Ravana hatte den Entschluss gefasst, wieder zurück zu dem steinernen Gebäude zu gehen. Vielleicht hatte sie dort etwas übersehen, das Dach des Gebäudes hatte sie auch nicht versucht zu besteigen. Eine dumme Idee, aber etwas anderes wollte ihr im Moment nicht einfallen.
Kurz nachdem sie losgelaufen war, erreichte sie den nächsten Masten, den sie auf dem Hinweg schon passiert hatte. Da Ravanas Blick jetzt nicht mehr freudig in die Ferne schweifte, sondern sie mutlos den Boden betrachtete, fiel ihr auf, dass nur wenige Schritt von dem Masten entfernt ein Stück Holz aus dem Boden ragte. Sie hockte sich daneben und grub mit den Händen den Sand beiseite, der das Holz bedeckte. Schließlich hatte sie es vom Sand befreit – sie stellte fest, dass das Stück Holz vor einiger Zeit mal ein Wegweiser gewesen sein müsse - und drehte es um. „Fliegender Händler“ stand dort in verwitterten Lettern. Aufgeregt ließ Ravana das Schild fallen. Dieses Schild hatte Reisenden einmal den Weg zu ihrem Ziehvater gewiesen! Es gab sonst keinen Händler in der Wüste.
Nur in welche Richtung hatte der Pfeil einmal gezeigt? Das konnte sie nicht mehr herausfinden. Ravana schaute sich um, und tatsächlich! - ungefähr eine Meile entfernt – so genau ließ sich das natürlich nicht sagen, da die flirrende Luft die Wahnehmung beeinträchtigte – zu ihrer Linken, also Richtung Süden, erkannte sie einen weiteren Holzmasten.
Ravana sprang auf und lief mit schnellen Schritten auf ihr Ziel zu.

Inzwischen hatte auch der Sturm sie wieder erreicht und Ravana musste sehr aufpassen, dass sie den Masten nicht aus den Augen verlor. Kurze Zeit später erreichte sie ihn und erkannte auch den Teich aus Treibsand, über dessen Mitte ihr Ziehvater, der schrullige Händler Kamir, früher auf seinem fliegenden Teppich seine magischen und exotischen Waren feilgeboten hatte.
Der Teppich schwebte noch immer dort, doch Kamir war nicht zu sehen.
Ravana rief dem Teppich einige Wörter in der Sprache der Magier, die Karim ihr in ihrer Kindheit teilweise beigebracht hatte, zu: „Kara torroga, kara makir – kara tamal!“ und der Teppich schwebte gehorsam zu ihr hin.
Sie erschrak, als sie ihn näher betrachtete. Er war zerschlissen und ausgebleicht, und eine der Ecken hing herab. Er musste schon lange ohne pflegende Hände über dem Teich geschwebt sein... Was war nur mit Karim geschehen?
Doch darüber machte sie sich zunächst keine Gedanken. Sie hatte ihn sowieso nie richtig geliebt, obwohl er die einzige Person war, mit der sie hin und wieder hatte sprechen können.
Vielmehr erkannte sie, dass sie nun die Möglichkeit hatte, den fließenden Sand zu überqueren.
Sie faltete den Teppich liebevoll zusammen und machte sich auf den Weg zurück durch den tosenden Sandsturm.