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General
#4
Schneebedeckte Bäume und eine wie von einem weißen Zuckerguss überzogene Landschaft, rauschten an ihm vorbei. Die Sonne senkte sich und tauchte den noch frühen Wintertag in ein sanftes Orange, das sich langsam zu einem sachten rot wandelte. Der Rauch aus den Schloten des Zuges zog sich in einer langen Bahn über die Strecke von Southampton nach Portsmouth und zog dann gen Himmels, an dem schon vereinzelt die Sterne leuchteten.
Edward sah aus dem Fenster. Seine Gedanken schweiften umher, doch egal wieviel er auch nachdachte, er blieb unentschlossen. Unentschlossen was er nun tun sollte. Doch lange konnte er nicht mehr mit seiner Antwort warten, denn die Zeit bis Heilig Abend war knapp und er musste sich entscheiden. Weihnachten rückte unaufhaltsam näher und vor ihm als Weisen stand nun die Frage, ob er -wie all die Jahre zuvor- allein feiern sollte oder nicht...
Ein kleines Mädchen mit seiner Mutter setze sich auf die beiden Plätze genau vor ihm, sodass das kleine Mädchen ihm genau gegenüber saß. In der Zwischenzeit wurden die Petroleumlampen, eine nach der anderen, im Zug angezündet und verliehen dem Ganzen Abteil einen gemütlichen Hauch.
Das kleine Mädchen schaute Edward an, doch dieser war völlig in seinen Gedanken versunken und starrte weiter in die Schneebedeckte Landschaft. Die Sonne war nun fast schon komplett unter gegangen und das Licht des Mondes und die Sterne am Firmament ließen den Schnee leicht glitzern.
„Du, bist du traurig?“, fragte das kleine Mädchen. Ed reagierte nicht. Sie stand auf und zupfte leicht an seinem braunen Mantel und fragte noch einmal: „Du, bist du traurig?“ Endlich schaute Ed auf und schaute recht verdutz, wurde er doch eben aus seine trüben Gedanken gerissen und schaute jetzt in ein hübsches kleines Gesicht, dessen Wangen von der Kälte ganz rosa gefärbt waren. „Bist du traurig?“ „Was? Äh... nein...“ antwortete er verduzt, „Ich bin nur etwas müde“ und um diese Lüge zu unterstreichen hielt er seine Hand vor den Mund und tat, als würde er gähnen. Ihn wunderte es, dass das kleine Mädchen ihm scheinbar ansah, wie es ihm ging. Als er sich wieder seinen trüben Gedanken hin geben wollte, wandte sich das Mädchen abermals an Ed, es wollte anscheinend unbedingt etwas über ihn erfahren. „Was ist das da?“ Sie deutete auf einpaar Notizzettel, die sich Ed gemacht hat. Da merkte er, dass sie doch nicht locker lassen würde und er ihr eigentlich dankbar dafür war, konnte er seine Gedanken so doch endlich zum Ausdruck bringen. Ed fing an zu erzählen: „Na ja, ich wollte nach London, also recht weit Weg... um dort jemanden zu besuchen. Das hier sind verschiede Zugverbindungen, mit dehnen ich Fahren könnte.“ Das Mädchen nickte, als hätte sie verstanden. „Bist du deshalb traurig? Weil du nicht fahren kannst?“, entgegnete sie. „Hm... nein, ich hätte ja das Geld, aber ich weiß nicht, ob ich fahren soll... Das Mädchen schaute ihn ungläubig an und setzte sich wieder auf ihren Platz. Nach einer Weile, stellte sie ihn mit den gleichen Blick eine weitere Frage: „Magst du ihn?“
Doch diese einfache Frage, die so leicht zu beantworten wäre, ließ Ed stutzen und es verschlug ihn regelrecht die Sprache. Als hätte sie gewusst, was in seinem Herzen vorging, stellte sie ihm eine Frage, die all seine Überlegungen über den Haufen warf. Es war zwar nur die Frage eines kleinen Mädchens, aber dennoch hatte sie so viel an Gewicht...
„Ich... ähm... kenn ihn doch gar nicht weiter... aber stimmt schon, ich würde ihn zumindest gerne wiedersehen und ihn besser kennen lernen“. Mit "ihn" meinte Ed eigentlich "sie", denn der jemand der ihn gebeten hatte an Weihnachten mit sich und ihrer Familie zu feiern, war wahrscheinlich die schönste Frau die Ed in seinem kurzen Leben je gesehen hatte. Er lächelte, sich noch nicht recht bewusst, was er gesagt hatte. „Warum fährst du dann nicht?“, fragte sie. Tatsächlich gab es keinen Grund es nicht zu tun. In Ed´s Kopf wirbelten seine Gedanken und gleichzeitig versuchte er das Gespräch fortzusetzten, was ihm nur schwer gelang.
„Niemand sollte an Weihnachten allein sein“, sagte das kleine Mädchen und lächelte ihn an. „Der Zug wird in Kürze in Portsmouth ankommen, bitte seien sie vorsichtig beim aussteigen“, dröhnte es auf einmal durch den Zug. Ed sah unwillkürlich zur Tür des Abteils. Als er wieder seinen Blick auf das kleine Mädchen richten wollte, fand er nur einen leeren Platz vor. Er wendete sich an die Mutter des Mädchens. „Ähm. Madam, wo ist denn ihre Tochter...?“ „Tochter?“ , antwortete die Frau mit einem fragenden Blick“, tut mir leid, ich habe keine Tochter, ich reise allein.“. Mit diesem Worten erhob sich die Frau und begab sich zur Tür des Abteils. Leicht verwirrt, über das, was er gerade gesehen, oder besser nicht gesehen hatte, stieg er ebenfalls aus dem Zug. Der Himmel war klar und die Nacht war kalt. Ed schaute in den Sternenhimmel. „Eine Sternschnuppe...“ Er lächelte. „Niemand sollte zu Weihnachten allein sein...“ Mit diesen Worten in seinen Herzen, ging er den Bahnsteig hinab in die kalte Winternacht.
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