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Thema: [ALT] Link´s Legacy #1

Hybrid-Darstellung

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  1. #1
    Als es dunkel wurde, wurden viele Fackeln angezündet, die um auf dem gesamten Vorhof in den Boden geschlagen worden waren, so dass nicht nur der Mond das Fest erhellte.
    Ravana hatte einen Becher Palmschnaps getrunken, der ihr zwar nicht schmeckte, der aber ein warmes und irgendwie angenehmes Gefühl in ihrem Kopf verursacht hatte. Inzwischen – es war schon kurz vor Mitternacht, war sie ein wenig müde geworden, doch bald sollte der Kampf beginnen. Die anderen Gerudos hatten teilweise sogar etwas mehr von dem Schnaps getrunken, doch keine schien in irgendeiner Weise davon betrunken worden zu sein.

    Auch der Fremde hatte einen Becher in der Hand und saß an einen Fels gelehnt im Schatten einige Meter entfernt. Er hatte sich den ganzen Abend im Hintergrund gehalten, vermutlich wollte er Bumara nicht noch mehr verärgern.
    Kurze Zeit später setzten sich die Gerudos im Kreis auf die Tücher, nur Bumara stand vor ihrem Thron und hatte den Säbel gezogen. Ihre Augen blickten unnahbar wie immer und sie wirkte nicht im Mindesten angetrunken.
    Sie rief: „Der Zeitpunkt, mit dem rituellen Zweikampf den alten Tag zu verabschieden und den neuen Tag zu begrüßen, ist gekommen!“
    Sie ging in die Mitte des Kreises, und Ravana kam ihr entgegen. Obwohl keiner ihr gesagt hatte, wie der Kampf genau abzulaufen hatte, wusste sie genau, was zu tun war.
    Auch sie hatte jetzt den Säbel in der Hand, musterte Bumara und sagte:
    „Wenn ich mich als würdig erweise, werde ich von nun an eine Gerudo sein und die Rituale und Traditionen des Gerudo-Volkes fortan befolgen und respektieren!“
    Bumara nickte ihr zu, und dann begann der Kampf.
    Vielleicht lag es an dem Palmschnaps, oder die Gerudo hatten durch das Einhalten der traditionellen Vorgaben des Festes ein Ritual zelebriert, das die Göttinnen mit einer seltsamen Klarsicht belohnten, den Ravana kam es vor, als bewegte sie sich in Zeitlupe. Sie parierte Schlag auf Schlag, führte den Säbel in perfekt geschwungenen Linien und bewegte sich so leichtfüßig, dass der Kampf ihr fast vorkam wie der Tanz, den sie einige Stunden zuvor gesehen hatte.
    Sie versuchte nicht, Bumara zurückzudrängen, und auch Bumara kämpfte nicht, um zu gewinnen, sondern die beiden harmonierten miteinander, als ob sie die Bewegungen zuvor geübt hätten.

    Ravana wusste nicht, wie lange der Kampf dauerte, und nach einiger Zeit kam ihr das ganze vor wie ein Traum, doch irgendwann kreuzten sich die Klingen das letze mal, sie und Bumara ließen die Säbel zu Boden fallen und umarmten sich. Wieder ertönte lautes Jubelgeschrei, und die Gerudo sprangen alle auf, um Ravana als eine der Ihren im Volk der Gerudo willkommen zu heißen.

