-
Ehrengarde
Ort: Gerudofestung
Ravana ging in ihren kleinen Raum zurück und blieb unschlüssig stehen. Weiterziehen und die Chance, mit dem Säbel umgehen zu lernen verpassen oder einige Tage hier bleiben und riskieren, zu spät zum Schloss zu kommen?
Aber den Traum vom Schloss und der schrecklichen Dunkelheit hatte sie nicht mehr gehabt, seit sie den Wüstenkoloss verlassen hatte.
Vielleicht kam der Traum auch nur durch die Beeinflussung ihrer Gedanken durch den Wüstenkoloss...
Nein, sie hatte noch immer das Gefühl, zum Schloss gehen zu müssen. Doch es war nicht mehr so drängend...
Ravana entschied sich, sich die Festung und die Umgebung anzusehen. Über die Frage, ob sie noch einige Tage hierbleiben sollte, konnte sie während des Rundganges nachdenken.
Sie war so froh, einmal Menschen um sich zu haben, und es interessierte sie, wie diese Menschen miteinander lebten. Sie wollte sehen, was die Gerudo den ganzen Tag machten, und sie wollte auch einen Blick in die legendäre Trainigsarena werfen, in der der sagenhafte Held Link vor Jahrzehnten seine Kraft und seinen Mut bewiesen hatte.
Ravana ging zum Vorhang, der ihren kleinen Raum vom Flur trennte, schob ihn beiseite und trat auf den Flur. Inzwischen konnte sie sich den Weg zur Küche merken.
Die Küche war bei den Gerudo eine Art Versammlungsort, wo normalerweise immer jemand anzutreffen war. Hier trafen sich die Gerudo auch morgens und nachmittags zu den täglichen Mahlzeiten.
Als Ravana die Küche betrat, war nur die Köchin anwesend, die trotz ihrer Tätigkeit sehr schlank war. Sie hatte auf dem großen Tisch mehere Säckchen mit Kräutern und Zutaten stehen und mischte im Moment ein gelbliches Pulver unter einige große Stücke rohes Fleisch.
Ravana ging auf die Frau zu und fragte: „Steht die Trainingsarena jedem offen? Ich würde sie mir gerne ansehen...“
Die Frau hielt inne und schien zu überlegen. Schließlich wischte sie sich die Finger an ihrer Hose ab, an der schon einige weitere Flecken zu sehen waren.
Sie sagte: „Ja, sie steht jedem Gerudo offen. Aber ich würde dir nicht raten, dort hin zu gehen, denn es gibt gefährliche Wesen dort, die du nur besiegen kannst, wenn du eine gewisse Erfahrung und auch einige Waffen hast.“
Sie nahm eines der Säckchen mit Gewürzen und stellte es auf ein Regal hoch oben an der Wand. Während sie sich hinaufstreckte, sagte sie: „Mein Name ist Karantana und bin eine der besten Kämpferinnen unter den Gerudo. Ausgenommen natürlich Bumara.“
Sie lächelte und Ravana fragte überrascht:
„Du kämpst? Ich dachte, du wärest die Köchin und deine Waffen sind Kochlöffel und Töpfe..!“
Karantana lachte laut auf. „Jede Gerudo ist gefährlicher als drei Soldaten des Königs zusammen. Hast du das nicht gewusst? Und ich stamme von einer der gefürchteten Gerudowächterinnen ab, die schon seit Urzeiten für die Verliese in der Festung zuständig sind – selbst, wenn wir keine Gefangenen haben!“
Ravana lächelte. Wie kam sie auf den Gedanken, dass eine Gerudo sich damit zufrieden zu geben, Essen zu kochen? Erst jetzt viel ihr auf, dass Karantana an jedem Bein einen Säbel hängen hatte, anstatt wie die meisten Gerudo nur einen.
Karantana hatte ihren Blick bemerkt. „Ja,“ sagte sie, „ich beherrsche auch die Wirbelattacke, die bei den Menschen so gefürchtet ist. Ich habe noch eine Stunde Zeit, bis mein Dienst als Köchin wieder benötigt wird. Komm mit, ich zeige dir ein paar Techniken!“
Man sah ihr an, dass sie jeden Grund wahr nahm, ihre beiden Säbel in die Hand zu nehmen und damit die Luft zu zerschneiden. Während sie noch sprach, hatte sie sich schon umgedreht und war auf eine Treppe zugegangen, die zu einer der vielen Türen nach außen führte.
Ravana dachte daran, dass sie sich eigentlich umsehen wollte, doch wenn ihr schon jemand bereitwillig etwas zeigen wollte, nahm sie diese Chance natürlich an. Sie folgte Karantana die paar Stufen hinauf und ging durch die Türöffnung nach draußen.
