-
Ehrengarde
Schattentempel
Es war angenehm dunkel in der kleinen Krypta, die der Nekromant für sich alleine hatte. Hier konnte er ungestört in seinen Büchern lesen und über evtl. Angriffe der Krieger des Lichts nachdenken. Auf einen Stuhl aus Gerippen, kunstvoll zu Möbeln gearbeitet, saß er über ein Buch gebeugt und blätterte die Seiten um. Als er hier und dort die Zeilen überflog, erhellte ein Lächeln sein schönes Gesicht. Das Leuchten, welches von ihm selbst ausging, erstarkte in solchen Momenten besonders und erhellte den Raum stärker. Doch das erhellte Zimmer offenbarte keine Scheußlichkeiten wie man es sich vorgestellt hatte, vielmehr entdeckte der geneigte Beobachte jene Art von Leere, die jedes Zimmer aufwies, das nur zu einem bestimmten Zweck gebaut wurde. Nocres seufzte leise, schlug das Buch zu und stand auf.
Es gab viel zu tun. Villon würde sehr bald zum Angriff übergehen und die Welt, die scheinbar keinerlei Verteidigung aufzubieten hatte, in weniger als einem Atemzug überwältigen. Doch dazu brauchte er Soldaten, Wesen geschaffen zu einem einfachen und einleuchtenden Zweck: Leben und Hoffnungen zu zerstören.
Der Nekromant verlies die kleine Krypta und begab sich durch lange Flure und Korridore in einen Raum, der mit Fug und Recht als Platz genannt werden konnte. Die Decke war nicht zu erkennen und die Wände in Finsternis gehüllt. Normalerweise herrschte Stille in dieser Halle, doch nun waren Hunderte von Wesen damit beschäftigt, Material für die verfluchten Riten des Nekromanten herbeizuschaffen und auf große Haufen zu legen. Gestank von verwesendem Fleisch erfüllte die Luft und wurde von Nocres mit Genuss und einem charmanten Lächeln eingesogen. Der Dolch an seiner Seite funkelte in der Dunkelheit wie ein heller Stern, wurde nur von dem eigenen Licht des Nekromanten übertroffen, und wartete auf Arbeit, die in geradezu greifbare Nähe rückte. Die Untoten, die bisher gehorsam ihren Arbeiten nachgegangen waren, blickten auf und wichen zurück, als ihr leuchtender Meister näher kam. Die schweren, öligen Fackeln, die überall in der Halle verstreut waren, doch genügend Abstand zu den arbeitenden Zombies gehalten hatten, erloschen plötzlich und Lichtstrahlen zuckten kurz über das grausige Szenario der Schlachtbanken und den blutigen Seen, die sich an einigen Stellen gebildet hatten, und verschwanden letztendlich im rechten Auge des Nekromanten.
Er ging weiter in die Dunkelheit hinein, bis er einen schwarzen Altar erreicht hatte. Fleisch und Haut hingen von den Kanten des Steins und Blut hatte ihm einen rötlichen Glanz verliehen. „Bringt mir zwei weitere Körper und holt Panton aus dem Kerker. Meine Arbeit an ihm ist noch nicht beendet.“ Zwei Untote verbeugten sich gehorsam und eilten so schnell es ihnen möglich war davon. In aller Ruhe nahm Nocres seinen Mantel ab und warf ihn achtlos hinter sich. Beinahe zärtlich umfasste er seinen Dolch und hob ihn in die Höhe. Eine verstümmelte Leiche wurde gebracht und auf den Altar gelegt. Die Verwesung hatte bereits angesetzt und viel des brauchbaren Fleisches vernichtet. Doch das war kein Problem. Kakariko hatte noch viele Menschen, die nur darauf warteten dem Nekromanten zu Diensten zu sein. Der glitzernde Dolch sauste herab, schnitt durch faules Fleisch, trennte Sehnen und Knochen. Nocres arbeitete mit chirurgischer Präzession, nahm innere Organe heraus und häutete den übriggebliebenen Torso in schnellen Bewegungen. Das Blut spritze bei jedem Schnitt und sehr schnell schon, war Nocres blutbesudelt. Die bleiche Haut des Nekromanten erzitterte bei jeder Bewegung , schien das Blut aufsaugen zu wollen. Mit bloßen Händen griff er immer wieder und wieder in den Kadaver und nahm die ein oder anderen Teile heraus, wischte sich mit der blutigen Hand über die Stirn und arbeitete weiter. Ein zufriedenes Lächeln erhellte die ganze Zeit sein Gesicht, und es änderte sich auch nicht, als die Angstschreie eines riesigen Tieres durch die Katakomben grollten. Man hörte die panischen Laute, wie sie sich mit Schmerzensschreien vermischten, als mehr und mehr Zombies und Untote davoneilten um Panton zu in die Halle zu zwingen, und dabei rohe Gewalt einsetzten.
Der Dolch zuckte gerade aus einer weiteren Leiche, gefolgt von einem Schwall Blut, als man das Donnern der Hufe Pantons hörte. Nocres sah kurz auf, lies seinen Blick über die Abscheulichkeit vor ihm schweifen und winkte nur mit Hand. Die verschiedenen Augen, die am Kopf und am massigen Körper von Panton rastlos die Umgebung sondierten, weiteten sich vor Schrecken, und der Stier versuchte mit aller Kraft sich gegen die Untoten zu wehren. Doch weder die Kraft seiner sechs Beine, noch die kräftigen Schläge mit dem Schwanz, bestehend aus menschlichen Armen und Händen, konnten ihn nicht befreien und so wurde er vor den Altar gezerrt und auf den Boden gezwungen. Nähte und Narben zogen sich in einem komplexen Muster über den Körper des ehemaligen Stiers. Die aus Menschenhaut und Knochen gemachten Flügel lagen zitternd am Leib und bedeckten eine klaffende Wunde in der Seite des Monsters. Blut schoss bei jedem Herzschlag aus dem Loch und die Eingeweide drohten herauszurutschen.
„Aber, aber... Panton, ich will dir helfen. Schau, ich habe genug Material zusammengesammelt, um deine Wunde zu schließen und dir sogar noch weitere Kraft zu schenken. Denk immer daran: du musst stark genug sein, um die Mauern der Welt zu zertrümmern. Villon braucht dich.“ Und mit diesen Worten rammte er seinen Dolch in die Wunde um das faulende Fleisch abzuschneiden. Panton schrie sich beinahe die Lungen aus dem Leib und die drei Herzen schlugen unregelmäßig.
Fröhlich summend machte sich Nocres ans Werk, wusste jedoch auch, dass sich ein Eindringling auf den Weg in seinen Tempel befand. Doch das war keine Gefahr...
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
-
Foren-Regeln