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Ehrengarde
Villon sah aus der Luft auf Kakariko herab und lächelte ein halbherziges Lächeln. Sicher, die Erweckung des Nekromanten hatte das Kräfteverhältnis zu seinem Gunsten ausbalanciert, die Schreie und das Leid waren physisch schon beinahe greifbar, doch etwas trübte diesen glorreichen Augenblick von Tod und Verzweiflung. Während die Helden des Lichts in alle Winde zerstreut waren, doch hoffentlich bald den Ruf der gefolterten Seelen diese Reiches hören würden, stellten noch kein Problem, ja nicht einmal ein Hindernis dar, welches den Weg zum Ziel erschweren könnte. Villon musste zugeben, und das überraschte ihn wirklich, dass er darüber enttäuscht war. Die vorigen Tempel waren nicht schwer zu finden und zu entweihen gewesen, kein Widerstand war da, der den Gesandten der Dunkelheit hätte aufhalten können und auch die Warnung des Wasserweisen war wohl von dem Wasser fortgespült worden, statt sich über das Land zu ergießen Bei diesem Gedanken musste Villon kurz auflachen und mit einem Blitzen in den Augen richtete er seinen Blick auf den Todesberg. Er fühlte den nächsten Tempel, sah den nächsten Wächter vor seinem geistigen Auge und trieb den Leichenvogel zur Eile.
Sie landeten ein wenig Abseits des Eingangs nach Goronia. Villon stieg vom Rücken des Vogels, fasste seinen Stab fester mit beiden Händen und sah sich mit einem Problem konfrontiert. Die ganze Zeit hatte er keinen Gedanken daran verschwendet, doch als er jetzt den Berg unter seinen Füssen spürte und die gewaltigen Massen an Stein und Felsen mit seinen eigenen Augen sah, wurde er sich schlagartig einer Tatsache bewusst, die seinen Auftrag mitunter behindern konnte. Villon knirschte mit den Zähnen und schalt sich einen Narren, dass er daran nicht eher gedacht hatte. Die Goronen, die diesen Berg schon seit Menschengedenken als ihre Heimat titulierten und den Feuertempel als größtes Heiligtum ansahen, waren im ganzen Land zwar bekannt, doch immer als sanftmütige Kreaturen beschrieben worden. Ihre Stärke, obgleich mehrmals erwähnt, wurde doch eher in den Hintergrund geschoben und der Güte der Wesen den Vorrang gelassen. Was aber, so fragte sich Villon, würde passieren, wenn man diese sanften Gemüter provoziert? Immerhin, sie aßen Steine...
Villon schüttelte den Kopf und richtet seine Gedanken wieder in das Hier und Jetzt. Die Dorfbewohner müssten bereits nach Hilfe gesandt haben und, wenn der König wirklich so gute Kontakte zu den Weisen und genug Intelligenz hatte, wie man sagte, dürfte schon ein Batallion von Rittern auf den Weg nach Kakariko sein. Früher oder später führte sie ihr Weg auf den Todesberg. Der Vogel war ein weiteres Problem, wie Villon enttäuscht feststellte. Anfangs schien es eine gute Idee zu sein, doch das Untier lies sich beiweiten nicht so leicht verstecken wie Kweros. Es schien auch nicht besonders für den Kampf gedacht zu sein. Villon ging auf den Vogel zu, der immer noch den schwarzen Kokon in der Klaue hielt. „Lass ihn fallen.“ wies er den Vogel an und schlitze das schwarze Gewebe mühelos mit dem Topas, auf der Spitze seines Stabes, auf. Shiro rollte auf den Boden, hustete schwer und verbarg sein Gesicht vor dem Sonnenschein. Er rollte sich so schnell es ging in den Schatten und riss, als er sich vor der Sonne in Sicherheit gebracht hatte, die Kleider von Leib. Er schleuderte sie weit von sich und stand nur in Unterkleidung, mit gezückten Schwert vor Villon. Der Schock saß noch immer tief, hatte unübersehbare Narben hinterlassen, gab Shiro jedoch den Mut und die Kraft seine Waffe gegen den Magier zu heben. „Bleib wo du bist, du Monster! Ich warne dich.