Draußen gab es kaum Licht, der Mond war im Moment hinter einer Wolke verborgen. Die beiden tapsten Richtung Brunnen, und Ravana schrie kurz auf, als sie sich das Knie am Steinrand des Brunnens anstieß.
Irgendwas ließ Ravana schauern. Sie konnte im Brunnen zwar nichts sehen, doch trotzdem hatte sie kein gutes Gefühl, was den Brunnen anging. Schnell ging sie weiter, am Brunnen vorbei. Kurz darauf standen die beiden vor einem hohen Zaun.
Während Ravana noch dachte, dass sie noch nie irgendwo hochgeklettert war und ob es nicht zu dunkel zum Klettern war, war Milo den Zaun schon halb hochgeklettert.
„Jetz komm schon! Ist nicht schwer!“ rief er zu ihr hinunter. Ravana zuckte mit den Schultern und kletterte Milo hinterher. Als sie oben angekommen war und es darum ging, sich über die obere Kante zu schwingen – bei dem Gedanken daran bekam sie ein wenig feuchte Hände – sprang Milo schon unten herum und bekundete sein Gefallen an der nächtlichen Kletterei.
„Wo hast du denn so gut klettern gelernt?“ rief Ravana zu ihm runter, um Zeit zu schinden und sich vielleicht eine Alternative zum Zaunklettern einfallen zu lassen.
„Ach, bei uns im Wald kann man überall klettern! Viele Häuser stehen bei uns auf Bäumen. Na komm, ein Bein rüber, dann klappt das schon!“
Na, der hat leicht reden.... In der Wüste gibt’s keine Zäune, und schon gar keine Häuser auf Bäumen!
Kurze Zeit später stand auch sie bei Milo auf der anderen Seite und sie sahen sich um. Der Mond war inzwischen wieder hervorgekommen und sie konnten links ein Haus erkennen. Sie gingen an der Hauswand entlang, und Ravana wäre fast in ein Loch im Boden gefallen, konnte im letzten Augenblick aber noch mit dem anderen Fuß Halt finden.
Endlich fanden sie eine Treppe, die sie hinauf stiegen. Oben war eine hölzerne Tür. Milo drückte ein Ohr auf die Tür, konnte aber nichts hören. Schließlich klopfte Ravana. Sie traute sich nicht, mit der Faust dagegen zu hämmern, weil sie Angst hatte, die Hexe zu erzürnen.
Es war nichts zu hören, und schließlich drückte sie die Klinke herunter und öffnete die Tür einen spaltbreit.
Dämmriges, flackerndes Licht fiel aus dem Ritz, und Ravana fasste Mut und betrat das Zimmer, Milo schlich hinter ihr her.
Es war ein sehr seltsamer Raum. Es roch irgendwie sehr fremd, Kerzen brannten mit bunten Flammen, an einer Wand hinter der Ladentheke blubberte eine Flüssigkeit in einem Kessel und aus den Ecken ertönte ein Rascheln, als ob dort irgendwelche kleinen Tiere ihr Unwesen trieben. Die Hexe saß auf der anderen Seite der Ladentheke, ihr Kopf lag auf dem Holz und sie schnarchte. Neben ihr saß eine schwarze Katze, die den Kokiri und die Gerudo mit gelben Augen durchdringend anstarrte.
Ravana ging zur Theke und tippte die Hexe leicht an. Die Katze stand auf, gähnte und machte einen Katzenbuckel. Die Hexe jedoch rührte sich nicht. Milo kam hinter Ravana hervor und sah sie fragend an. Ravana zuckte mit den Achseln und schüttelte die Hexe etwas stärker.
Sie war sofort wach und starrte die beiden böse an. „Wer seid ihr denn?“ fauchte sie unwirsch. „Macht, dass ihr raus kommt, es ist Nacht und der Laden hat geschlossen.“
Ravana war erstaunt, dass die Hexe unfreundlich war. Sie wollte aber nicht unerledigter Dinge wieder gehen, immerhin hatte sie Geld dafür bezahlt, dass sie die Hexe besuchen konnte.