Sie standen auf einem der vielen Dachterassen der Gerudofestung, und diese Terasse war besonders weitläufig. Hier konnten sich gut und gerne alle Gerudo der Festung aufhalten, ohne, dass es Gedränge gegeben hätte.
Ravana stellte sich an die Wand, um Karantana nicht im Weg zu sein.
Diese begann auch gleich mit ihren Übungen. Blitzschnell hatte sie ihre beiden Säbel gezogen, sich in eine hockende Stellung begeben und die Säbel wie einen Schild vor sich hingehalten.
Sie rief Ravana zu: „Siehst du, wenn ich meine Säbel so halte und meine ganze Kraft in die Arme gebe, kann sogar ein Gorone mit einer großen Axt mich nicht erreichen. Die Säbel sind sehr stabil, es ist noch nie geschehen, dass einer abgebrochen wäre!“.
Ravana nickte erstaunt.
Karantana war inzwischen in eine abwartende Position gegangen. Sie hob ihren rechten Arm waagerecht vor ihr Gesicht, den Säbel fest umklammert. Den linken Arm hatte sie schräg nach hinten ausgestreckt und trippelte mit federnden Schritten auf der Stelle, bereit, auf ihren imaginären Feind loszugehen.
Plötzlich sprang sie nach vorne und ließ die Säbel in einer schneidenden Bewegung vor sich hin und herfahren. Ravana bemerkte, dass die Säbel nicht willkürlich bewegt wurden, sondern harmonisch in einem Bewegungsablauf, der sich immer wiederholte, während Karantana mit federnden Schritten sich nach links, rechts und vorne bewegte.
Nach wenigen Sekunden begab sie sich wieder in die Abwehrstellung und holte ein paar mal tief Atem. Plötzlich machte sie wieder einen Satz nach vorne, während sie mit dem rechten Arm weit nach oben ausholte und ließ dann den Säbel mit einem lauten Pfeifen vor sich niedersausen.
Ravana schauderte, ein Feind wäre mit diesem Schlag sauber halbiert worden... Während sie noch fasziniert die abwärts-Bewegung mit dem Säbel verfolgte, holte Karantana schon mit dem linken Arm weit nach hinten aus, drehte sich mit der Hüfte so weit es ging ebenfalls nach hinten, brachte den rechten Säbel mit einer fließenden Bewegung von unten wieder auf Schulterhöhe, stieß einen lauten, hohen Schrei aus und wirbelte plötzlich durch die Luft und kam auf der anderen Seite der Terrasse wieder auf dem Steinboden auf.
Ravana konnte kaum fassen, was sie gesehen hatte. War Karantana grade eben wirklich geflogen? Es sah so aus, sie hatte nur noch einen roten Wirbel gesehen, mit zwei tödlichen Klingen, die fast schon einen Kreis bildeten...
Und schon kam Karantana ein wenig außer Atem auf sie zu. „Siehst du,“ sagte sie, „das grad war die Wirbelattacke. Es gibt kaum jemanden, der ihr schnell genug ausweichen kann! Dafür ist sie aber auch nicht ganz einfach zu lernen. Hier, nimm meinen Säbel!“
Ein wenig aufgeregt nahm Ravana den Säbel entgegen und wog ihn in der Hand.
Karantana sagte: „Nur wir Verlieswächterinnen, die wir auch die Leibwachen der Anführerin sind, kämpfen mit zwei Säbeln. Einer ist schon gefährlich genug, damit kann man sich eine ganze Bande Wegelagerer vom Leib halten, wenn man es richtig kann! Nun halte den Säbel schräg nach oben vor dein Gesicht – nein, ein wenig höher – so.“ Sie machte mit dem anderen Säbel die Bewegung vor und Ravana versuchte, sie nachzumachen. Sie merkte, wie ihr Blut in Wallung kam und die Kampeslust sie erfasste, als sie den Säbel auf diese Weise vor sich hielt.
„So kannst du Schläge abwehren,“ sagte Karantana. „Einem Goronen solltest du mit nur einem Säbel vielleicht nicht gegenübertreten – die sind ganz schön stark,“ erklärte sie zwinkernd, „aber du kannst damit einige sehr harte und eigentlich tödliche Schläge abfangen, das Schwert des Gegners nach unten leiten – siehst du, so – und dann selbst zu einem unerbittlichen Schlag ausholen – so.“
Während sie sprach, führte sie den Säbel langsam in den beschriebenen Bahnen, und Ravana machte sie nach und wurde dann immer schneller.
Karantana nickte. „Ja, so muss das dann aussehen. Die Wirbelattacke kann ich dir nicht beibringen, zumindest noch nicht.. Aber ein paar andere sehr gefährliche Tricks. Sieh mir genau zu und mach mir nach!“
Geändert von Ravana (02.12.2004 um 13:10 Uhr)
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
-
Foren-Regeln