  2. #2

    Gerudofestung, Feier für das neue Stammesmitglied Ravana

    Ravana genoss das Fest. Nachdem der Kampf beendet war und alle Gerudos sie als Schwester willkommen geheißen hatten, war auch ihre vor dem Kampf aufgekommene Müdigkeit verflogen und sie dachte nicht mehr daran, ins Bett zu gehen, obwohl ihre Muskeln vom vielen Trainieren schmerzten.
    Das Fest hatte seinen streng traditionellen Charakter inzwischen verloren, da die eigentlichen Rituale beendet waren, und die Frauen wurden ein wenig ausgelassener. Ravana nahm an, dass das vom Palmschnaps kam, von dem die Gerudo jetz nach dem offiziellen Ritual recht viel tranken.
    Auch sie hatte einen weiteren Becher dieses Feuerwassers getrunken und fühlte sich recht schummrig. Nie zuvor im Leben hatte sie bewusst Alkohol getrunken, und sie merkte, dass das auch gut gewesen war.
    Die Frauen lachten und tanzten zu der Musik der Flötenspielerin, die inzwischen wieder ihre pfeifenden Töne verbreitete, einzig Bumara saß auf ihrem Holzthron und starrte düster in die Flamme einer Fackel neben ihr.
    Ravana ging zu ihr und setzte sich auf ihren kleinen Stuhl neben dem Thron. Bumara sah auf und sagte düster:
    „Dieser Mann dort drüben wird noch Unheil über uns bringen. Ich habe ihm gesagt, dass er uns nicht zu nahe kommen soll, und jetzt läuft er herum und spricht mit meinen Leuten. Mir ist schon klar, warum wir Gerudo uns vor Jahrhunderten von allen Männern lossagten. Sie säen Zwietracht und Neid. Sieh nur, wie Ninimar mit ihm redet! Sie verschlingt ihn ja geradezu...“
    Verbittert schlug sie mit der Faust auf die Lehne und trank einen Schluck aus ihrem Becher.
    Ravana vermutete, dass auch Bumara ein wenig zuviel von dem Schnaps getrunken hatte, denn sonst hatte sie nie ein böses Wort über eine der Frauen gesagt.
    Sie selbst hatte sich am Abend ein paar mal nach dem fremden Mann umgesehen. Während ihres Lebens in der Wüste hatte sie so gut wie nie einen Mann außer ihrem Ziehvater Kamir gesehen, und nach mehreren Tagen Zusammenleben mit den Gerudo stellte ein fremder junger Mann, der noch dazu recht gut aussah – obwohl sie natürlich wenig Vergleichsmöglichkeiten hatte – eine willkommene Abwechslung dar.
    Darum konnte sie die anderen Gerudo, die sich unkompliziert mit dem Mann unterhielten und sogar manchmal lachten, eigentlich verstehen.
    Aber sie selbst wollte eigentlich nicht mit ihm reden. Sie wusste nicht, was sie hätte sagen sollen und befürchtete, sich schrecklich zu blamieren. Darum war sie ihm auch immer aus dem Weg gegangen, wenn er zufällig in der Nähe war.
    Ravana sagte zu Bumara: „Lass ihn doch, Tante. Es ist doch besser, wenn er mit uns redet und uns zum Lachen bringt, als wenn er an der Mauer sitzt und einen Plan ersinnt, wie er uns töten kann, oder?“
    Bumara nickte schweigend mit dem Kopf und trank einen weiteren Schluck Palmschnaps.
    „Du hast recht, Nichte“ sagte sie schließlich. „Und doch – es ist mir äußerst unangenehm, diesen Mann hier zu haben und ihn beherbergen zu müssen. Wer weiß, was er mit seiner bloßen Anwesenheit anrichtet!“
    Irgendwie konnte Ravana sie verstehen. Bumara war die Anführerin der Gerudo und hatte natürlich Angst, die Kontrolle über ihr Volk zu verlieren.
    Die Gerudos lebten seit vielen Jahrhunderten als ein Kriegervolk ohne Männer auf diese Weise zusammen. Wenn eine Gerudo von sich aus mit einem Mann sprach und ihm nicht mit einem verachtenden Blick sofort die Kehle durchtrennte, war das ein Zeichen dafür, dass diese Lebensweise veraltet war und nicht ewig halten würde.
    Um Bumara von ihren düsteren Gedanken abzulenken, sagte sie:
    „Sie sehen alle sehr glücklich und sorglos aus.. Ich danke dir für das Fest, Tante, und ich glaube, die anderen würden das auch tun, wenn sie nicht so sehr damit beschäftigt wären, es zu genießen!“

    Du brauchst mir nicht dafür danken, Nichte. Die Tradition verlangt, dass ein Fest zu Ehren eines neuen Stammesmitgliedes gegeben wird, und wir alle freuen uns über einen Grund zu feiern und ausgelassen sein zu können. Wir haben gewöhnlich nur zwei Feste im Jahr – eins zur Sommersonnenwende und eins am Tag der Göttinnen, die beide zwar jeweils drei Tage andauern, aber trotzdem ist uns ein weiterer Grund zu feiern immer willkommen. Und du solltest das erste Fest in deinem Leben nicht damit verbringen, deiner verbitterten Tante Gesellschaft zu leisten,“ sagte sie schmunzelnd. „Geh nur, hol dir einen weiteren Becher Schnaps – Alkohol gibt es nur zu den festgeschriebenen Feierlichkeiten – und amüsiere dich!“

    Ravana nickte ihr dankend zu und ging auf eine Gruppe lachender Verlieswächterinnen zu, doch auf halbem Wege sah sie, dass dieser Fremde bei ihnen stand und angeregt etwas erzählte, über das die Verlieswächterinnen sich wohl amüsierten. Schnell änderte Ravana den Kurs und ging stattdessen zu einem der mit Essen und Trinken beladenen Tische.
    Verwunderlich, dachte sie. Erst kommt dieser Typ hierher, versteckt sich drei Tage, um sich der Gastfreundschaft der Gerudos zu versichern, und dann redet er ungehemmt mit unseren Leuten, anstatt einfach zu sagen, warum er da ist...

