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Ehrengarde
Schlossgarten
Sonnenstrahlen und Vogelgezwitscher weckten Ravana am nächsten Morgen. Sie blieb noch eine Weile liegen und genoss es, dem leisen Summen der Bienen zu lauschen und die frische Luft einzuatmen. Der Himmel war blau, wie bisher immer, seit sie die Wüste verlassen hatte.
Wie konnte ich nur so lange Zeit in der Wüste verbringen und mich nicht nach dem blauen Himmel, der Weite und anderen Lebewesen sehnen? dachte Ravana, wie so oft in letzter Zeit.
Sie hatte vom 'anderen Leben' außerhalb der Wüste gewusst, ihr Ziehvater hatte ihr davon erzählt und sie hatte die Legenden Hyrules gelesen, doch nie hatte sie daran gedacht, die Wüste zu verlassen. Die Wahrheit war, sie hatte Angst vor dem Neuen. In der Wüste kannte sie sich aus, nichts konnte sie überraschen, und sie war sich selbst die beste Begleiterin. Hier draußen aber musste sie mit anderen Menschen reden, sich mit ihren Eigenheiten herumschlagen, und es gab viele unbekannte Erfahrungen. Doch sie war froh, dass sie diesen Schritt getan hatte.
Ravana setzte sich auf, streckte sich und rüttelte dann Milo wach, der selig auf einem Moospolster neben einem Baum schlief.
Die Sonne hatte schon den halben Weg zum Zenit zurückgelegt und Ravana war voller Tatendrang.
Milo stand brummend auf und sagte: „Und was machen wir jetzt? Ich hab Hunger. Jetz waren wir ja beim König und haben unseren Auftrag erledigt. Sollen wir zurück zur Farm?“
Ravana hob den klimpernden, prall gefüllten Lederbeutel hoch, den sie vom Sekretär des Königs bekommen hatte. „Hast du schon vergessen? Wir sind jetzt reiche Leute! Ich würde sagen, wir kaufen uns erstmal was zu beißen und machen uns dann auf den Weg nach Kakariko, da wollte ich mir was kaufen.“
Beim Wort 'beißen' fing Milo an, breit zu grinsen und seine großen Augen begannen gewohnt gut gelaunt zu leuchten.
Sie verließen ihren Schlafplatz unter einer Baumgruppe im Garten des Schlosses und gingen zum schmiedeeiserne Tor, das den Zugang zum Schloss versperrte. Der Wachsoldat am Gitter sah die beiden misstrauisch an und sagte: „Wo kommt ihr beiden denn her? Habt ihr im Schloss was gestohlen? Ich habe euch doch gestern abend schon eingelassen, wo wart ihr heute Nacht? Hä?“
Milo verdrehte die Augen. „Jetzt öffnet uns das Tor, wir haben nichts gestohlen. Sonst wären wir sicher nicht hier zum Tor gekommen, sondern hätten uns heute nacht davon geschlichen, oder, Ravana?“
Ravana sagte grinsend: „Genau, da gibt es bestimmt genug Möglichkeiten, Euch und Eure Kollegen zu umgehen, wenn man mit dem Diebesgut nicht erwischt werden will, oder?“
Das Gesicht des Wachposten lief rot an. Er war ausgesprochen schlecht gelaunt und hatte keine Lust, sich von dahergelaufenem Gesindel auf der Nase herumtanzen zu lassen. „Ich sollte euch beide verhaften lassen. Wo kommen wir denn da hin, wenn hier so frech über des Königs Besitztümer geredet wird. Ich sollte...“
Ravana unterbrach ihn, sie hatte keine Lust, sich hier ernsthaft mit dem Wachposten herumzuschlagen, während ihr Magen knurrte. „Schon gut, Ihr seid ein sehr guter Wachposten, der König kann sich glücklich schätzen mit Wachleuten wie euch, aber wir haben wirklich nichts gestohlen. Bitte lasst uns passieren.“
Der Mann sah noch immer so aus, als suchte er fieberhaft nach einem Grund, die beiden ins Verließ schleifen zu lassen. Ravana zwinkerte ihm verschwörerisch zu Milo schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
„Also gut,“ brummte er, ging in das Häuschen neben dem Tor und kam mit einem silbernen Schlüssel zurück, mit dem er das Tor aufschloss. „Aber besser, ihr lasst euch nicht mehr hier blicken, sonst glaube ich wirklich, dass ihr was im Schilde führt. Weg mit euch.“
Ravana verdrehte die Augen und sie gingen durch das Tor. Milo drehte sich zu dem Wachmann um und streckte ihm die Zunge heraus, als dieser den Schlüssel zurück in das Häuschen brachte.
