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Ehrengarde
Ort: Gerudofestung
Während der kurzen Stunde, in der Karantana Ravana in den grundlegenden Techniken des Säbelkampfes unterwies, vergaß Ravana ganz und gar, wo und wer sie war und wo sie hinwollte. Sie ging absolut darin auf, ihren Körper in bestimmte Bewegunsabläufe zu bringen und zu wissen, dass sie auf diese Weise mit ein wenig Übung äußerst wirkungsvoll sich selbst und andere Menschen würde schützen können.
Die Zeit verflog, und Karantana meinte schließlich, dass sie jetzt für die Nachmittagsmahlzeit der Gerudo würde sorgen müssen.
Ravanas Entscheidung war gefallen, sie würde noch ein paar Tage hier bleiben und mit Hilfe von Bumara und Karantana einige Säbelkampf-Übungsstunden verbringen.
Sie dankte Karantana für die Lektion und die beiden verabschiedeten sich, als Karantana wieder in die Küche ging.
Ravana erinnerte sich daran, dass sie sich auf dem Gelände umsehen wollte. Sie setzte sich in Bewegung und ging an der Hauswand entlang, bis sie unter sich die nächste, jedoch sehr viel kleinere Terrasse sah. An der Mauer neben sich, die bis nach unten auf die andere Terrasse reichte, wuchs eine dichter Efeuranke, die sogar recht stabil aussah. Ravana sah sich kurz um – aus irgendeinem Grund wollte sie nicht dabei beobachtet werden, die Pflanze auf diese Weise zu missbrauchen – und kletterte an der Ranke hinab auf die untere Terrasse. Sie war überrascht, wie gut das Efeu an der Mauer verankert war. Auch auf dieser Terrasse fand sie eine Ranke, die nach unten führte und Ravana dachte sich, dass ein findiger Fremder, der in die Festung eindringen wollte, mit Hilfe des Efeus leicht bis ganz nach oben klettern könnte, wenn er nicht zu schwer war und sich ein wenig Mühe gab, von den im Hof auf und ab marschierenden Wächterinnen nicht bemerkt zu werden...
Die paar Schritt vom letzten Absatz bis zum sandigen Erdboden sprang sie einfach, und kam neben einer jüngeren Gerudo auf dem Boden zu stehen. Die Frau, die mit einem Speer in der Hand neben einem Gitter stand, schaute verwundert zu ihr hin.
Ravana grinste und sagte: "Ich heiße Ravana, ich grüße dich. Was befindet sich denn hinter dem Gitter?"
Die Gerudo-Wächterin stellte sich sehr grade hin und sagte: "Ich bewache den Eingang der Trainingsarena. Möchtest du sie betreten?"
Ravana schüttelte den Kopf und sah sich um. Einige Schritte weiter hinten begann eine kleine Schlucht, die sich in den Berg grub. "Diese Schlucht, gibt es dort etwas zu sehen?"
Die Frau sagte: "Kannst du reiten? Dort hinten lebt unsere beste Bogenschützin, sie bringt dir das Schießen aus dem Sattel bei. Du kannst ruhig einmal hingehen und mit ihr reden!"
Ravana bedankte sich und ging los. Eigentlich hatte sie erwartet, dass sie mindestens eine oder zwei Meilen würde laufen müssen, doch schon nach kurzer Zeit sah sie das Ende der Schlucht.
Sie lief geradewegs auf einen kleinen Unterstand zu, unter dem ein braunes, gesatteltes Pferd angebunden war. Daneben stand eine kleine Hütte, wo vermutlich die Lehrmeisterin lebte.
Links von sich sah Ravana einen weiteren Felseinschnitt, der sich mindestens eine viertel Meile in den Fels grub. An den Hängen waren verschieden große Zielscheiben aufgehängt und darunter standen auf Hockern große Tonkrüge.
Ravana ging zu der Hütte, betrachtete kurz das Pferd, ohne sich näher heran zu trauen und klopfte dann gegen die schäbige Holztür. Eine ältere Frau öffnete die Tür und grinste Ravana mit einem zahnlosen Lächeln an. "Du musst die junge Nichte der Bumara sein, oder? Ich habe von dir gehört. Deine Mutter war ein wildes junges Ding, schade, dass sie keine Gerudo sein wollte. Kann ich dir helfen, Mädchen?"
Ravana freute sich über die herzliche Begrüßung. Die alte Frau lächelte sie noch immer an, und Ravana sah, dass ihre Hände leicht zitterten. Wie alt muss sie sein! Ihre Haut sah faltig aus wie altes zerknülltes Papier... Sie antwortete: "Nun, ich wollte nur mal sehen, was es hier zu sehen gibt, ich danke dir."
Die Bogenmeisterin lächelte noch immer, sie sah froh aus, dass jemand sie besuchte. Ravana wusste nicht, was sie sagen sollte und überlegte fieberhaft, doch ihr viel nichts ein und schließlich sagte sie: "Ich möchte dich nicht weiter stören, und.." Die Frau unterbrach sie. "Du störst doch nicht, ich freue mich, jemanden zu Gesicht zu bekommen, für meine alten Beine ist der Weg hinunter zur Festung schon fast zu weit.."
Ravana erwiderte: "Danke für deine Freundlichkeit, aber ich denke, dass Bumara sich schon fragen wird, wo ich bin. Sie ist sehr besorgt. Wenn du nichts dagegen hast, komme ich in den nächsten Tagen nochmal hierher, vielleicht kannst du mir dann zeigen, wie ich mich dem Pferd da draußen nähern kann, ohne, dass es mich beißt oder tritt..." Die Frau lächelte. "Aber sicher, Mädchen. Wenn du wüsstest, wie sanft Pferde sind, würdest du dir selbst auch eins kaufen wollen. Hihihi...". Vor sich hin kichernd schloss sie die Tür und Ravana machte sich wieder auf den Rückweg.
Nach kurzer Zeit kam sie wieder bei der Festung an und folgte den anderen Gerudos zur Küche. Natürlich blieben einige Wächterinnen draußen vor der Festung und hielten die Augen offen. Sie würden später die Mahlzeit zu sich nehmen, vermutete Ravana.
In der Küche saßen die meisten Gerudo schon am Tisch, es roch nach gekochtem Fleisch und Suppe. Als Bumara sie bemerkte, hellte sich ihr Gesicht auf und winkte ihr zu. "Komm hierher, Nichte, du sitzt neben mir!" Ravana ging um den Tisch herum, nickte Karantana an der Feuerstelle zu und ließ sich auf einem der hölzernen Hocker nieder. Der große Kochtopf stand dampfend neben dem Tisch und eine der Frauen erhob sich, um den anderen mit einer Kelle den Eintopf in die Tonschüsseln zu schöpfen.
Ravana nutzte den Augenblick und sagte mit lauter Stimme: "Ich danke euch allen für eure Gastfreundschaft, ich fühle mich hier sehr wohl. Ich würde gerne das Angebot meiner Tante Bumara annehmen und noch ein paar Tage hierbleiben, um das Säbelkämpfen zu lernen, bevor ich weiterreise."
Die Frauen murmelten zustimmend und Bumara antwortete: "Du bist uns mehr als willkommen, Nichte. Wir sind froh, dich hier zu haben. Karantana und ich werden dir in der kurzen Zeit alles beibringen, was uns möglich ist. In drei Tagen werden wir ein kleines Fest dir zu Ehren geben, dort kannst du uns allen dann das Erlernte vorführen."
Ravana wurde leicht rot vor Verlegenheit, nahm die Schüssel mit Eintopf entgegen, die man ihr reichte und begann zu essen.
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