    Ravana merkte, dass doch die Müdigkeit wiederkam und sie hatte das Gefühl, dass sich ihre Umgebung leicht um sie herum drehte - und so beschloss sie, nichts mehr zu essen und sich stattdessen in ihr Gemach zurückzuziehen. Sie goss sich aus einem Tonkrug klares Wasser in ihren Becher, um den Alkoholgeschmack herunter zu spülen, stellte den leeren Becher auf den Tisch und drehte sich um, um zur Festung zu gehen – und lief plötzlich fast in den fremden Mann hinein, der sich wohl noch etwas zu trinken holen wollte und jetzt ebenso überrumpelt aussah wie sie sich fühlte.
    Oh nein, dachte sie. Ich habe es den ganzen Abend geschafft, ihm aus dem Weg zu gehen, und jetzt ist es doch passiert. Was soll ich nur sagen?

    Doch noch bevor sie etwas sagen konnte, fing der Mann schon an zu sprechen. Er sagte:
    „Hey du, war ein grossartiger Kampf von dir vorhin. Du siehst nicht aus wie ein Gerudo, wie kommts?"

    Nicht... wie eine Gerudo?
    „Nein?“ platzte es aus ihr hervor. „Man sagte mir, dass ich aussehe wie meine Mutter, und sie war eine Gerudo!“
    Der Mann schaute ein wenig verdattert.
    Jetzt habe ich was Falsches gesagt, dachte Ravana besorgt. Was sollte sie nur mit einem Mann reden? Ihn einfach stehen lassen wollte sie auch nicht, dafür war sie zu neugierig darauf, einen Mann aus der Nähe zu sehen und ihn sprechen zu hören – jetzt, da er sie sowieso schon angesprochen hatte.

    „Ähm, aber mein Vater war Hylianer. Vielleicht hast du ihn in mir gesehen. Es stimmt wohl, meine Haare sind nicht ganz so rot wie die der Gerudos. Ich heiße übrigens Ravana, Bumara ist meine Tante.“ plapperte sie und wünschte sich dann, im Boden zu versinken. Sie sah ihm über die Schulter und hoffte, dass zufällig in diesem Moment eine der anderen Gerudos zum Tisch kommen würde, so dass sie den Mann stehen lassen konnte, aber natürlich kam gerade jetzt niemand.

    „Du bist Bumaras Nichte? Ich habe dich die letzten Tage immer mit ihr kämpfen sehen, du scheinst ja ganz versessen aufs Kämpfen zu sein. Mein Name ist Rikoon,“ sagte er und streckte ihr seine Hand entgegen.

    Was soll ich mit seiner Hand? Sie anfassen? Bei den Gerudos war es Sitte, sich zu umarmen, wenn man sich länger nicht gesehen hatte. Aber Rikoon war ein Mann, es wäre doch sicherlich unsittlich, ihn anzufassen? Ravana war sich sicher, dass Bumara sie in diesem Moment beobachte und sie fühlte sich schuldig. Dann wurde ihr bewusst, was Rikoon gesagt hatte. Hatte er sie etwa beobachtet? Sie überwand sich und erfasste seine Hand, die er ihr immer noch entgegenstreckte. Rikoon drückte zu und schüttelte sie, dann ließ er ihre Hand wieder los. Offensichtlich hatte sie richtig reagiert. Etwas mutiger sagte sie:
    „Wolltest du nicht mit Bumara sprechen? Und von wo kommst du überhaupt? Bist du Hylianer?“

    Rikoon runzelte die Stirn und zögerte kurz. Dann antwortete er:
    „Ja, ich komme aus Hyrule. Deine Tante sieht im Moment aber nicht sehr zugänglich aus, ich denke, ich verschiebe das Gespräch auf morgen.“
    Er drehte sich zum Tisch, nahm sich eine getrocknete Dattel und steckte sie in den Mund. Kauend sagte er:
    „Ein tolles Fest habt ihr hier. Viel zu Essen, viel zu Trinken und eine ausgelassene Stimmung. Bumara sagte am Anfang, dass du der Grund für das Fest bist und du in den Stamm aufgenommen wurdest. Warst du denn nicht immer bei den Gerudos?“