Sie sagte: „Bitte entschuldigt, dass wir einfach so reingekommen sind. Ich habe nur eine Frage...“
Da die Hexe sie nicht in „Dekus“ verwandelte, ging Ravana davon aus, dass sie weitersprechen durfte. Sie löste den zusammengefalteten fliegenden Teppich von ihrem Gürtel und hielt ihn der Hexe hin.
„Seht Ihr? Das ist ein fliegender Teppich, aber er ist alt und zerschlissen, und er fliegt nicht mehr. Könnt Ihr den Teppich richtig pflegen, damit ich ihn wieder benutzen kann?“
Die Hexe grapschte mit gierigen Augen nach dem Teppich, doch Ravana hielt ihn fest.
„Wo hast du Kindchen denn so einen wunderbaren Teppich her? In Hyrule gibt es nur einen einzigen fliegenden Teppich, und der gehört einem entfernten Verwandten von mir. Naja, zeig ihn mir mal, ich seh mal, was ich tun kann. Kuck nicht so, du kriegst ihn ja wieder.“
Widerwillig ließ Ravana das Bündel los und die Hexe legte es vor sich auf den Tisch, um es dort zu entrollen. Sie betrachtete einige Zeit lang den Teppich und prüfte hin und wieder eine einzelne, besonders zerfetzte Stelle.
„Hm. Ich kann den Teppich pflegen. Doch es dauert einige Zeit, und es wird dich auch einiges kosten, Kindchen. 500 Rubine, und du kannst den Teppich in drei Tagen wieder abholen, dann ist er wie neu.“
Was? 500 Rubine? Soviel bekomme ich im Leben nicht zusammen! dachte Ravana.
„100 Rubine. Alles andere ist Wucher.“ sagte Milo und trat vor an die Theke. Er konnte kaum über die Kante blicken, sah aber entschlossen aus.
Ravana war total überrascht. Erst ein Preis, der ihr Vorstellungsvermögen übertraf, und dann der kleine Milo, der wie ein knallharter Händler daher kam.
Die Hexe sah ebenso überrascht aus wie sie. „Was? WAS?“ gackerte sie. „Misch dich nicht in Erwachsenengeschäfte ein. Solltest du nicht längst im Bett sein? Frecher Bengel!“
Milo sah kurz ein wenig beleidigt aus. „Ich sage, 100 Rubine, mehr bekommst du nicht dafür, den Teppich wieder in Ordnung zu bringen.“
Ravana hatte sich wieder gefasst und sagte: „Lass mal gut sein, Milo. Ich hab weder 500 Rubine, noch 100 Rubine. Komm, lass uns gehen.“ Sie nahm den Teppich an sich, legte ihre Hand auf Milos Schulter und drehte ihn Richtung Tür.
Die Hexe hinter ihnen kreischte: „Nein, kommt zurück! Für 250 Rubine bringe ich den Teppich tipp topp in Ordnung! Na, wie wäre das? Ihr findet niemanden, der sich so gut mit magischen Gegenständen auskennt wie ich! Kommt zurück!“
Ravana drehte sich noch einmal um. „500 Rubine wären zuviel, und 250 Rubine auch. Aber ich komme wieder, wenn ich 150 Rubine habe, dann können wir weiterreden. Angenehme Nacht und einen gesegneten Morgen wünsche ich Euch!“
Nachdem sie die Eingangstür hinter ihnen geschlossen hatte, fragte Milo aufgeregt: „Du hast einen fliegenden Teppich? Kann man damit wirklich fliegen? Wie ein Vogel? Darf ich mal, wenn er wieder in Ordnung ist? Bitte!“
Ravana lachte. „Klar darfst du, aber ich muss erstmal so viel Geld zusammenkriegen. Weißt du, wie ich zu Geld komme? Und woher weißt du überhaupt, wie man handelt? Du bist ja ein richtiger Geschäftsmann!“
„Ja, bei Balon lernt man das Handeln. Aber ich bin müde, wie wärs, wenn wir uns erstmal ein Plätzchen für die Nacht suchen? Morgen können wir dann wieder handeln!“
„Gute Idee, suchen wir uns erstmal warme Betten!“