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Thema: Gedichte-Thread

  1. #1

    Gedichte-Thread

    Der Wattwurm

    Ein Wattwurm sitzt im Treppenhaus,
    jetzt holt er seine Fleppen raus.
    Eine nach der andern raucht er,
    die Luft wird Zug um Zug verbrauchter.
    Da kommt der Hausbesitzer heim
    und mehrt ihn mit dem Schnitzler klein.
    Denn frische Luft, das sieht er richtig,
    ist für seine Mieter wichtig.

  2. #2
    Insgesamt sehr putzig

    Wenn du schläfst, dann biste
    erwartungsgemäß friedlich
    gekuschelt inne Kiste,
    dein Mündchen guckt voll niedlich,
    die Äuglein sind geschlossen,
    nur Wimpern ragen vor,
    und meine unejalen Flossen
    umstreicheln sanft dein Ohr.
    Dein Näschen hebt und senkt sich
    wie bei dei’m Kaninchen,
    und Liebe die umfängt mich,
    zu dir, du mein Pralinchen.

  3. #3

    Farbenlehre

    Zwar bist du ziemlich schmalen Wuchses,
    doch nimmst mein ganzes Herzchen ein.
    Dein Haar scheint rot im Sonnenschein
    wie Federn eines jungen Fuchses.

    Du bist für vierzig Törtchen süß,
    dein Lächeln ist mein Lebenssinn,
    und deine Augen strahlen grün
    wie’n Brombeerstrauch im Paradies.

    Du bist ein Song vom Himmelreich,
    den’n kleiner nackter Engel summt.
    Ein Kuss von dir färbt alles bunt
    wie Spiritus im Goldfischteich.

    Ein Kuss von dir macht mich benomm’
    (was du nicht wörtlich nehmen darfst).
    Wenn du nicht da bist, seh ich schwarz
    wie Bordstein, wenn die Kohlen komm’.

  4. #4

    Wiedersehen

    Ich male mir schon heute aus,
    wie in vier Wochen es wird sein:
    Zeitgleich mit dem Winteranfang
    brichst über uns auch du herein.

    Als ein Persönchen von ganz vielen
    steigste aus dem Flieger aus.
    Ich hoffe, ich such gleich beim ersten
    Anlauf mir die Richt’ge raus.

    Gesagt, getan; dann knutschen wir –
    it immerhin has been a Weilchen –
    und dann wirst du, ich befürchte,
    mir die Reisetasche reichen.

    „Was ist da drin?“ werde ich fragen
    (vielleicht auch sofort in ihr wühlen).
    „Was ist da drinnen, Pfauenfedern?“ –
    Denn so leicht werde ich mich fühlen.

  5. #5

    Günter Netzer

    Mein Herz! mein Herz ist mir verrutscht!
    durchs linke Hosenbein rausgeflutscht.
    Direkt auf die Straße, dreh mich um, seh’ es liegen:
    bis jetzt sind noch alle drüber gestiegen.

    Doch da! Ich seh am Horizont dich nahn
    mit großen Schritten und Fußballschuhn an.
    Du siehst mein Herz liegen und trittst es – ich quieke
    vor Schreck – aus vollem Lauf mit Pike.

  6. #6

    Bisschen Schmerzen

    In der eiligsten aller eiligen Hasten
    wetz ich ins Apothekenhaus,
    sag zu der Frau hinterm Kassenkasten,
    So und so, Madame; wissen denn Sie, was ich brauch?

    Prompt gibt sie auch vor dies zu tun
    und verkauft mir zum Preis von nur fünf Pelzen Nerz
    Tabletten:
    „Dreimal täglich lähmt den Schmerz.“

    Zu Hause schmeiß ich sofort ein
    fünf Stück, im Falle eines Falls.
    Schwupps! keine Schmerzen mehr im Hals.

    Ich bin empört, zutiefst empört
    und fluche himmelwärts.
    Die blöde Kuh hat sich verhört:
    Ich wollt’ doch was fürs Herz!