    Ravanas Kopf brummte, sie konnte sich durch die Müdigkeit, den schmerzenden Muskeln und die Wirkung des Alkohols kaum noch auf den Beinen halten, und zudem wollte sie nicht anfangen, noch mehr Schwachsinn zu reden, und so sagte sie:
    „Nein, ich kam erst vor wenigen Tagen hierher. Das ist eine etwas längere Geschichte. Kann ich sie dir ein anderes mal erzählen? Ich bin schrecklich müde...“

    Rikoon trat einen Schritt beiseite, nickte und sagte: „Aber natürlich, ich wollte dich nicht aufhalten. Du siehst wirklich ziemlich kaputt aus. Ich nehme an, dein Tag war etwas anstrengender als meiner.“
    Er lächelte, schob sich eine weitere Dattel in den Mund und nickte ihr zum Abschied zu.

    Ravana nickte zurück, ging über den Vorplatz und betrat die Festung. An jeder Ecke brannte eine Kerze in einem Wandhalter, so dass sie sich den Weg zu ihrem Gemach nicht ertasten musste, und auf dem Weg dachte sie über den Mann – Rikoon – nach. Sie kannte ihn nicht und auch sonst keine Männer, wusste nicht, von wo er kam, seine Antwort auf die Frage war sehr – dehnbar gewesen, und sie fühlte sich schüchtern in seiner Gegenwart, doch sie genoss es, eine andere Art von Gesicht und Körperbau zu sehen als die schlanken Gestalten der Gerudos mit ihrem immer sehr ähnlichen Aussehen.
    Sie fand ihre Kammer, zog den Vorhang an der Tür hinter sich zu, legte sich auf das Bett und schlief sofort ein.

    Geändert von Ravana (07.12.2004 um 22:01 Uhr) Grund: was kursiv gemacht

  3. #3

    Gerudofestung

    Ravana stand vor dem Schloss. Die Farben, die sie sah, waren sehr einfach, es gab die Wiese und Bäume vor dem Schloss in verschiedenen kräftigen Grüntönen, der Himmel leuchtete in einem tiefen, klaren blau und das Schloss erstrahlte in einem grellen weiß.
    Sie war glücklich, dass sie es endlich geschafft hatte. Sie war hier, stand vor dem Schloss und würde mit dem König sprechen! Während sie den majestätischen Bau noch musterte und sich darauf freute, ihn gleich zu betreten, zwitscherten die Vögel, in der Luft lag ein hintergründiges Rauschen, das man an klaren Morgen oft hören konnte und der Bach im Schlossgraben murmelte vor sich hin. Es roch nach Sommer – Blumen, Gras, Sonnenstrahlen und Ravana fühlte sich wohl wie nie zuvor. Endlich war sie hier!
    In Gedanken schon dabei, sich zu fragen, ob es im Schloss wohl dunkel war und ob es dort dicke, rote Teppiche an den Böden gab, ging Ravana langsam auf das Schloss zu.
    Doch es fiel ihr zunehmen schwerer, ihre Beine zu bewegen und die bekannte Panik überwand sie. Nicht schon wieder!
    Wie immer zogen sich hinter ihrem Rücken dunkle Schwaden zusammen. Ravana sah sie nicht, doch sie spürte, dass dort etwas war – und bisher war es immer diese angsterfüllende Dunkelheit gewesen.
    Jetzt verstummten auch alle beruhigenden Geräusche, die sie gehört hatte – bis auf das Rauschen des klaren Morgens. Dieses veränderte sich und war nicht mehr das leichte Rauschen, sondern eher ein beängstigendes Zischen.
    Obwohl sie es nicht wollte, drehte sie sich um, und sah, was sie gewusst hatte: eine Wolke aus Dunkelheit, die sich langsam ausbreitete und die Harmonie der Natur vernichete.
    Bisher hatte sie immer ein lautes Lachen gehört, doch diesmal erklang nur das rauschende oder zischende Geräusch. Dafür sah sie etwas, das ihr bisher immer verborgen geblieben war: in der Mitte der Dunkelheit strahlte ein kleiner Gegenstand ein helles, flackerndes Licht ab. Um dieses herum bewegten sich halb durchsichtige Gestalten – ein Heer der Toten, Geister, die sich um ihren Meister versammelten und ihm etwas in ihrer Geistersprache zu flüsterten. Die Luft war angefüllt mit diesem Wispern der Geisterstimmen.
    Ravana konnte nur entsetzt zusehen, wie die dunklen Nebenschwaben mit ihren Krallen aus Schatten das Licht der Sonne verdeckten und dann auf sie – und das Schloss – zukrochen...


