Ich will nicht aufwachen, das Bett ist so schön weich... Schon lange hab ich mich nicht mehr so wohl gefühlt! Doch, du musst aufwachen, du willst zum König... Nein, nur noch ein bißchen... WACH AUF!
Ravana wachte auf. Durch die trüben Glasscheiben des Zimmers viel helles Licht, die Sonne war schon aufgegangen. Im Bett auf der anderen Seite des Raumes hörte sie den Kokiri gleichmäßig atmen, und sie blieb noch eine Minute liegen, um die weiche Strohmatratze und die mit Federn gefüllte Bettdecke zu genießen, dann stand sie auf.
Kurz darauf schüttelte sie Milo wach, der sich in seinem Bett ebenso wohl zu fühlen schien wie sie in ihrem.

Nachdem sie gefrühstückt hatten – die Frau des Tischlers hatte ihre ganzen Lebensmittel auf den Tisch gestellt und Ravana hatte das erste Mal in ihrem Leben ‚Marmelade‘ gegessen – machten sich die beiden Freunde gleich wieder auf den Weg. Es war noch früh am Morgen, und sie wollten als erste am Schloss ankommen, damit den Bediensteten das Geld für die Milch noch locker in der Tasche saß.
Der Tischler hatte die Kuh gut versorgt, und sie ließ sich willig vor den Karren spannen. Milo, der den Trick heute schon raus hatte, setzte sich sogleich wieder auf den Kutschbock und brachte die Kuh dazu, loszulaufen. Vorsichtig lenkte er sie durch die engen Gässchen, bis sie schließlich auf dem Marktplatz ankamen, der noch recht leer aussah. Die Zugbrücke war schon hochgezogen worden, und langsam kamen einige Händler durch das Tor, um ihre Stände aufzubauen.
Milo und Ravana jedoch wandten sich nach links, Richtung Schloss. Sie konnten es schon sehen, es thronte etwa eine Meile von der Stadt entfernt auf einem Hügel – die weißen Türme majestätisch in den Himmel gereckt.
Ravana fuhr ein Schauer über den Rücken, das Schloss sah genauso aus, wie sie es in ihren Träumen gesehen hatte...
Das kleine Fuhrwerk mit der Gerudo und dem Kokiri verließ die Stadt Richtung Norden und fuhr auf das Schloss zu. Nach kurzer Zeit kam eine Kurve, dann konnten die beiden sehen, dass der Weg zum Schloss durch ein hohes schmiedeeisernes Gitter versperrt wurde. Eine Wache mit schwerer, in der Sonne blitzenden Rüstung und einem Speer in der Hand stand davor und sah ihnen mißtrauisch entgegen.
Schließlich brachte Milo die Kuh vor dem Gitter zu stehen und der Mann fragte: „Ihr wollt zum Schloss und etwas verkaufen? Habt ihr eine Verabredung mit einem Verantwortlichen?“
„Nein,“ sagte Ravana, „wir kommen von der Lon-Lon-Farm und sollen der königlichen Küche Milch verkaufen.“
Der Soldat sah interessiert drein. „Ihr kommt von Balon? Den kenne ich, kommt hier einmal alle zwei Wochen vorbei. Ihr könnt weiterfahren. Fahrt zum Gesindeeingang am Ostflügel des Schlosses, verstanden?“
Milo und Ravana nickten. Die Wache öffnete das Tor nach innen und winkte sie durch. „Kommt vor Mittag wieder, sonst lasse ich euch suchen!“

Auf dem gewundenen Weg zum Schloss durch den großen Schlossgarten mussten sie noch weitere Wachtposten passieren, doch schließlich kamen sie vor dem Hauptportal an. Ravana war überwältigt von der Schönheit des Schlosses, und sie fühlte sich in ihren Traum zurückversetzt. Vielleicht träume ich auch und bin gar nicht wirklich hier, so ist es mir doch schon mal gegangen.. dachte sie. Sie sah sich vorsichtig um und erwartete, hinter sich die sich ausdehnende Wolke aus Dunkelheit zu sehen, doch sie sah nur in der Ferne die Stadt und dahinter die Steppe.
Während Milo den Wagen nach rechts lenkte, um zum Gesindeeingang zu kommen, sah sich Ravana das Schloss an. Wie schön musste es sein, in diesem schönen Gebäude zu wohnen, mit dem großen Garten und den vielen Blumen... Sie war noch immer überwältigt von der Fülle der Pflanzen, die hier wuchsen. Noch immer kam ihr das wie ein Wunder vor – in der Wüste gibt es fast nur Sand und Steine.
Endlich kamen sie vor dem Gesindeeingang an. Milo sprang vom Bock und klopfte laut an die Holztür.
Links neben sich sah Ravana eine kleine Öffnung in der Mauer, aus der klares Wasser sprudelte und einen wassergefüllten Schlossgraben nährte.
Ein Kind würde durch diese Öffnung bestimmt hindurchkommen, dachte sie. Ob das noch niemandem aufgefallen war?
Die Tür wurde geöffnet und ein schmächtiger Diener trat heraus. „Ja? Was wollt ihr?“
Milo antwortete: „Wir haben den Auftrag, der königlichen Küche frische Milch von der Farm zu verkaufen.“
„Dazu hole ich mal eben den obersten Koch. Wartet einen Moment und rührt euch nicht von der Stelle!“
Gleich darauf erschien ein sehr dicker Mann in weißer Kleidung. „Milch wollt ihr verkaufen? Lasst mich erstmal die Ware kosten...“

Nachdem der Koch eine Flasche geöffnet und an ihr genippt hatte, hatten sie über den Preis verhandelt und schließlich hatte der Diener ihnen genau 505 Rubine in die Hand gezählt.
Milos Augen leuchteten. Er malte sich bestimmt aus, was er sich alles von dem Geld kaufen könne, und auch Ravana dachte sehnsuchtsvoll an den fliegenden Teppich und dieses Triforce-Amulett, das sie in Kakariko gesehen hatte.
Dann viel ihr ein, dass sie noch etwas vorhatten. „Wir möchten den König um eine Audienz bitten, wie geht denn das?“
Erstaunt und etwas überheblich starrte der Diener sie an. „Eine Audienz? Ich verstehe nicht, warum König Dardanos für alle Bürger immer ein offenes Ohr hat.. Aber gut. Geht durch den Haupteingang ins Schloss und meldet euch bei der diensthabenden Wache im großen Eingangssaal. Er wird euch dann sagen, wie es weitergeht.“

Als die beiden den Eingangssaal betraten, sahen sie sich staunend um. So viel Gold und teure Stoffe auf einem Haufen! Am Boden lag ein weicher Teppich, an den Wänden hingen Teppiche, deren Muster die Geschichte Hyrules wiedergab, und eine breite Treppe mit vergoldeten Geländern führte gradeaus in den Thronsaal hinein.
Gegen Mittag konnten sie diesen betreten. Eine Wache meldete sie beim König an und führte sie schließlich in den Saal. Dieser war fast noch prunkvoller als der Eingangssaal – an den Wänden hingen vergoldete Kerzenhalter und durch hohe Fenster an den Seiten kam helles Licht in den Saal. Sie gingen über einen breiten roten Teppich auf den König zu, der auf einem hohen Stuhl thronte.
Ravanas Herz pochte so sehr, dass sie sich kaum traute aufzusehen, und Milo ging es genauso.
Schließlich verbeugten sie sich und Ravana schaute auf. Der König hatte dichtes weißes Haar und fein geschnittene Gesichtszüge, und er lächelte.