“ Villon lächelte gütig und schritt auf Shiro zu, der weiter in den Schatten wich und das Schwert schützend vor sich hob. Villon erkannte mit einem leichten Erstaunen das Shiros Hände leicht zitterten und er Schwierigkeiten hatte sein Gleichgewicht zu halten. „Shiro, dir ist doch klar, wem du hier vor dir hast, oder? Und die Abmachung...“ Shiro fiel ihm ins Wort. Seine Stimme, normalerweise kontrolliert, kühl, arrogant, zitterte und überschlug sich einige Male. „Sei ruhig! Wir haben keine Abmachung! Ich sollte dir den Tempel öffnen und das tat ich. Doch dass du diese... diese Bestien freilässt... Davon war nie die Rede gewesen! Hast du gesehen was du auf Hyrule losgelassen hast? Das ist schon nicht mehr witzig, das geht einfach zu weit. Mord ist in Ordnung, Schändung von Heiligtümern, da mache ich noch mit. Aber was dieses Ding mit den Menschen anstellt, das geht einfach zu weit! Du musst gestoppt werden!“ Es überraschte Shiro nicht, dass Villon stehen blieb, den Kopf in den Nacken warf und lauthals auflachte. Doch was Shiro überraschte war der Umstand, dass es sich dabei um ein warmes, kehliges Lachen handelte. Verwundert lies Shiro das Schwert etwas sinken und trat einen Schritt aus dem Schatten heraus, jedoch zur Flucht bereit. Villon richtete wieder den Blick auf Shiro und lächelte ihn freundlich an. Wärme und Güte standen in seinen Augen und seine Stimme umschmeichelte Shiro wie warme Decken. „Ach, mein kleiner, verirrter Freund. Verloren im Nebel wandertest du dahin, getrieben von einem Hass auf dein eigenes Volk und die Menschen Hyrules. Fragen quälten dich und sicherlich auch Vorahnung von etwas. Shiro, sieh in dein Herz und erkenne eine Wahrheit, die alles viel einfacher machen wird: vor unserem Treffen warst du bloß ein Nichts, ein kleiner Junge der einige Talente im Schwertkampf hatte und durch die Fähigkeiten deines Volkes ein recht annehmbarer Dieb, mehr nicht. Sieh der Wahrheit ins Gesicht und erkenne das goldene Licht der Erlösung. Durch mich wirst du zu etwas, Shiro, zu etwas vor dem die Welt erzittern wird. Macht wolltest du doch? Dann bleib und werde Zeuge und Teilhaber einer der schrecklichsten und schönsten Mächte die du dir in deinen wildesten Träumen nicht ausmalen könntest. Sieh her.“ Und damit streckte Villon seinen Stab aus und berührte Shiro mit dem Topas an der Stirn. Er lies es zu, wusste er doch auf einer seltsamen Weise, das nichts Schlimmes passieren würde. Der Topas flammte auf und die Welt ringsum Shiro und Villon erlosch.
Als Farben und Lichter wieder zurückkehrten, sah sich Shiro über Hyrule schweben. Zu seiner Rechten ragte der mächtige Gipfel des Todesberges in den Himmel und Feuer schoss aus seinem Krater in die Wolken, die die Sonne verdunkelten. Vor ihm lag die Schlossstadt Hyrule in Dunkelheit getaucht. Rauch stieg aus den Ruinen der Häuser und färbte den Himmel in ein fettiges Schwarz. Als Shiro sich umdrehte sah er große Geier über den Wald der Kokiri kreisen und Schwefel und Verwesung stiegen aus den einst majestätischen Wäldern empor. Doch als er sich zu seiner Linken drehte, stockte ihm schier der Atem: ein riesiges, gänzlich schwarzes Gebäude hing mitten in der Luft. Wesen, die mit Phantasie und gutem Willen als Vögel betrachtet werden konnten kreisten um die Spitze eines Turms, der wie ein Pestdorn aus dem hässlichen Gebäude schoss. Lichter zuckten durch die geschwärzten Fenster und enthüllten für einen Bruchteil einer Sekunde Schrecken, die Shiro niemals hatte sehen wollen. Angewidert von dem Blick, sah er nach unten, vorbei an grässlichen Wasserspeiern, Gerippen, die in die Wände gelassen worden und Schädel, die ein bizarres Muster ergaben, und sah eine große, klaffende Wunde in der Erde, dort, wo einst die berühmte Lon-Lon Farm gewesen war. Rauch und Schatten quollen aus dem Loch und ein stetiger Wirbel, so fein wie Engelsfedern, so schrecklich wie der eigene Verstand, entstieg diesem Höllenpfuhl und wand sich spiralenförmig in das Gebäude.