    Ravana wachte auf und zitterte am ganzen Körper. Da war dieser Traum wieder.. Seit vielen Nächten hatte sie ihn nicht mehr gehabt, und nun war er wieder da und beängstigender als je zuvor.
    Eine Kerze auf dem Gang, deren Schein auch durch den Vorhang an der Tür drang, gab ein flackerndes, schummriges Licht ab – gerade so viel, dass Ravana die Umrisse der wenigen Möbelstücke im Zimmer sehen konnte. Ihr Herz pochte noch immer viel schneller als normal, und sie verspürte den Drang, einen Blick aus der Fensteröffnung zu werfen – irgendwie rechnete sie damit, dass auf dem Platz vor der Festung Heerscharen von Geistern ihr übles Werk trieben.
    Sie schlug die Decke auf, stand auf, zog ihren Dolch unter der Matratze hervor und ging vorsichtig zum Fenster.
    Nichts war zu sehen, zumindest nichts, das sie beunruhigte. Die Sterne am Firmament glitzerten, eine einsame Krähe krächzte ihr trauriges Lied in den Himmel, aber es waren keine Dämonen oder Geister zu sehen.
    Und doch – ejne heftige Traurigkeit überkam sie. Nicht nur in ihrem Traum war die Schönheit und der Frieden von Hyrule zerstört oder angegriffen worden – auch in Hyrule selbst war etwas geschehen.
    Bumara hatte davon erzählt, dass auch sie glaubte, dass etwas vorgehe im Land, aber genaueres hatte sie nicht gewusst.

    Auf dem Hof unten brannte nur noch eine der vielen Fackeln, die anderen waren alle schon erloschen. Auf den Tüchern am Boden lagen drei oder vier Gerudos, die den Weg zu ihren Gemächern wahrscheinlich nicht mehr gefunden hatten.
    Kurz fragte sie sich, in welcher Kammer Rikoon schlief. Im Hof war er nicht, jedenfalls nicht, soweit sie diesen überblickte.

    Doch ihre Gedanken wanderten zurück zu dem Alptraum. Heute wollte sie sowieso aufbrechen, sie war lange genug geblieben, um den Säbelkampf zu lernen, und sie wollte zum Schloss. Nach dem Traum, den sie eben hatte, fühlte sie sich in ihrem Vorhaben nur bestätigt.
    Ravana wusste jetzt, was sie wollte. Sie würde zum Schloss gehen (und hoffen, dass ihr Alptraum sich nicht bewahrheitete) und dort mit dem König reden. Wenn jemand wusste, was in Hyrule vor sich ging, dann er.

    Als starker und gerechter König würde er sicherlich ein offenes Ohr für die Ängste und Befürchtungen seiner Untertanen haben..
    Ravana war froh, dass sie endlich wusste, warum sie zum Schloss gehen sollte. Sie warf noch einen letzten Blick aus dem Fenster – ganz rechts konnte sie noch einen kleinen Ausschnitt Wüste sehen – und ging zurück zu ihrem Bett.
    Doch an Schlaf war nicht mehr zu denken. Inzwischen verspürte sie auch Kopfschmerzen, eine weitere unerwünschte Nebenwirkung des Palmschnapses.
    Ihre Gedanken wandten sich wieder Rikoon, dem Fremden, zu. Was er wohl von Bumara wollte? Ob sie ihn noch mal sehen würde, bevor sie sich auf den Weg zur Hylianischen Steppe machte? Einem weiteren Zusammentreffen mit ihm sah sie mit gemischten Gefühlen entgegen. Am abend auf dem Fest hatte sie sich sehr klein und dumm gefühlt und nicht gewusst, was sie sagen sollte.
    Vermutlich würde er seine Angelegenheiten hier klären und dann seinen Weg, wohin auch immer, fortsetzen – wie sie selbst auch.

