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Ehrengarde
Lon-Lon-Farm
Ravana hörte kurze Zeit dem Gespräch zwischen dem Hofbesitzer und Milo zu und verstand nichts von dem, was sie sagten. Welche Kühe? Und warum sollte sie jetzt nach Kakariko gehen und Kühe kaufen? Ist es üblich, für eine Nacht und eine kleine Mahlzeit zwei Tage zu arbeiten?
Sie stand ein wenig schüchtern herum und wollte auch nicht unbedingt ablehnen, nach Kakariko zu gehen. Sie konnte doch schlecht den Jungen tagelang allein durch die Steppe gehen lassen, so ganz ohne Schutz, und immerhin war er freundlich zu ihr gewesen.
Soweit sie sich erinnerte, war Kakariko auch nicht sehr weit weg von Hyrule, wo ihr Ziel lag. Vielleicht konnten sie unterwegs einen kurzen Abstecher dorthin machen.
Auf einmal vernahm sie ihren Namen. Der Verwalter war inzwischen gegangen, bestimmt hatte er viel zu tun.
Milo hatte etwas zu ihr gesagt und sie hatte nicht zugehört und nur die letzten Worte mitbekommen: "...hättest schlafen dürften, scheinst mir ein feines Mädchen zu sein. Ravana, ja?"
Feines Mädchen? Sowas hatte noch nie jemand von ihr gesagt. Ravana lächelte und sagte: "Ravana, richtig. Also gut, lass uns gehen. Die Steppe ist ziemlich groß, wir weden bestimmt eine Weile unterwegs sein."
Sie sah an sich hinunter und sah nach, ob sie alle ihre Sachen bei sich hatte und ging dann hinter Milo zur Tür. Er öffnete sie und ließ den wunderschönen, warmen Morgen in das Zimmer. "Na denn, wartet eine Menge Arbeit auf uns." sagte Milo und trat in das Sonnenlicht. Als Ravana draußen stand, atmete sie tief ein. Auch hier auf der Farm konnte sie den Geruch nach Tieren riechen, wie bei der Bogenschießerin der Gerudo und ihrem Pferd. Die Sonne war schon vor ein paar Stunden aufgegangen und strahlte jetzt hell und warm vom Himmel herab. Keine Wolken waren zu sehen, und im Stall hörte sie das Stampfen von Tieren.
Als Milo die Haustüre geschlossen hatte, gingen sie los.
Es war schon einige Stunden her, seit die beiden die Steppe betreten hatten. Das Panorama war wieder überwältigend gewesen. Der Todesberg war inzwischen viel größer geworden und ragte majestätisch wie ein großer Kegel in den Himmel. Etwas westlich davon konnte sie ein paar Türme der Stadt sehen. Kakariko sollte sich am Fuße des Todesberges befinden. Vermutlich würden sie erst am späten Nachmittag dort ankommen.
Obwohl Ravana die Hylianische Steppe erst seit einem Tag kannte, liebte sie die Landschaft schon. Die sanften Hügel, das wogende Gras, der leichte Wind und die schöne, weite Sicht waren für sie einfach überwältigend. So viel anders als Sand und Steine...
Ganz in ihre Gedanken versunken, vergaß sie hin und wieder, dass Milo noch klein war und nicht so schnell laufen konnte wie sie. So war er schon einige Male etwas zurückgefallen und hatte sie dann rennend wieder eingeholt.
"Er hat dich Gerudo genannt? Was ist denn das?" tönte seine Stimme etwas atemlos hinter ihr.
Schuldbewusst verlangsamte Ravana ihre Schritte etwas. „Du weißt nicht, wer die Gerudo sind?“ fragte sie verwundert. Von ihrer Tante, der Anführerin der Gerudo, wusste sie, dass die Menschen in Hyrule fast alle Angst vor den früheren Überfällen der Gerudo hatten und der Stamm der Gerudo in Hyrule berühmt-berüchtigt sei. Milo, der sie inzwischen wieder eingeholt hatte, schüttelte den Kopf und sah mit großen Augen zu ihr auf.