Plötzlich öffnete sich kreischend und krachend das Tor des verfluchten Hauses und eine lange Zugbrücke, wie die Zunge eines verwesenden Dämons, glitt aus den unergründlichen Tiefen der Festung auf das Land zu. Wo die Brücke den Boden berührte zischten Flammen und Schwefel und saugte dem Boden das Leben aus. Shiro war gefesselt von dem Anblick der sich ihm bot. In seinen schlimmsten Albträumen hätte er nicht gewagt sich so etwas vorzustellen: Legionen von deformierten, widerlichen Gestalten traten hinaus ins Freie. Alle trugen sie Trachten von Kriegern einer glücklicherweise untergegangenen Zivilisation. Waffen so groß und schwarz wie die Nacht blitzten im Licht des Turmes. Shiro war sofort klar, als er die langen, gezackten, mit Widerhaken versehnen Klingen sah, dass diese Waffen nur aus einem einzigen Grund geschaffen worden waren: um den Gegner größtmögliche Pein und Qual zuzufügen. Endlos schien sich der Strom von Wesen des Wahnsinns hinzuziehen, doch dann kam plötzlich ein Mann aus dem Bauwerk geflogen. Auf eine Art Drache saß er, in einer schwarzschimmernden Rüstung, die das Licht einzusaugen schien, mit vielen Dornen und kleinen Rinnsalen versehen, schwebte der Krieger über die Legionen der Kreaturen. Fassungslos sah Shiro zu, wie das Monster, dass der Streiter ritt, wahllos seine riesigen Klauen in die Legionen tauchte, die eigenen Truppen zerfetzte und auffraß. Der Reiter machte keine Anstalten sein Reittier daran zu hindern. Endlich war auch der letzte Kämpfer aus dem schrecklichen Gebäude gekommen und die Brücke zog sich wieder zurück. Shiro sah auf, blickte in Villons freundliches Gesicht und...
... war plötzlich wieder auf dem Todesberg, in der strahlenden Sonne, die heiß brannte. Das Schwert fiel klirrend zu Boden, als Shiro die Kräfte verließen und er in die Knie ging. Schweiß rann ihm über die Stirn und sein Herz schlug hart gegen seine Brust.
„Ja. Was du sahst wird sein.“ Villon beugte sich zu Shiro herunter und flüsterte ihm zu. Seine Stimme war keineswegs mehr freundlich oder schmeichelnd. Stahl und Kälte lag nun in ihr. „Du tust also gut daran deinen Platz zu wissen. Sei für mich oder vergehe in der Flamme, die diese Welt zu Asche verbrennen wird und sei dann mein bedingungsloser Sklave. So wie alle anderen, die sich mir widersetzen werden.“
Villon drehte sich um, nahm die Kleidung Shiros mit dem Stab auf und warf sie ihm zu. „Steh auf jetzt. Wir haben Arbeit zu erledigen.“ Benommen nahm Shiro seine Kleidung, die blutdurchtränkt und nassgeschwitzt war, zog sie schwerfällig über seinen Körper und stand mit zitternden Knien auf. Er sah noch wie Villon die Spitze des Topas in das Herz des Vogel rammte und dieser grell aufflammte, bevor er verschwand, als Geräusche ihn herumwirbeln lies. Auch Villon hatte sich dem Geräusch zugewandt und lächelte kalt und grausam, als er zwei Goronen bemerkte, die, tief in eine hitzige Debatte vertieft, unaufmerksam auf Shiro und den Magier zugingen.
Villons Augen verschwammen und das Dreieck schickte entzückte Schmerzwellen durch seinen Körper, die Villon mit Genuss spürte, als er sich auf das Artefakt der Macht konzentrierte.
Das Dreieck leuchtete auf und schickte schwarze Adern durch den Körper Villons. Seine Stimme war kalter Tod: „Wie schön, dass ihr selbst zur Schlachtbank kommt.“
Geändert von Konsum (01.06.2005 um 23:52 Uhr)
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