  4. #4

    Gerudofestung

    In den frühen Morgenstunden, als die Sterne, die Ravana durch die Fensteröffnung sehen konnte, schon langsam verblassten, fiel sie doch noch in einen leichten und wenig erholsamen Schlaf.
    Einige Zeit später wurde sie von ein paar Stimmen auf dem Gang geweckt, offensichtlich waren die meisten anderen Gerudo schon aufgestanden. Ravana blieb noch einen Augenblick liegen und versuchte sich, genauer an ihren Traum zu erinnern, doch es gelang ihr nicht, die Ereignisse blieben verschwommen.
    Schließlich stand sie auf und zog sich wieder ihre eigenen Kleider an, die Hose nach Art der Gerudo, ein Überhemd, das sie schon seit Jahren trug, den bestickten Ledergürtel und darüber ihren langen Reiseumhang. Den fliegenden Teppich, ihren Bogen und den Köcher mit den wenigen Pfeilen ließ sie zunächst noch liegen, sie waren einfach zun unpraktisch, als dass sie sie ständig mit sich herumtragen wollte.
    Heute wollte sie sich auf den Weg machen, hinaus in die weite Welt, bis zur Schlossstadt, wo sie mit dem König sprechen wollte.
    Nachdem sie sich noch ihre langen, verknoteten Haare gekämmt hatten, bis diese seidig und glänzend über ihre Schultern wallten, knüpfte sie ihren Wasserschlauch, den Dolch, ihren Säbel, den sie von Bumara geschenkt bekam und einen Beutel mit ein paar kleinen Dingen, die sie nicht wegwerfen wollte, an ihren Gürtel und verließ dann den Raum.
    In der Küche waren die meisten Gerudo schon zum Essen versammelt. Rikoon konnte Ravana nicht sehen, entweder, er schlief noch, oder er bekam sein Frühstück in seinem Zimmer serviert – damit er die Gerudos nicht in ihrer morgendlichen Ruhe stören konnte, oder er hatte schon gegessen.
    Ravana setzte sich neben Bumara, die erstaunt ihre Kleidung ansah.
    „Ich sehe, du möchtest uns heute verlassen?“ fragte sie streng.
    „Ja. Ich habe heute nacht einen wichtigen Traum gehabt, und weiß jetzt, dass ich mit dem König von Hyrule sprechen muss. Und ich hatte ja gesagt, dass ich nicht lange bleiben kann...“ antwortete Ravana und klatschte sich den matschigen Haferbrei auf ihren Teller.
    Die Gerudo waren sehr still. Einige sahen ein wenig elend aus, was wahrscheinlich an dem vielen Schnaps lag, den sie gestern abend getrunken hatten. Einige andere hatten jedoch noch dazu einen schuldbewussten Gesichtsausdruck. Karantana, die Köchin und Verlieswächterin, hatte am abend angeregt mit Rikoon gesprochen und schämte sich jetzt bestimmt, dass sie mit diesem ... Mann ... geredet hatte und ihn nicht mit kalter Verachtung gestraft hatte.

    Ravana begann zu essen und verzog ein wenig das Gesicht über den Geschmack des Haferbreis. Wie konnten sie jeden Morgen dieses Zeug essen?
    Während des Frühstücks wurde kaum ein Wort geredet, und danach erklärte Ravana, dass sie sich noch einmal auf das oberste Dach der Festung setzen wolle, um ein letztes Mal die schöne Aussicht von dort zu genießen und versuchen wolle, sich genauer an ihren Traum zu erinnern.
    Noch bevor die Sonne den Zenit erreiche, werde sie aufbrechen.

  5. #5

    Gerudofestung

    Ravana hatte lange auf der Kante des obersten Daches der Festung gesessen und den patrouillierenden Gerudowächterinnen im Hof zugesehen, während sie nachdachte.
    Wenn ihr Ziehvater Kamir ihr das richtige Alter gesagt -, und sie seitdem die Sommer richtig gezählt hatte, war sie inzwischen 22 Jahre alt und hatte noch so gut wie nichts erreicht.
    Sie hatte ihr Leben in der Wüste verbracht, und zwar lesen, schreiben und rechnen gelernt und sich mit Magie und den Hylianischen Legenden beschäftigt, doch selbst erlebt hatte sie kaum etwas. Sie kannte nur die Gerudo, und auch das erst seit vier oder fünf Tagen.
    Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie sie die vielen Tage ihres Lebens verbracht hatte. Hatte sie keine Langweile gehabt? Ohne Menschen, ohne Abwechslung hatte sie gelebt...
    Aber jetzt schien ihr Leben einen Sinn zu bekommen. Ihre Träume zeigten ihr ihr nächstes Ziel: Das Schloss von Hyrule, wo sie mit dem König sprechen wollte.