Naja, wahrscheinlich haben seine Eltern ihm einfach nichts über uns erzählt, dachte Ravana. „Die Gerudo leben weit im Westen, fast in der Wüste. Früher haben sie oft Reisende und Siedlungen überfallen.“ sagte sie und fügte, als sie seinen erschrockenen Blick sah, hinzu: „Inzwischen überfallen sie niemanden mehr. Zumindest keine armen Reisenden. Meine Mutter war auch eine Gerudo, darum sehe ich auch aus wie eine Gerudo.“
Dann viel ihr etwas ein. Balon hatte vorher irgendwas davon gesagt, dass Milo aus dem Wald kommt – was meinte er damit? „Was hat denn Balon damit gemeint, als er sagte, dass er jetzt auch glaubt, dass du aus dem Wald kommst? Welcher Wald? Sehen im Wald alle so aus wie du?“
Ravana viel ein, dass es in den Legenden eine kurze Passage gab, in der es hieß, dass der große Held der Zeit ein Junge aus dem Wald gewesen sei. Hatte das vielleicht etwas miteinander zu tun? Diesen Satz hatte sie noch nie verstanden. Sie wusste, dass es die Verbotenen Wälder gab, aber das war eine finstere Gegend, die ein normaler Mensch nicht betreten konnte. Ihr Ziehvater hatte ihr früher oft Gruselgeschichten aus dem Wald erzählt..
„Warte doch mal auf mich, meine Beine sind zu kurz!“ rief Milo wieder.
Ravana blieb stehen und drehte sich um, um auf Milo zu warten. „Entschuldige,“ sagte sie, „ich bin es gewohnt, alleine zu reisen, tut mir sehr Leid, dass ich immer zu schnell laufe!“Als der Junge aufgeholt hatte, gingen sie zusammen weiter.
Milo fing an zu reden: „Hast du irgendeine Ahnung, wo Kakariko überhaupt liegt? Naja, vielleicht finden wir ja irgendwelche Schilder, oder so. Habe ich den Beutel mit? Jah, hier ist er. Dem DekuBaum sei Dank. Ravana, warte!“
Sie ging wieder ein wenig langsamer. „Kakariko? Nein, ich hab keine Ahnung, wo das genau ist. Ich dachte, DU weißt es!? Du warst doch bestimmt schon öfters da, oder nicht?“
Kopfschüttelnd suchte sie den Horizont ab, um vielleicht in der Ferne das Dorf zu sehen. Da liefen ein kleiner Junge mit seltsamen Kleidern neben einer großen Gerudo nach Kakariko, und keiner der beiden wusste, wo Kakariko überhaupt ist! Grinsend sagte sie zu Milo: „Du bist schon so einer. Sollst Kühe kaufen und weißt nicht mal genau, wo... Und wo können wir dort überhaupt schlafen?“
Sie überlegte kurz. In Kakariko gab es bestimmt eine Pension oder sowas, wo man für Geld ein Zimmer für eine Nacht mieten konnte. Würde das wenige Geld, das sie hatte, für sie beide reichen?
„Und weißt du überhaupt, wie man gute Kühe auswählt?“
Einige Zeit später konnten sie mehr Einzelheiten erkennen. Weit zur Linken sahen sie die Stadtmauern der Schlossstadt Hyrule, und einige Meilen weiter voraus führte der Weg sie über eine Brücke und dann zu den Felswänden, die die Steppe eingrenzten. Bestimmt ist das der richtige Weg nach Kakariko, dachte sie.
„Ich glaube, wir schaffen es noch vor Einbruch der Dunkelheit, was sagst du?“ fragte sie Milo, der inzwischen auch etwas müde aussah. Sie hatten unterwegs nur eine kurze Pause gemacht, als Ravana einen kleinen Hasen gesehen hatte und diesen sofort mit einem Pfeil tötete. Milo sah ein wenig traurig auf den toten kleinen Hasen nieder, doch Ravana hatte schon lange kein Problem mehr damit, Tiere selbst zu töten. Jahrelang hatte sie sich so in der Wüste ernährt. Auf einer Steinplatte hatte sie ein Feuer entzündet und das Tier darüber gebraten. Gesättigt hatten sie sich danach wieder auf den Weg gemacht.
Auch sie selbst war müde und hoffte, dass sie in Kakariko ein gemütliches Bett bekommen würde.
Geändert von Ravana (22.12.2004 um 13:12 Uhr)
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