  7. #7
    1. Großartig, dein bisher bestes Gedicht! Sogar besser als der Wattwurm, mein bisheriger Favorit.
    2. Die dritte Strophe fällt da ja wohl ETWAS aus der Reihe!
    3.
    Zitat Zitat
    wissen denn Sie, was ich brauch?
    Aaaarrggh! "wissen SIE DENN, was ich brauch?"
    4.
    Zitat Zitat
    „Dreimal täglich lähmt den Schmerz.“
    Entweder: "lähmt JEden Schmerz" oder besser: "GEGEN den Schmerz"

  8. #8

    Nicht auszudenken

    Ach wenn ich nur die Leute seh:
    gradweg alles wird selbstverstanden.
    Doch was wäre zum Beispiel, würden statt Schnee
    im Winter schlechte Menschen landen?
    Nun nimm nur mal an, es würden in Scharen
    aus allen Wolken fallen zu uns:
    herz- und gnadenlose Barbaren;
    Kriminelle aller Regeln der Kunst;
    diverse Selbstmordattentäter;
    die Hintermänner wenig später;
    Serien- um Serienkiller;
    Hitler: sofort Kriege führen will er;
    ganz allgemein solche mit Steinen als Herz;
    ganz allgemein solche mit Pelzen aus Nerz;
    die außer Schadenfreude nichts auf der Welt ham;
    Satansbraten und Rabeneltern;
    wahrhaftige Sünder und falsche Propheten;
    solche, die junge Hunde treten;
    solche, die falsche Trauer tragen;
    Männer, die ihre Frauen schlagen;
    gewiefteste Falschspieler aller Couleur;
    Folterknechte samt Zubehör;
    Verräter höchster Ideale;
    politisch mehr als Radikale;
    die verbitterte, gallespeiende Tante;
    ganz faule oder korrupte Beamte;
    Verbrecher, die Drogen und Ausländer schmuggeln;
    Erwachs’ne, die Jungens einen rubbeln;
    Auslieferer vergifteter Pizza;
    skrupellose Großgrundbesitzer;
    ein Kind, das sein Lebtag nicht artig war;
    religiöse Fanatiker;
    solche, die alles tun für Geld; –
    Stell mal vor, die alle würd’s schneien,
    wie es dann aussäh’ auf der Welt!
    Na, man soll es nicht beschreien.

    Geändert von wequila (30.12.2005 um 12:05 Uhr)

  9. #9

    Goodbye Hallo

    Vor uns der Flughafen. –
    Der Zug ist leider nicht entgleist,
    das finden wir Beide sehr schade.
    Beim Abschied weine ich dir dreist
    in deine heiße Schokolade.

    Ich bin es schuld: sie schmeckt dir nicht,
    weil nun wohl um einiges seichter.
    Du schüttest sie mir ins Gesicht.
    Das macht den Abschied leichter.

    Mir triefen vor Kakao die Gläser,
    uns Beiden vor Abschied die Augen.
    Jedoch, das macht es alles besser:

    Du siehst meine Tränen nicht.
    Ich sehe deine Tränen nicht.

    Wem werden wir also glauben?

  10. #10
    Hat es da wirklich jemand fertiggebracht, Gedichte zu schreiben, die mir gefallen?
    Ich bin erstaunt, tolle Texte. Pass nur auf, dass das Ganze nach einer Weile nicht zu redundant wird.

  11. #11
    Gedicht 1 ist genial,aber teilweise etwas zu viel Reim
    Manches reimt sich erst beim zweiten oder dritten lesen...
    geh noch mal durch, es zerstört teilweise- ist aber auch irgendwie hirnrissig lustig wie die Reime dann doch zu stande kommen,bin irgendwie unentschieden ob das toll sein soll oder ankreidbar...
    sonst wirklich hervorragend


    Gedicht 2 gefällt mir auch,nur das Ende,das ungereimte, sticht zu penetrant hervor und da es das Letzte ist was man liest bleibt es im Ohr haften und lässt einen die ganze Schokoladengeschichte fast vergessen...

  12. #12

    Vom Spazierengehn

    Nach einer wahren Begebenheit

    Beim nokturnen Promenieren
    kam ich neulich nicht umhin,
    verwundert auch, zu registrieren,
    how seltsam ich geloffen bin.

    Im gelben Schein der Straßenlichter
    setzt’ mit Bedacht ich Schritt auf Schritt,
    den Rücken grade wie ein Dichter,
    ein bisschen lief gar Würde mit.

    Doch dann im Schlosspark zwischen Schatten
    verkam mein Gang ganz fürchterbar.
    Wie ein Gorilla vorm Begatten
    lief ich und nahm's selbst nicht wahr
    zunächst. Dann plötzlich wurd's mir klar.

    Das intressiert kein, der das liest!
    Derlei Kritik nehm ich in Kauf.
    Denn tatsächlich deckt’s zutiefst
    die Natur des Menschen auf.

  13. #13
    Das ist endgeil - und hört sich verdammt nach Wilhelm Busch an. Aber so richtig. Und wenn der seinerzeit nicht soviel antisemitisches Zeug geschrieben hätte, würd ich Busch sogar gut finden, aber so ists halt nur sein Werk.