„So ein schlecht gelaunter Kerl. Wir sollten uns beim König beschweren, dass seine Leute friedliche Reisende behindern,“ sagte er. „Dem will ich wirklich so schnell nicht mehr begegnen.“
Ravana nickte. „Ich auch nicht.“
Der Marktplatz von Hyrule war zum Bersten gefüllt mit Menschen. Musikanten spielten auf ihren Instrumenten, Marktfrauen priesen lautstark ihre Ware an, Bäuerinnen und Hausfrauen drängelten sich an den verschiedenen Ständen und Kinder und Hunde sprangen zwischen den Leuten herum.
„Was ist denn das da?“ rief Milo und deutete auf eine Hauswand. Dort lag ein riesiger Felsbrocken auf einem karierten Tuch, vor ihm stapelten sich Bomben und andere explosive Gegenstände.
Erst als Ravana genauer hinsah, erkannte sie, dass der Fels Augen hatte und seine Lippen sich zu einem gutmütigen Lächeln kräuselten. Ein Gorone.
„Das muss ein Gorone sein, wenn mich nicht alles täuscht. Komm, den sehen wir uns genauer an!“ sagte sie freudig. Noch nie hatte sie einen Goronen gesehen. Dieser hier sah auf den ersten Blick wirklich aus wie ein großer, eiförmiger Fels. Er hatte einen dicken Körper, dünne kurze Beine und dafür starke, lange Arme.
Neugierig schlichen sich die beiden um einige Leute herum auf den Goronen zu und beäugten ihn neugierig.
„Wie dick der ist!“ lachte Milo. „Meinst du, wenn man ihn anfasst, ist er warm, oder kalt wie ein Stein? Ich habe gehört, dass Goronen sogar Steine essen! Stell dir das mal vor... Kann der reden?“
Ravana lachte. „Ich weiß nicht, wie er sich anfühlt. Geh doch mal hin und frag, ob du ihn anfassen kannst, vielleicht sprengt er dich auch nicht in die Luft.“
Milo sah angstvoll zu ihr auf. „Sprengen Goronen Leute in die Luft? Das dürfen sie doch nicht, oder? Sind die böse?“
Ravana zuckte mit den Achseln. Der Gorone hatte bisher nicht mitbekommen, dass in der Nähe zwei Neugierige standen und über ihn redeten. „Ich weiß nicht. Ich glaube nicht, dass sie böse sind. Die Goronen haben geholfen, Ganondorf zu vertreiben, so böse können sie nicht sein... Komm, lass uns weitergehen, ich hab wirklich Hunger. Oder willst du ihn wirklich fragen, ob du ihn anfassen darfst?“
Milo schüttelte heftig den Kopf. „Nein, lieber nicht, ich bin doch nicht lebensmüde!“
Sie gingen auf dem Markt umher und fanden schließlich einen Stand, hinter dem ein dicker Mann frisches Fladenbrot verkaufte. Die leckeren Stücke, die auf der Theke lagen, dampften noch und verströmten einen leckeren Duft. Milo und Ravana waren sich einig – hier gab es genau das Richtige zum Frühstück.
Nachdem ihre Mägen zufrieden waren, gingen die beiden noch auf dem Markt herum und sahen sich die vielen bunten Stände an. Doch Ravana wollte ihr Geld nicht ausgeben, und Milo sah es wohl ähnlich. Gegen Mittag drehten sie dem Markt den Rücken zu und gingen die breite Straße zur Zugbrücke entlang, Richtung Steppe, um sich auf den Weg nach Kakariko zu machen.
Geändert von Ravana (03.02.2005 um 13:08 Uhr)
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