    Kurz, bevor die Sonne den Zenit erreichte, stand sie auf und ging zurück zu ihrer Kammer, wo sie sich ihren Bogen und Köcher umlegte. Den fliegenden Teppich rollte sie zusammen und befestigte ihn mit einem Lederriemen an ihrem Gürtel. Ihre gesamte Habe trug sie nun bei sich und machte sich auf den Weg zur Küche, wo sie hoffte, Bumara anzutreffen, um sich von ihr zu verabschieden. Auf dem Weg dorthin sah sie kurz am anderen Ende des Ganges, bestimmt 50 Schritte entfernt, Rikoon, den Fremden. Er schien sie aber nicht zu bemerken und bog in einen anderen Gang ab, bevor sie ihn grüßen konnte.

    Als Ravana in die Küche kam, hatten sich dort alle Gerudo versammelt, vermutlich, um sie zu verabschieden. Ravana war so gerührt, dass sie am Liebsten ihr Vorhaben, die Gerudo zu verlassen, aufgegeben hatte. Sie blieb verlegen stehen und wusste nicht, was sie sagen sollte, doch Bumara kam schon auf sie zu und umarmte sie.
    „Nichte – ich bin so froh, dass du zu uns gekommen bist. Nun wird mich nie mehr das schlechte Gewissen plagen, dich vor so vielen Jahren ausgesetzt zu haben. Du sollst wissen, dass wir Gerudo immer auf dich warten werden. Egal, wo du bist, du wirst hier immer ein Zuhause haben!“
    Ravana nickte gerührt. Bumara nahm vom Tisch hinter sich einen kleinen Lederbeutel und gab ihn Ravana. Er war schwer, und etwas klirrte im Inneren, als Ravana den Beutel nahm. Sie öffnete die Zugschnur und schüttelte sich einen Teil des Inhalts auf die Hand. Heraus kamen viele polierte, glitzernde Steinchen in roter, grüner und blauer Farbe. Fragend sah sie Bumara an.
    Bumara sagte: "Wir haben ein Viertel unserer eisernen Reserve genommen und möchten sie dir schenken. 58 Rubine, damit kannst du eine Weile in der Stadt überleben."
    Ravana kannte diese Steine, oft hatte sie für ihren Ziehvater seine Einnahmen gezählt. Ein grüner Stein war ein Rubin, ein Blauer 5, und ein Roter war sogar 20 Rubine wert. Daran hatte sie bisher noch gar nicht gedacht – dass sie vielleicht Geld benötigen würde auf ihrer Reise.
    Behutsam schob die die Rubine zurück den den Beutel.
    Während sie ihn ebenfalls an ihrem Gürtel befestigte, sagte sie: „Ich danke euch, meine Schwestern. Euch allen – nicht nur für das Geld, sondern auch, dass ihr mich als eine der euren aufgenommen habt und mich den Säbelkampf gelehrt habt. Ich werde euch immer in Erinnerung behalten und verspreche, dass ich irgendwann wiederkommen werde. Tante – auf Wiedersehen...“
    Sie drehte sich um und verließ die Küche, um den anderen nicht zu zeigen, dass sie kurz davor war, in Tränen auszubrechen.
    „Ravana..!“ Bumara hatte sie noch einmal angerufen. Sie drehte sich um.
    „Eben ist der fremde Mann aufgebrochen. Er geht nach Kakariko. Ich weiß nicht, ob man ihm voll und ganz trauen kann, aber ich halte ihn für einen vernünftigen Mann. Vielleicht holst du ihn noch ein. Es könnte besser sein, wenn du nicht ganz allein die Steppe durchquerst. In den heutigen Tagen ist es dort vielleicht nicht mehr so sicher wie früher...“
    Den Fremden hatte sie ganz vergessen. Sie war sich aber nicht sicher, ob sie ihn überhaupt nochmal sehen wollte – bisher war sie allein am Besten klargekommen. Sie nickte und ging mit schnellen Schritten davon.

    Als Ravana aus der schattigen und kühlen Festung in die grelle Sonne trat, blieben auch die Wächterinnen stehen und streckten stumm ihre Speere in die Höhe. Ravana nickte ihnen zu, überquerte den Vorplatz, ging eine Treppe hinab und warf einen letzten Blick auf die Wüste rechts von sich. Im Moment war kein Sandsturm zu sehen, und das Bild flirrte in der Hitze. Ravana wandte sich um und machte sich auf den Weg Richtung Schlucht.

