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Kämpfer
Gedicht: Der Selbstmörder
Der Selbstmörder
I.
Das Blechgelag´, wo ich trinkend saß,
verließ ich und wandelte heimatwärts -
ich trat in mein Zimmer, es gähnte mich an
kalt, öde und leer wie mein ödes Herz.
Ruhelos im Gemach ging ich auf, ging ich ab,
die Kerze im Winde flackerte wild -
den Vorhang, der dunkel die Wand dort bedeckt,
ich schob ihn zurück - da erschien mir ein Bild.
Ihr Antlitz war´s - und es schaute mich an
mit Augen so dunkel, so tränenschwer,
als wenn sie weinte noch jenseits des Grabs,
als wenn sie zürnend gestorben wär.
Und es bebte der Mund in dem bleichen Gesicht:
"Bist du es, der düster dort vor mir steht?
Ich habe geharrt und du kamest nicht -
was kommst du heute - nun da es zu spät?
Ich habe gewartet mein Leben lang,
eine lange Zeit, eine bittere Zeit,
für dein Herz, das die Welt dir in schmerzen zerriss,
war mein liebendes Herz dir zum Troste bereit.
Doch die Welt war so laut und dein Herz war so taub -
der Seufzer der Liebe ist zitternd verweht -
die Träne versiegte, die Liebe ist tot -
was kommst du heute - nun da es zu spät?"
Zu spät - wie der Totenwurm pickt im Gebäu,
so tönt´ es "zu spät" in der Seele mir nach -
Frost schauderte mir durch Mark und Gebein,
ruhelos ging ich auf, ging ich ab im Gemach.
Und jetzt vor dem Spiegel - wie fasst es mich an -
wer ist es, der dort gegenüber mir steht?
Sein Haar wie so grau - und auf seinem Gesicht
steht geschrieben in Furchen und Falten "zu spät".
Wild starrt er mich an und er ballt mir die Faust:
"Wo ist nun das Glück, das du lechzend gesucht?
Dein Leben verloren - die Liebe verscherzt -
und von Ehrfurcht zerstampft - Sei verflucht! Sei verflucht!
Kein Herz mehr für dich, als dein eignes allein,
so vergiftet von Groll - so zermatert von Leid"
Still - hadre nicht mehr - wenns für Alles zu spät,
dann ist´s für das Eine die rechte Zeit.
II.
Kein Priester fand an dem Grabe sich ein,
der die Leichenrede ihm hielt,
der Wind war Priester und Küster allein,
der raschelnd im Grase gespielt.
Ihm flocht man nicht Kränze, ihm folgte niemand,
kein Wagen gab ihm Geleit,
ein Einziger war, der am Grabe stand -
doch der Eine trug zehnfaches Leid.
Von allen Menschen nur ich, nur ich,
ich hielt ihm die Totenwacht,
als schaudernd Alles von ihm entwich,
der selber den Tod sich gebracht.
Von allen Menschen nur ich, nur ich,
ich folgte dem schaurigen Zug,
der hastig bei Nacht durch die Gassen sich schlich
und der in Die Grube ihn trug.
Die Rosse, als witterten sie ihre Last,
wild schnoben sie hin ihren Trab;
Der Totengräber mit Hast, mit Hast
warf Scholle auf Scholle herab.
Und alles wandte von ihm sich hinweg
und alles war Schrecken und Graus,
man löschte wie einen brandigen Fleck
im Buche des Lebens ihn aus.
Ich hob mein Haupt zu der Mitternacht,
die flammend voll Sternen stand -
da rauscht´ es im Dunkel mit Macht, mit Macht
Ein Schatten schwebte und schwand.
Und über der Erde, und weit drüber her
durch die Lüfte rauschte ein Schrei -
Ich kannte die Stimme - ich weinte nicht mehr -
ein jauchzendes, jubelndes "Frei !"
--Up The Irons!

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