Als Ravana das nächste Mal aufwachte, stand der Vollmond am schwarzen Nachthimmel über ihr. Alles war ruhig, und auch ihr selber ging es wieder besser. Die Müdigkeit war verschwunden, zurück blieben nur schmerzende Muskeln und das Gefühl, schrecklich schmutzig zu sein. Nicht nur getrockneter Schlamm klebte an ihren Kleidern und Haaren, auch das Blut vieler Gegner war auf ihren Kleidern getrocknet.
Ravana richtete sich auf und sah, dass am Baum in der Mitte des Platzes immer noch einige Menschen wach waren. Eine Öllampe, die auf einem niedrigen Tisch stand, spendete flackerndes Licht. Ravana sah, dass einige Frauen dort standen, vermutlich waren sie angewiesen worden, während der Nacht auf die Verletzten aufzupassen, die hier versorgt worden waren.
Mühsam stand Ravana auf und hinkte langsam und vorsichtig auf die Frauen zu. Ihr rechtes Bein, das laut dem seltsamen Mann, der sie gerettet hatte, verstaucht war, schmerzte bei jedem Schritt.
Schließlich bemerkten die Frauen Ravana und kamen ihr zur Hilfe. Ravana konnte sich auf ihre Schultern stützen und so wurde sie zu dem niedrigen Tisch gebracht, wo sie sich setzen konnte.
Die Frauen sahen sie neugierig an und Ravana war verlegen.
„Wo könnte ich etwas Wasser bekommen? Ich würde mich und meine Kleider gerne waschen..“ sagte sie vorsichtig. Sie wusste nicht, ob die Frauen sie noch immer mit Abscheu behandeln würden und machte sich auf eine verächtliche Antwort gefasst.
„Oh, natürlich,“ sagte eine dicke Frau freundlich. „Kommt mit mir in mein Haus dort drüben. Ich werde Euch einen Zuber mit warmen Wasser bereit stellen, wo ihr baden könnt, ich kümmere mich derweil um Eure Kleidung. ... Ihr habt gut gekämpft, junge Gerudo. Würdet Ihr mir Euren Namen sagen?“
„Ich heiße Ravana – aber wir alle haben tapfer gekämpft. Und Ihr kämpft noch immer, indem Ihr hier Nachtwache haltet. Wie ist Euer Name?“
„Kara ist mein Name. Hier, das wird Euch beim Gehen behilflich sein.“ Am Baum lehnten mehrere dicke, lange Äste, die in Windeseile vom Schmied in behelfsmäßige Krücken umgewandelt wurden. Kara reichte Ravana einen dieser Stöcke. „Folgt mir.“
Ravana dankte ihr und stand auf. Mit Hilfe der Krücke ging das Laufen schon viel besser.

Als Ravana in dem hölzernen Zuber im warmen Wasser saß und sich den Dreck vom Körper und aus den Haaren wusch, fühlte sie sich wie neugeboren.
Kara kümmerte sich derweil um ihre Kleider – mit einer harten Bürste saß sie da und versuchte, das getrocknete Blut aus dem Stoff zu schrubben. Währenddessen freute sie sich, in Ravana eine wißbegierige Gesprächspartnerin gefunden zu haben – Ravana hatte viele Fragen.
„Was waren denn das für Monster, die Kakariko angegriffen haben?“ fragte sie.
„Ach, diese Biester – sie nennen sich Moblins. Sie haben früher unter Ganondorf gedient und haben sich seit dessen Fall irgendwohin zurückgezogen – keiner weiß, wo sie ihre Brut ausbrüten und was sie vorhaben. Es gibt Gerüchte, dass eine Schar Moblins in der Hylianischen Steppe ihr Lager aufgeschlagen hat und friedliche Reisende überfällt – wenn Ihr mich fragt-„ sie sah sich um, ob nicht ihr Ehemann sie hörte und sie wegen Tratscherei schelten würde, „ICH denke, dass sie auf die Rückkehr Ganondorfs warten. Darum wollten sie bestimmt auch Kakariko überfallen. Ihrem Herrn und Meister würde es nicht gefallen, dass Kakariko so gewachsen ist.“
Ravana wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sie hatte diese Moblins nicht sehr schlau eingeschätzt und glaubte nicht, dass sie große Zukunftspläne schmieden konnten – geschweige denn, irgendwelche Zeichen zu deuten, dass Ganondorf zurückkehren würde.