    Geändert von Ravana (13.12.2004 um 18:25 Uhr)

  6. #6

    Gerudotal

    Die Schlucht, die von der Gerudofestung zum FLuss führte, war länger, als Ravana gedacht hatte. Ihr war ein wenig mulmig wegen der hohen Felswände links und rechts. In der Schlucht gab es nur zwei Richtungen: nach vorne und nach hinten. Sollte sie von einem wilden Tier oder Räubern angegriffen werden, konnte sie sich nur auf ihre Waffen verlassen – eine Flucht war so gut wie unmöglich.
    Es war schon eine Weile nach Mittag, als endlich das Rauschen des Wassers hörte, das die Schlucht hinunterstürzte.
    Sie freute sich schon auf diesen Anblick – in der Wüste hatte sie natürlich nur selten Wasser unter freiem Himmel gesehen.
    Rikoon hatte sie nicht mehr erblickt. Er hatte wohl keine Zeit verlieren wollen und das Gerudotal vermutlich schnell verlassen.
    Schließlich bog Ravana um die letzte Biegung und hatte plötzlich einen viel besseren Überblick. Die Wände der Schlucht traten zurück und ein paar hundert Schritte vor sich sah sie den Felseinschnitt, der die Schlucht quer in zwei Hälften teilte. Über diese tiefe Schlucht führte, wie es aussah, nur eine halb verfallene Holzbrücke. Auf der anderen Seite verengten sich die Felswände wieder und der enge Durchgang setzte sich fort.
    Einige Felsbrocken lagen verstreut hier herum, und das Rauschen des Wassers war viel lauter geworden. Gespannt lief Ravana zum Rand der Schlucht und blieb entsetzt stehen. Einige hundert Schritte links von ihr stürzte das Wasser des Flusses mit Getöse von weit über sich bis hinunter an den Grund der Schlucht, mehrere hundert Schritt unter sich. Dort hatte es sich einen Weg durch den felsigen Boden gegraben und bildete einen reißenden, blau-grün schimmernden Fluss, der weit im Süden durch eine Biegung verschwand.
    Über der gesamten Schlucht lag ein dünner Nebel, der vermutlich vom Wasserfall herrührte und in langsamen Schwaden nach Süden zog.
    Ravana wurde ein wenig schwindelig, ihre Hände begannen zu schwitzen und schnell trat sie von der Kante weg und konzentrierte sich erst mal nur auf die andere Seite der Schlucht.
    Sie musste die wackelige Brücke überqueren, einen anderen Weg auf die andere Seite gab es nicht.
    Ravana presste ihre Finger zu Fäusten zusammen, ging die paar Schritte zur tiefergelegten Brücke hinunter und betrat die Brücke, die ein wenig zu schwanken schien. Vielleicht kam es ihr auch nur so vor.
    Sie hörte nichts außer dem Rauschen des Flusses, der neben ihr in die Tiefe stürzte. Ravana konzentrierte sich auf ihre Füße, übersprang ein paar Löcher, wo einmal Bretter gewesen waren und trat einmal auf ein loses Brett, das sich unter ihrem Gewicht löste, doch schnell hatte sie den anderen Fuß wieder auf sicherem Boden und sie sah durch die entstandene Lücke das morsche Brett in einem schier endlosen Fall unten in den Fluss stürzen.
    Schließlich hatte sie die andere Seite erreicht. Diese Brücke sollte mal repariert werden, dachte sie. Ich werde dem König davon erzählen, wenn ich daran denke.
    Sie ging wieder die Schräge zum felsigen Erdboden hinauf und blickte zurück. Diese Schlucht und der Wasserfall ist das Beeindruckendste, das ich jemals gesehen habe, dachte sie. Nur der Wüstenkoloss konnte mit seiner faszinierenden Bauweise und seiner Höhe mit dieser Schlucht mithalten.
    Schließlich drehte sie sich wieder um und ging weiter. Kurz darauf kam sie zu einem Holzsteg, der über ein Wasserbecken führte. Das Becken wurde von einem kleinen Wasserfall, der aus der Felswand schoss, genährt. Froh über die Gelegenheit legte Ravana ihren Umhang und alle ihre Beutel und Waffen ab und stieg in das Wasser. Angenehm schmiegte es sich an ihren Körper und sie blieb eine Weile darin liegen, während sie das Rauschen des großen Wasserfalls hinter sich und die leichte Bewegung des Wassers um sich genoss. Nach einigen Minuten stieg sie aus dem Wasser, schnallte sich ihren Gürtel mit den Waffen und Beuteln wieder um und setzte sich an eine Felswand, um sich von der Sonne trocknen zu lassen. Nach einiger Zeit vielen ihr die Augen zu und obwohl sie sich eigentlich dagegen wehrte, wurden ihre Gedanken immer träger und sie merkte, wie sie langsam in den Schlaf glitt.

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