mascot
pointer pointer pointer pointer

Ergebnis 1 bis 20 von 89

Baum-Darstellung

Vorheriger Beitrag Vorheriger Beitrag   Nächster Beitrag Nächster Beitrag
  1. #11
    Ah, ein schönes Thema.

    Da ich selber je ein halbes Jahr in einem Schweine- und Rinderstall gearbeitet habe, kann ich ein bisschen mehr dazu erzählen. Beachtet jedoch, dass das nur eine Genossenschaft unter vielen war und es nicht überall so gehandhabt wird. Es war trotzdem eine ganz normale Indistrieanlage und im Groben wird es überall in deutschen Viehanlagen (nicht Bauernhöfen!) ähnlich sein.

    Fangen wir mit den Schweinen an:

    Etwa jedes Vierteljahr kommt eine Lieferung mit Jungsauen. Diese wurden bei einem Züchter geboren und ein halbes Jahr in Laufstallhaltung großgezogen.
    Wenn sie im Betrieb ankommen, müssen sie zuerst für einige Zeit (afair einen Monat) in einen Quarantänestall, der ebenfalls über Laufboxen verfügt, untergebracht. Danach kommen sie in die "Reproduktion". Dort stehen sie in Ständern, vor sich den Trog, um sich herum einen Stallbügel und unter sich Betonboden. Alles was sie tun können, ist fressen, scheißen und sich hinlegen. Gefüttert wird zweimal täglich ein Getreideschrotgemisch, danach fließt das Wasser direkt über das restliche Futter. Reines Wasser gibt es nicht.

    Kommt eine Sau in Rausche, wird sie künstlich besamt. Hat sie aufgenommen, kommt sie in die Abferkelung. Nimmt sie nicht auf, wird die nächste Rausche abgewartet. Nimmt eine Sau mehrmals nicht auf, wird sie zuerst mit einem jungen Eber und anderen schweraufnehmenden Sauen in einen schlammigen Verschlag nach draussen gesperrt. So ziemlich das einzige Mal, dass eine Sau im freien leben darf.
    Nimmt sie überhaupt nicht mehr auf, wird sie geschlachtet.
    Pro Jahr kann eine sau zwei- bis dreimal trächtig werden. Mit spätestens fünf jahren ist sie dann verbraucht und wird ebenfalls geschlachtet.
    Dieses unbrauchbare, weil alte Fleisch, kommt der Tierkörperverwertung zu.

    Gut, kommen wir zu den Sauen, die trächtig sind. Zuerst stehen sie noch in Laufboxen, ebenfalls auf Betonboden, bis sie hochträchtig sind. Dann kommen sie wieder in einen Ständer, um den herum sich diesmal allerdings eine etwa vier Quadratmeter große Box befindet. Nach 114 bis 116 Tagen Tragezeit werfen sie im Schnitt 8 bis 14 Ferkel. Hat sie mehr Ferkel als Zitzen, werden diese einfach zu einer anderen Sau gegeben, die noch freie Zitzen hat.

    Den Ferkeln werden ein oder zwei Tage nach der Geburt die Schwänze kupiert, die Hoden kastriert (bei männlichen Tieren) sowie die Eckzähne gekürzt. Zudem werden sie geimpft. Mit etwa vier Wochen bekommen sie ihre Ohrmarken.
    In der Zeit kann es auch weitere Medikamentengabe geben, zum Beispiel Traubenzuckerlösung direkt in den Bauch bei Kümmerern (zu kleinen Ferkeln) oder Mittel gegen Durchfall. Kommt ein Ferkel trotz allem nicht richtig auf die Beine, wird es "geglidschd". Das heißt, man tötet sie, in dem man sie mit dem Kopf auf den Boden schlägt. Zudem gibt es Kümmerer, die von alleine sterben. Dieser "Ausschuß" betrug bei uns etwa eine Schubkarre am Tag.

    Nachdem sie ihre Ohrmarken erhalten haben, werden die Ferkel nach Geschlechtern getrennt und kommen in die "Läufer", den Maststall. Hier gibt's dann ebenfalls wieder die Standartlaufboxen, allerdings mit seperatem Wassertrog. Wenn sie auf dem Weg von der Abferkelung zu den Läufern nicht schnell genug sind oder ganz frech einfach den Stallgang beschnuppern, werden sie eben ein paar Meter vorwärts gekickt.
    In den Läufern bleiben sie etwa ein halbes Jahr, bis sie die genormte Größe erreicht haben, dann werden sie mit einem großen Transporter zum Schlachthof gebracht.

    Die wöchentliche Produktion beträgt dabei etwa 400 bis 500 Ferkel.

    Die Sau kommt danach wieder hoch in die Reproduktion. Der Kreislauf schließt sich.
    Sauen, die krank sind, aber nicht plötzlich von alleine sterben, werden mit Bolzenschuß erlöst. Das ist im Großen und ganzen das Leben von Sauen und Ferkeln.

    Kommen wir zu den Kühen. Hier siehst schon ein wenig rosiger aus, da gestresste Kühe weniger oder keine Milch geben.

    Kühe werden für gewöhnlich selbst gezogen, ansonsten als Färsen (junge Kühe bis zur ersten Geburt) angekauft. Mit etwa anderthalb bis zwei Jahren werden sie das erste Mal belegt, wenn sie brünftig werden. Ebenfalls künstlich, nur dass in diesem Fall ein spezieller Besamer kommt, da Kühe etwas komplizierte zu besamen sind. (Hey, schonmal den Muttermund einer Kuh gesehen ? Sieht lustig aus.)

