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Ehrengarde
Gerudofestung
Ravana stand vor dem Schloss. Die Farben, die sie sah, waren sehr einfach, es gab die Wiese und Bäume vor dem Schloss in verschiedenen kräftigen Grüntönen, der Himmel leuchtete in einem tiefen, klaren blau und das Schloss erstrahlte in einem grellen weiß.
Sie war glücklich, dass sie es endlich geschafft hatte. Sie war hier, stand vor dem Schloss und würde mit dem König sprechen! Während sie den majestätischen Bau noch musterte und sich darauf freute, ihn gleich zu betreten, zwitscherten die Vögel, in der Luft lag ein hintergründiges Rauschen, das man an klaren Morgen oft hören konnte und der Bach im Schlossgraben murmelte vor sich hin. Es roch nach Sommer – Blumen, Gras, Sonnenstrahlen und Ravana fühlte sich wohl wie nie zuvor. Endlich war sie hier!
In Gedanken schon dabei, sich zu fragen, ob es im Schloss wohl dunkel war und ob es dort dicke, rote Teppiche an den Böden gab, ging Ravana langsam auf das Schloss zu.
Doch es fiel ihr zunehmen schwerer, ihre Beine zu bewegen und die bekannte Panik überwand sie. Nicht schon wieder!
Wie immer zogen sich hinter ihrem Rücken dunkle Schwaden zusammen. Ravana sah sie nicht, doch sie spürte, dass dort etwas war – und bisher war es immer diese angsterfüllende Dunkelheit gewesen.
Jetzt verstummten auch alle beruhigenden Geräusche, die sie gehört hatte – bis auf das Rauschen des klaren Morgens. Dieses veränderte sich und war nicht mehr das leichte Rauschen, sondern eher ein beängstigendes Zischen.
Obwohl sie es nicht wollte, drehte sie sich um, und sah, was sie gewusst hatte: eine Wolke aus Dunkelheit, die sich langsam ausbreitete und die Harmonie der Natur vernichete.
Bisher hatte sie immer ein lautes Lachen gehört, doch diesmal erklang nur das rauschende oder zischende Geräusch. Dafür sah sie etwas, das ihr bisher immer verborgen geblieben war: in der Mitte der Dunkelheit strahlte ein kleiner Gegenstand ein helles, flackerndes Licht ab. Um dieses herum bewegten sich halb durchsichtige Gestalten – ein Heer der Toten, Geister, die sich um ihren Meister versammelten und ihm etwas in ihrer Geistersprache zu flüsterten. Die Luft war angefüllt mit diesem Wispern der Geisterstimmen.
Ravana konnte nur entsetzt zusehen, wie die dunklen Nebenschwaben mit ihren Krallen aus Schatten das Licht der Sonne verdeckten und dann auf sie – und das Schloss – zukrochen...
Ravana wachte auf und zitterte am ganzen Körper. Da war dieser Traum wieder.. Seit vielen Nächten hatte sie ihn nicht mehr gehabt, und nun war er wieder da und beängstigender als je zuvor.
Eine Kerze auf dem Gang, deren Schein auch durch den Vorhang an der Tür drang, gab ein flackerndes, schummriges Licht ab – gerade so viel, dass Ravana die Umrisse der wenigen Möbelstücke im Zimmer sehen konnte. Ihr Herz pochte noch immer viel schneller als normal, und sie verspürte den Drang, einen Blick aus der Fensteröffnung zu werfen – irgendwie rechnete sie damit, dass auf dem Platz vor der Festung Heerscharen von Geistern ihr übles Werk trieben.
Sie schlug die Decke auf, stand auf, zog ihren Dolch unter der Matratze hervor und ging vorsichtig zum Fenster.
Nichts war zu sehen, zumindest nichts, das sie beunruhigte. Die Sterne am Firmament glitzerten, eine einsame Krähe krächzte ihr trauriges Lied in den Himmel, aber es waren keine Dämonen oder Geister zu sehen.
Und doch – ejne heftige Traurigkeit überkam sie. Nicht nur in ihrem Traum war die Schönheit und der Frieden von Hyrule zerstört oder angegriffen worden – auch in Hyrule selbst war etwas geschehen.
Bumara hatte davon erzählt, dass auch sie glaubte, dass etwas vorgehe im Land, aber genaueres hatte sie nicht gewusst.
Auf dem Hof unten brannte nur noch eine der vielen Fackeln, die anderen waren alle schon erloschen. Auf den Tüchern am Boden lagen drei oder vier Gerudos, die den Weg zu ihren Gemächern wahrscheinlich nicht mehr gefunden hatten.
Kurz fragte sie sich, in welcher Kammer Rikoon schlief. Im Hof war er nicht, jedenfalls nicht, soweit sie diesen überblickte.
Doch ihre Gedanken wanderten zurück zu dem Alptraum. Heute wollte sie sowieso aufbrechen, sie war lange genug geblieben, um den Säbelkampf zu lernen, und sie wollte zum Schloss. Nach dem Traum, den sie eben hatte, fühlte sie sich in ihrem Vorhaben nur bestätigt.
Ravana wusste jetzt, was sie wollte. Sie würde zum Schloss gehen (und hoffen, dass ihr Alptraum sich nicht bewahrheitete) und dort mit dem König reden. Wenn jemand wusste, was in Hyrule vor sich ging, dann er.
Als starker und gerechter König würde er sicherlich ein offenes Ohr für die Ängste und Befürchtungen seiner Untertanen haben..
Ravana war froh, dass sie endlich wusste, warum sie zum Schloss gehen sollte. Sie warf noch einen letzten Blick aus dem Fenster – ganz rechts konnte sie noch einen kleinen Ausschnitt Wüste sehen – und ging zurück zu ihrem Bett.
Doch an Schlaf war nicht mehr zu denken. Inzwischen verspürte sie auch Kopfschmerzen, eine weitere unerwünschte Nebenwirkung des Palmschnapses.
Ihre Gedanken wandten sich wieder Rikoon, dem Fremden, zu. Was er wohl von Bumara wollte? Ob sie ihn noch mal sehen würde, bevor sie sich auf den Weg zur Hylianischen Steppe machte? Einem weiteren Zusammentreffen mit ihm sah sie mit gemischten Gefühlen entgegen. Am abend auf dem Fest hatte sie sich sehr klein und dumm gefühlt und nicht gewusst, was sie sagen sollte.
Vermutlich würde er seine Angelegenheiten hier klären und dann seinen Weg, wohin auch immer, fortsetzen – wie sie selbst auch.
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