„Und was war das für ein seltsamer Astmensch, der neben dem General gekämpft hat?“ fragte sie weiter.
„General? Ach, Ihr meint Horst – er ist der Hauptmann der Wache. Dieses Astmenschwesen, das Ihr meint, ist ein großer Held. Er hat die herannahenden Moblin-Truppen gesichtet und die Männer zur Verteidigung aufgerufen. Seltsames Wesen, nicht? Man munkelt, er wäre ein verstoßener Shiekah, der sich aus Gram in diese seltsame Gestalt verwandelt hat. Aber ICH glaube das natürlich nicht! Ich denke, dieser Kiro – so heißt er – ist bestimmt auch nur ein herumziehender Tagedieb, der die Gelegenheit beim Schopfe gepackt hat und nun versucht, eine Belohnung für sein Handeln zu ergattern. So sind sie, diese Tagediebe, das könnt Ihr mir glauben.“
Ravana stieg aus dem Zuber und hüllte sich in ein Tuch, das Kara bereitgelegt hatte. Sie fühlte sich so sauber, wie noch nie im Leben, und das warme Wasser hatte sie wieder ein wenig müde gemacht.
„Könnte ich mich wohl irgendwo schlafen legen, bitte?“ fragte sie.
„Aber natürlich, meine Liebe. Ich komme heute nacht ja nicht mehr zum Schlafen, darum nehmt nur mein Bett. Es hat keine Läuse, und es wird Euch für diese Nacht sicherlich genügen. Ich kümmere mich weiter um Eure Kleider. Bis morgen früh sind sie sauber und trocken, das verspreche ich Euch!“

Und Kara behielt Recht. Am Morgen konnte Ravana wieder in ihre Kleider schlüpfen, die seit ihrer Entstehung nie mehr so sauber waren wie jetzt.
Ravana bekam sogar noch ein kleines Frühstück – „der König hat uns Geld gesendet, damit wir die ganzen Verletzten versorgen-, und die königliche Garde, die uns zur Hilfe kam, versorgen können“ – und verließ das Haus dann gutgelaunt, nachdem sie sich noch herzlich bei Kara bedankt hatte.
Es war das einzige Haus, das direkt am Vorplatz stand und Ravana konnte gleich sehen, dass viele der Verletzten inzwischen verschwunden waren. Bestimmt hatten sie sich gut ausgeschlafen und konnten ihre Wunden zu Hause auskurieren.
Unter dem Baum sah Ravana eine bekannte Gestalt. Der Astmensch. Kiro. Mit Hilfe der Krücken ging sie so schnell, wie es ihr möglich war, zu ihm hin. Kiro sprach mit dem Hauptmann, und Ravana klopfte ihm auf die Schulter. Als Kiro sich umdrehte und sie erkannte, lächelte er leicht.
„Ah, Ravana, hast du dich erholt? Das freut mich. Du hast dich tapfer geschlagen in der Schlacht!“
Ravana errötete leicht. „Das kann ich nur zurückgeben. Ich hörte, Ihr seid ein Held! Hier, ich habe gut auf Euren Köcher aufgepasst. Er hat mir gute Dienste geleistet und ich konnte einige Moblins damit in den Tod schicken. Leider sind keine Pfeile mehr darin.“ Sie reichte ihm den Köcher und sagte dann: „Vielen Dank, dass Ihr mich gerettet habt. Ich dachte, es wäre vorbei...“
„Natürlich, keine Ursache. Ich helfe jedem, wenn ich kann,“ sagte Kiro.
Ravana sah, wie Hauptmann Horst ungeduldig zwischen ihnen hin und her sah, und wusste nicht, was sie weiter sagen sollte, und so verabschiedete sich verlegen von Kiro.
Und was mache ich jetzt? fragte sie sich. So humpelnd werde ich Hyrule niemals an einem Tag erreichen, das wäre undenkbar. Aber ich habe Milo versprochen, ihn zu besuchen...