Erstmal möchte ich vorweg festhalten, dass Crash ein "ganz normaler" Roman mit vielen pornografischen Szenen und Elementen ist. Es ist nicht ein bloßer Porno mit abwegiger drumherum konstruierter Handlung. Ich unterstelle dir nicht, dass du das behauptet hast, es klingt nur allmählich so, wenn wir das Buch einen Porno nennen.Zitat von Stan
1. Ist das Buch wie gesagt kein Porno und hat auch nicht das Ziel, dich zu erregen, die Sexszenen dienen einem ganz anderen Zweck, was auch ein Grund für die Sprache ist, der Ballard sich bedient. Ginge es um Erregung des Lesers, hätte Ballard wohl eine "leidenschaftlichere, menschlichere Sprache" benutzt. Die Sprache macht aber das gleiche wie die Protagonisten: Sie passt sich den Maschinen an. Oder hast du je ein aufgegeiltes Kosewort für "Stoßstange" oder "Lenkrad" gehört?Zitat
Die Beschreibungen sind kühl, klinisch, medizinisch, weil es sich bei den sexuellen Begegnungen nur noch um logische Konsequenzen, um Experimente handelt. Der Sex zwischen Vaughan und James selbst ist ein Paradebeispiel, es wird schon von Anfang an deutlich, dass es auf ihn hinauslaufen wird und James selbst beschreibt es wundervoll als völlig logisch und bar jeder Erotik. In Cronenberg's Film sieht man das zudem nochmal zusätzlich daran, wie betont von hinten der Sex fast immer stattfindet. Die Menschen schauen sich nicht mehr in die Augen, ins Gesicht dabei.
2. Wenn du mit der Erwartungshaltung an Crash gegangen bist, einen Porno zu lesen, der dich erregt, oder zumindest erwartest dass er dich erregt während du die pornografischen Passagen liest OBWOHL du im Vorfeld wusstest, worum es geht (und das unterstelle ich dir einfach, so ein Buch liest man nicht blind), obwohl du sagst, dass dich das Genre nicht interessiert (siehe quote oben), obwohl du wusstest, dass du selbst derartige Neigungen nicht teilst, liegt es dann nicht eventuell einfach nur an deiner falschen Erwartungshaltung, dass Crash platt gesagt bei dir verschissen hat?
Also frage ich nochmal, was hätte Ballard machen können um es nicht ganz so langweilig in deinen Augen werden zu lassen? Kürzen? Welche Szene wäre deiner Meinung nach entbehrenswert gewesen?Zitat
Ich würde das befremdlich nennen, zugegeben. Ganz einfach deswegen, weil alles so direkt und unverblümt beschrieben wird, das ist man nicht gewohnt. Aus dem Zusammenhang gerissen, wird vieles lächerlich, das kann man auf jeden Film und jedes Buch ummünzen.Zitat
Catherine wird von ihm von Anfang an fast mehr als funktionierender Roboter geschildert, der seinen Körper regelrecht jeden Morgen wartet um ihn gezielt im Laufe des Tages und Abends einzusetzen, denn als Mensch. Nicht nur, dass sowohl sie als auch James nur noch halbwegs abgehen können im Bett, wenn sie sich von ihren Abenteuern mit anderen erzählen, Catherine wird so sehr entmenschlicht, dass selbst ihr Körper beinah steril scheint, makellos ist, ihm auf dem ersten Blick jedes Anzeichen dafür fehlt, dass sie tatsächlich etwas anderes sein könnte als diese biologische Maschine, die sie eben jeden Morgen wartet und putzt und bereit macht.
Das hängt wohl zugegeben von der Umsetzung ab, Crash ist jedenfalls weit mehr als ein Porno in dem Menschen auf Autos stehen und die aus Crashs resultierenden Verletzungen. Crash kann erregend sein, Crash kann traurig sein, wenn man es lässt. Ich bin generell kein Fan von Büchern und Filmen, die erst einer Erklärung hinterher und ein zweites Lesen benötigen um auf einmal gut gefunden zu werden.Zitat
Es gibt aber (leider) Autoren und Filmemacher, denen das herzlich egal ist und deren Werke meist erst funktionieren, wenn man ihren Stil entweder bereits kennt und mag oder sie zweimal guckt. Also was macht man dann damit? Die Intention ignorieren und die Sachen einfach Scheisse finden, sie tatsächlich überdenken und zweimal schauen oder sie Scheisse finden und zugeben, dass man keinen Bock hat sich weiter damit auseinanderzusetzen?
Dass ein Autounfall sexuelle Energie freisetzen kann, dass ein entstellter, verletzter, geöffneter Körper empfindsamer und befreiter agieren kann als ein unversehrter, dass eine Verletzung eine neue erogene Zone schaffen kann, die einen in Kontakt mit Körperteilen kommen lässt, bei denen man bei einem normalen Körper platt gesagt nicht rankommt und somit Empfindungen auslösen kann, die einem ohne diesen Unfall entgangen wären (Stichwort Gabrielle und ihre Narbe am Bein.....).Zitat
Ich denke, man muss diesen Fetisch nicht teilen um zuzugeben, dass der Gedanke eine Überlegung wert ist, sofern man nicht von vorn herein der Moral wegen abblockt.
Vaughans "Jünger" lassen sich auf ihrer Suche alle von und mit seiner Idee füllen, ohne sie auch nur eine Sekunde in Frage zu stellen, zumal er das ganze ja auch sehr geschickt angeht.
Frage 1: Hältst du es nicht für möglich, dass diese Menschen ein Gleichnis für uns alle sind? Kennst du keine TV Shows, die dich so langweilen, dass du sie nicht schaust, obwohl deren menschenverachtendes Konzept dich früher eventuell schockiert hätte und noch immer schockieren sollte?
Frage 2: Die Langeweile, die sich beim Lesen des Buches bei dir eingestellt hat, ist die nicht selbst ein herrliches Zeichen für Abstumpfung, dass man selbst nach einer Weile wie Ballard alles schluckt und einfach so hinnimmt anstatt es noch in Frage zu stellen oder als grotesk zu empfinden?
Ich nehme aber an, dass dir DAS schon vor dem Lesen klar war.Zitat
Vaughan.