    Wenn eine Färse aufgenommen hat, kommt sie erstmal in einen Laufstall oder auf die Weide. Nach neun Monaten Tragzeit bekommt sie ein Kalb (sehr selten zwei). In unserem Stall wurden die Kälber sofort von der Mutter getrennt und in einen etwa einen Qaudratmeter großen, mit Stroh eingetreuten, nach oben offenen Käfig gesperrt. Gefüttert werden sie mit Milch von Kühen, die teilweise kranke, sonst aber noch gesunde Euterviertel haben. Solche Kühe dürfen nicht in den großen Tank abgemolken werden, aber genug Milch für die Kälber geben sie trotzdem.

    Die Mutterkuh wird sofort nach ihrer Geburt in eine Gruppe gesteckt und mitgemolken. Normales Standartrindvieh (Holstein Frisian) geben etwa 20 bis 30 Liter pro Melkgang, welcher alle 12 h durchgeführt wird. Kurz nach der Geburt werden Kühe nochmal kurz brünftig, in der Zeit werden sie erneut belegt. Ansonsten erst wieder, wenn sie keine Milch mehr geben.
    Nach 10 Monaten ist die Milchproduktion der Euter auf unter 10 l abgesunken und die Kuh wird trockengestellt. Als solche darf sie wieder in den Laufstall oder eben auf die Weide.
    Bei uns war es auch so, dass die Altmelker (die, die kurz vorm Trockenstellen stehen) ebenfalls auf der Weide standen und nur zum Melken in den Stall geholt wurden.

    Das Melken selber dauert nur ein paar Minuten und die Maschinen arbeiten mit einem genau reguliertem Unterdrucksystem. So wie ich das sehe, fanden die Kühe das nicht wirklich unangenehm, nur eine Färse hat im Melkstand mal richtig Stunk gemacht.

    Nochmal zurück zu den Kälbern: Mit etwa einem Monat kommen sie in den Kälberlaufstall (extra mit Stroh). Nach etwa einem halben Jahr werden sie nach Geschlechtern getrennt. Die Bullen werden, sofern sie nicht extraordinäre Zuchteignung zeigen, geschlachtet oder weitergemästet und dann geschlachtet (alles in Laufboxen auf Gitterboden ohne Stroh), bei den Kühen wird geguckt, welche sich als Milchvieh eignen. Wenn ja, durchlaufen sie das normale Kuhleben, wenn nein, werden sie wie Bullen geschlachtet.

    Zu erwähnen sei noch, dass diese beiden Ställe eher groß waren, der Schweinestall mit 2000 Sauen und der Kuhstall mit etwa 500 Milchkühen, Ferkel und Kälber nicht mitgerechnet. Soweit ich weiß, sind solche großen Anlagen eher im Osten zu finden, da hier die Landwirte ihre Genossenschaften auf den alten LPG aufbauen konnten, während im Westen eher kleinere Höfe mit bis zu 400 Tieren zu finden sind.
    Hier ist dann auch der Unterschied zwischen einer Anlage und einem Hof.
    Eine Anlage ist ein häßlicher, grauer, schmuckloser Klotz in der Landschaft, während Höfe neben Stall und Scheune auch noch ein Wohngebäude besitzen, in dem dann für gewöhnlich der Landwirt haust. ^^
    Nur weil es nicht Bio ist, muss es keine schlechte Haltung sein, bedenkt das bitte. Aber das Billig-Fleisch aus dem Supermarkt kommt mit Sicherheit aus großen Anlagen, in denen Vieh eine Produktionseinheit ist. Ohne Seele, ohne Individualität. Aber wenn man zu Fleischereien geht, kriegt man meistens Tiere, die bei kleineren Höfen in der Umgebung zu akzeptablen Bedingungen gehalten werden und garnichtmal soviel teurer sind. Manche Bauern verkaufen auch ab Hof oder auf dem Markt, wobei Unkosten durch Zwischenhandel entfällt und der Preis auch nicht so schockierend ist.

    Es gibt also durchaus die Möglichkeit Fleisch günstig und ethisch sauber zu erhalten.
    Aber dazu müsste man nur mal aus dem Aldi raus, und die entsprechenden Läden/Stände suchen. So long.

    Kommen wir also nochmal zu solchen Sachen, wie Milch ist ok. Wie's vielleicht deutlich wurde, gibt eine Kuh nur Milch, wenn sie ein Kalb bekommen hat und dann nichtmal ein Jahr lang. Nun, diese ganzen Kälber werden garantiert nicht aus Tierliebe irgendwo glücklich auf der Weide gehalten. Womit es schonmal reichlich verlogen ist, zu erzählen, dass man Fleisch wegen der miesen Haltungsbedingungen meidet, aber fröhlich Milch säuft oder Käse frißt. Weiterhin gibt es versteckte Tierprodukte, wie zum Beispiel das berühmte Gelantine in Gummibärchen und Co.
    Plus der nebensächlichen Tatsache, dass das Verzehren von Milch nach der Säuglingszeit eigentlich unnatürlich ist (ich trink sie trotzdem ;-) ) und bei Frauen das Brustkrebsrisiko erhöht. Aber gut, was ist schon nicht krebserregend.

    Zum Rest sag' ich nur noch meine kleine, bescheidene Meinung: Kinder und fleischfressende Haustiere vegetarisch (oder gar vegan) zu ernähren, ist der größte Humbug, den's gibt. Diese Leute haben 'nen Klatsch an der Ralle und den Realitätssinn einer toten Maus.
    Geändert von Valada (20.12.2004 um 17:44 Uhr)

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •