Es sah mehr aus wie ein seltsam geformtes Stück Holz, als ein Mensch, und doch blickte es aufgeregt umher, in der Hand hatte es tatsächlich einen Bogen.
Warum lassen sie so ein Ding hier kämpfen? Jemand wird es mit einem Schwerthieb von oben bis unten zerteilen, dachte Ravana. Sie schob ihren Säbel wieder in die Scheide und sah sich um, um einen guten Platz zur Übersicht zu finden. Mit dem Bogen kann ich wahrscheinlich am Anfang mehr ausrichten, dachte sie.
„He!“ rief der Hauptmann in ihre Richtung. Ravana drehte sich um, um zu sehen, ob er jemand hinter ihr meinte. Dort standen einige bewaffnete Frauen, die entschlossene Gesichter machten.
„Ihr Frauen da drüben, was macht ihr denn hier?“ rief der Mann ihnen zu.
Mit offenem Mund starrte Ravana ihn an. Wollte er sie etwa zurück ins Dorf schicken, nur, weil sie Frauen waren? Sie hätte nicht gedacht, dass so etwas möglich war. Eine der Frauen dachte ähnlich und rief dem Mann etwas in der Richtung zu.
Daraufhin ließ er sie am Kampf teilnehmen, da er selbst merkte, dass er jede Hilfe gebrauchen konnte.
Ravana war enttäuscht, dass man sie nicht nur meistens mit Verachtung strafte, sondern jetzt sogar nicht mal als richtige Kriegerin ansah. Sie überlegte, ob sie nicht einfach weitergehen sollte, nach Hyrule, wie sie es vorgehabt hatte, und den Kampf den Bewohnern und Bewachern Kakarikos überlassen sollte, da sie sowieso nicht wie eine helfende Hand behandelt wurde, doch dann entschied sie, dass die Bewohner es nicht verdient hatte, überfallen zu werden und Hab und Gut an diese hässlichen Monster zu verlieren.
Sie stellte sich auf die Treppe, um eine gute Übersicht zu bekommen, nahm ihren Langbogen vom Rücken und legte einen Pfeil auf die Sehne.
Kurz darauf sah sie überrascht, wie dieses kleine Astmännchen sich auf ein großes Pferd schwang und den Angreifern entgegen ritt. Das kleine Ding hat ja echt Mut, dachte sie.
Sie beobachtete, wie es zwei dieser großen Wesen mit Pfeilen tötete und dann wieder zurückgeritten kam.
Kurz darauf setzten sich die Angreifer in Bewegung, und Ravana hörte noch den lauten Ruf des Hauptmannes: „BOGEN ABFEUERN!“
Ravana dachte noch, dass sie nur wenige Pfeile hatte und sie sich bald neue würde anfertigen müsse, und schoss dann mitten in die jaulende Meute der Angreifer. Sie sah, wie eines dieser haarigen, schweineschnäuzigen Monster umfiel und freute sich innerlich über ihren kleinen Sieg. Schnell ließ sie den nächsten Pfeil fliegen, und dann noch einen und noch einen, bis ihr Köcher leer war.
Inzwischen waren die Angreifer bei der Treppe angekommen und verwickelten die Verteidiger in einen heftigen Kampf.
Ravanas Herz klopfte und sie hatte Angst, verletzt zu werden, doch Bumara hatte ihr den Säbel nicht geschenkt, um damit Blumen zu schneiden, und so fasste sie ihren Mut zusammen, zog den Säbel, schrie laut auf und warf sich in das Kampfgetümmel.
Sie schwang ihren Säbel und wandte die Techniken an, die Bumara sie gelehrt hatte, und sie merkte, dass diese Techniken das bewirkten, wofür sie da waren: sie hielt die Monster von sich fern und schaffte es, sie dennoch anzugreifen.
Verbissen stürzte Ravana sich auf den nächsten Angreifer, der sie dumm anglotzte und versuchte, sie mit einer Lanze aufzuspießen. Ravana wich dem Angriff aus und schaffte es im Gegenzug, das schweinsartige Wesen am Bauch zu treffen. Jaulend fiel es zu Boden und wälzte sich im Gras.
Schreiend stürzte sie sich auf den nächsten Angreifer und versank in einer Art Rausch. Sie bekam kaum noch mit, was um sie herum geschah oder wieviel Zeit verging, sie hatte immer nur ihren jeweiligen Gegner im Auge und schaffte es, seinen Angriffen auszuweichen und ihn kurz darauf zu töten oder wenigstens kampfunfähig zu Boden zu schlagen.
Einmal streifte die Spitze einer Lanze ihren Oberschenkel und hinterließ einen brennenden Streifen, doch nach kurzer Zeit bemerkte Ravana auch die Schmerzen nicht mehr.
Plötzlich standen ihr zwei Angreifer gegenüber und ein weiterer schlich sich von der Seite an. Gleichzeitig begannen sie, auf Ravana einzuschlagen und sie zu bedrängen. Sie wehrte sich verbissen, merkte jedoch, wie die Müdigkeit in ihre Glieder kroch und ihre Bewegungen verlangsamten. Sie schaffte es nicht, ihre Gegner zurückzuhalten, sondern wurde selber zurückgedrängt und bekam es langsam mit der Angst zu tun. Sie war sich sicher, dass das ihr Ende war, wie war sie nur auf die Idee gekommen, den Menschen von Kakariko eine Hilfe zu sein? Sie würde niemandem mehr helfen, diese hässlichen Biester würden sie hier und jetzt töten und sie würde Bumara und die Wüste nie mehr wieder sehen. Gestorben in einem Kampf gegen Biester, wie sie es sich nicht einmal in ihren Alpträumen ausgemalt hatte...
Mit letzter Kraft schlug sie um sich und schrie aus voller Kraft, vielleicht würde ihr doch jemand zur Hilfe eilen...