  14. #14

    Ein Weihnachtsmensch

    Im Wald, da steht ein Weihnachtsmensch.
    Ich hoffe nicht, dass du ihn kennst.
    Denn, was rings an Tannen prangt,
    gibt ihn nicht mehr aus der Hand.

    Zunächst, man denkt sich’s, gab’s Gequengel.
    Als Knebel dient der Weihnachtsengel.
    Der Stern fand um die Nase Halt
    (woanders ging nicht, war zu kalt).

    Mittlerweile eh erfroren,
    guckt ihm Lametta aus den Ohren.
    Vor Kälte ist die Haut gestraffter.
    Lametta guckt ihm aus dem After.

    Die Füße sauber ab nach Lot,
    vom Blut ist noch der Schnee rings rot.
    Doch, dahingehend nichts zu tadeln:
    Weihnachtsmensch wirft keine Nadeln.

    Im Wald, da steht ein Weihnachtsmensch.
    Ich hoffe nicht, dass du ihn kennst.
    Die Tannen ham ihn sich geborgt,
    im neuen Jahr wird er entsorgt.

  15. #15
    Raik. <3
    Das ist alles ganz toll. :A :A :A
    Setz' mal einen Gedichtband auf und schick' ihn mir signiert. <3
    Den hänge ich mir über's Bett; dann habe ich jeden Abend was zu lesen, nach bestimmten Anstrengungen im Bett. :A :A :A

  16. #16

    Mink Muggels Vergehen an sich und seinem Hund

    Mink Muggel kaufte nur noch Hefte,
    nach denen der innere Schweinehund kläffte.

    Sein echter Hund darunter litt.
    Nie brachte ihm Herrchen mehr Fressen mit.

    Wuffs Hunger stillte kaum das Kauen
    von Bildern von ganz oder halbnackten Frauen.

    Doch in nichts sonst floss Minkens Patte,
    bis er ihrer keine mehr hatte.

    Ohne Hefte fiel’s nicht leicht.
    Er hatte schon Albträume (wenigstens feucht).

    Eines Erwachens der grausige Fund:
    Mink war gekommen – auf den Hund.


    ------------------------------------------
    das einzige, was von mir über deinem bett hängen soll, marc, ist meine unterhos an deiner lampe. und wir wissen beide, wie sie da hingekommen ist

    Geändert von wequila (12.01.2006 um 19:52 Uhr)

  17. #17

  18. #18
    Achtung! Abgedroschene Phrasen Alarm!
    Zur Not frisst der Teufel fliegen!
    ^^°

  19. #19
    Das ist so... genial! Wequila, hab ich nur das Gefühl oder hast du grad ne kreative Phase? Dauernd neue Gedichte und Geschichten und diese zwar in deinem alten Stil, aber von einer absolut umwerfenden Qualität. Du warst (zumindest hier im Forum) schon immer der König der ironischen und schrägen Literatur, doch langsam steigerst du dich zum Gott.

  20. #20

    Habe nun, ach! Sodomie …

    Mink Múgùl kam zur Erkenntnis,
    dass das Schlimmste all der Mensch ist:
    Er sei den kleinen – nicht verkehrt –
    Finger der Natur nicht wert.
    Hielt damit nicht hinterm Berg,
    machte sich zum Lebenswerk,
    der Menschheit klipp und klar zu läuten,
    sie würde ihm rein nichts bedeuten. –

    Bei Tageslicht nahm er den Hahn,
    so dass im Dorf ihn alle sahen.
    Demonstrativ bestieg er Ziegen,
    ließ alle Heimlichkeit links liegen.
    Er klingelte an Wohnungstüren,
    um live die Katze zu verführen.
    Stets auf sich alle Blicke ballte
    Mink, wenn er die Stute knallte.
    Sobald ein Hals sich nach ihm reckte,
    er auch schon im Schäflein steckte.
    Publikum die Lust ihm mehrte,
    wenn im Mastschwein er sich leerte.
    Der Kutscher hielt noch an den Zügeln
    das Pferd, schon nahte Mink, es bügeln.
    Sogar zum Kirchensang vom Chor
    verlegte er im Hund sein Rohr.
    War wo ein Jäger auf der Pirsch,
    so fickte Mink auch mal ’nen Hirsch.
    Im Zoo gab er in der Voliere
    vor Schulausflüglern sich die Ehre. –

    Mink Múgùl war Philosoph,
    ein wahrhaft großer Mann.
    Nur sein Ende macht sich doof:
    Er starb an Rinderwahn.

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